Starke, Axel: Alice
Kurzkritik – Was meinen Sie? – Ausführliche Besprechung – Infos
Roman
Erschienen 2009 beim Dresdner Buchverlag
Inhalt:
Leipzig, Ende der 60er Jahre. Alltagsleben in der DDR und mitten drin der Schauspiel- und Theaterstudent Sebastian Mahler, ein aufgeschlossener junger Mann Anfang zwanzig. Als seine Dozentin Alice Kießling mit allen Mitteln um Sebastian wirbt, fühlt er sich zunächst geschmeichelt und lässt sich auf ein Abenteuer mit ihr ein, obwohl er weiß, dass diese Beziehung zu Problemen führen kann. Erstens ist Alice viel älter als er und zweitens krankhaft eifersüchtig. Doch damit nicht genug: Sebastian erfährt erst viel später, dass ihre Beziehung auf einer Lüge beruht doch zu diesem Zeitpunkt ist er schon in einem scheinbar unüberwindlichen Netz aus Angst, Stasi-Bespitzelung und Auftragsmord gefangen … (Pressetext)
Kurzkritik:
Vielleicht hätte der Verlag am Cover erwähnen sollen, dass es sich eben um einen Tatsachenroman handelt und nur zum Teil um Fiktion. Dann würde man das Buch nicht als Thriller mit sonderbarem Plot lesen, sondern als Zeitzeugen-Bericht mit Spionageroman-Ansätzen.
Denn gerade dass die Spione nicht wie Romanfiguren wirken, macht einen wesentlichen Reiz von „Alice“ aus. Und – selbstverständlich – der Einblick in den Alltag in einem totalitären System.
Werner gibt (3,5 von 5 Eselsohren)
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Überwachungsstaat von innen
Wenn man nicht weiß, dass Axel Starke diesen Roman anhand seiner Tagebuch-Aufzeichnungen geschrieben hat, könnte man sich beim Lesen fragen, ob das nicht alles – in einem positiven Sinn – schlecht erfunden ist.
Abgesehen davon, dass da eine Lehrerin einen Schüler verführt, und niemand scheint ein Problem damit zu haben oder die Lehrerin zur Verantwortung zu ziehen, geht es um die DDR und vor allem um die Stasi. Und für diejenigen, die es nicht erlebt haben, dürfte das Ministerium für Staatssicherheit wohl ein Ausbund an perfekter Überwachung gewesen sein.
Menschliche Spione
Hier aber sind es bloß Menschen mit Stärken und vor allem Schwächen, welche für die Bespitzelung von BürgerInnen zuständig gewesen sind und ihre Handlungen (und das Vermeiden dieser Handlungen) auch ihren persönlichen Interessen untergeordnet haben.
Und die BürgerInnen – hier vor allem SchülerInnen – leben nicht in totaler Freudlosigkeit und kennen durchaus Freizeitvergnügungen in Kaffee- und Gasthäusern. Auf der anderen Seite gibt es „natürlich“ das Überwachungssystem, welches die Freude an den Vergnügungen trübt.
Wie es wirklich war
Anders gesagt: Hätte sich da jemand einen DDR-Roman zusammenfantasiert, würden die Personen, um etwas deutlich zu machen, wohl angstvoller dargestellt worden sein. So aber scheint „Alice“ Klischees und Vorurteile nicht zu bestätigen und stattdessen das Tatsächliche zu berichten.
Der Roman mag vielleicht seine Schwächen haben (etwa dass es zu wenige überraschende Wendungen gibt und dass sämtliche Fragen allesamt am Schluss gelöst werden; auch dass das Buch sprachlich etwas monoton geschrieben ist und dass die Charaktere nicht wirklich „zum Leben erwachen“), aber für Nicht-DDR-Insider ist es ein wahrhaftiges Dokument.
Einblicke
Vielleicht sollte der Verlag am Cover erwähnen, dass es sich eben um einen Tatsachenroman handelt und nur zum Teil um Fiktion. Dann würde man das Buch nicht als Thriller mit sonderbarem Plot lesen, sondern als Zeitzeugen-Bericht mit Spionageroman-Ansätzen.
Denn gerade dass die Spione nicht wie Romanfiguren wirken, macht einen wesentlichen Reiz von „Alice“ aus. Und – selbstverständlich – der Einblick in den Alltag in einem totalitären System.
Von Werner Schuster
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- von: Werner
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- wer/wie/wo: Deutschland (AutorIn) – Deutschland (Schauplatz) – Dresdner – eher/ziemlich gut
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