28/06/2013von 525 Views – 0 Kommentare

Tomeo, Javier: Der Mensch von innen und andere Katastrophen

Prosa
Taschenbuch
96 Seiten
Erschienen 1988 bei Wagenbach, Taschenbuch 1998
Aus dem Spanischen von Elke Wehr
Originalausgabe: „Historias mínimas”, 1988

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Inhalt:

So verschieden die Helden dieser Geschichten auch sind – Fliegen, Zugreisende, Tintenfische, Theaterbesucher – es eint sie das bizarre Reich ihres Innenlebens, in dem der Schielende dem Kurzsichtigen die Welt erklärt. Hier tobt sich die Lust am wahrheitsgemäßen Schwindel aus und stets eröffnen gerade die wackligen Perspektiven die schönsten Aussichten: Der Soldat darf gleich als Zweierknochen marschieren, Tiere sprechen, um herauszufinden, was mit den Menschen los ist, der Dichter springt behende aus dem Fenster und fliegt über die Stadt, da hat man einfach den besseren Überblick. (Pressetext)

Kurzkritik:

Tomeo stellt unsere Welt auf aberwitzige Art und Weise dar, jedoch so, als ob dieser Aberwitz ganz normal wäre. Dies erlaubt einen von Gewohnheiten unverstellten Blick auf diese Welt

Werner gibt  ★★★★½  (4,5 von 5 Eselsohren)

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Besprechung:

Die Vorzüge der Kurzsichtigkeit

Als ich am 22. Juni 2013 erfuhr, dass Javier Tomeo gestorben war, habe ich die fünf Bücher, die ich von ihm besitze, hergenommen – und in diesem zu lesen begonnen. „Der Mensch von innen …“ besteht aus kurzen Texten „in vier Abteilungen“.

Die „Sechs kurzsichtigen Geschichten“ handeln von kurzsichtigen Menschen. In der ersten preist ein Schielender einem (verzweifelten) anderen die Vorzüge des Schielens, etwa dass man dadurch seine Gedanken und Gefühle verbergen könne. – Dann verführt ein Mann im Park eine Frau, die mit einer Brille vorgibt, schlecht zu sehen, und als er sich vor ihr entblößt, bemerkt er nicht, dass zwei Polizisten des Weges kommen. – Ein schlecht sehender Mann kehrt nach Hause zurück und findet seinen schlecht sehenden Vater verändert vor. Er hat sich im Stockwerk geirrt, bleibt jedoch, weil sein leiblicher Vater mittlerweile verstorben ist. – Zwei fast Blinde wollen Schach spielen und geben es wieder auf, weil sie über die Stellung der Figuren in Streit geraten. – In einem voll besetzten Bus glaubt ein Fahrgast, dass der Fahrer schlecht sehe; andere Reisende verteidigen den Fahrer; schließlich lenkt der Chauffeur den Bus über einen Abgrund hinaus. – Zwei befreundete alte Männer, einer blind, einer taub, beschreiben einander, was sie hören resp. sehen, und geben dies im Winter auf, weil ein Zimmer dafür zu wenig hergibt.

Schmerzliches Lachen

Tomeo stellt unsere Welt auf aberwitzige Art und Weise dar, jedoch so, als ob dieser Aberwitz ganz normal wäre. Dies erlaubt einen von Gewohnheiten unverstellten Blick auf diese Welt, geht oft mit einer schmerzlichen Erkenntnis einher, und die Spannung löst sich in Lachen auf. Was tun wir da eigentlich die ganze Zeit?, mag man sich fragen.

Die Baumgrille in „Zwanzig Tiere“ tut das nicht. Sie möchte sich in eine einzigartige Grille verwandeln und andere Töne als die übrigen produzieren. Den Winter über will sie üben, um diese dann in Erstaunen zu versetzen. „Ich werde meine Arie schmettern, und aus irgendeinem Winjkel des Waldes wird eine zarte, von Leidenschaft vibrierende Antwort kommen. Allein diese Hoffnung wird mich befähigen, den Winter zu überleben, der bereits vor der Türe steht.“ Zu dumm, dass ihre Lebenserwartung nur bis zu 130 Tagen beträgt.

Mach dir keine Sorgen

Der Wurm ist – in einer anderen kurzen Geschichte – bescheidener. Seine Mutter hat zu ihm gesagt: „Mach dir keine Sorgen, Friedrich. Du bist weder klug noch schön. Du hast keine Flügel. Du hast nicht einmal Füße. Aber wenn du kriechst, kannst du jeden Ort erreichen.“

Von Werner Schuster

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Infos:

Javier Tomeo, 1932–2013, lebte als freier Schriftsteller in Barcelona. Er ist einer der meistübersetzten Autoren der spanischen Gegenwartsliteratur.

Mehr über Javier Tomeo bei Wikipedia.

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Literaturmagazin Eselsohren – 

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