Bolaño, Roberto: Chilenisches Nachtstück
Kurzkritik – Was meinen Sie? – Ausführliche Besprechung – Infos
Erschienen 2006 bei dtv; Neuausgabe 2010
Aus dem Spanischen von Heinrich von Berenberg
Originalausgabe: „Nocturno de Chile“, 2000
Inhalt:
Sebastian Urrutia Lacroix, berühmter chilenischer Literaturkritiker, mittelmäßiger Dichter und Priester, hält in einer Fiebernacht Rückschau auf sein bewegtes Leben. Wie er durch einen Gönner in die literarischen Zirkel eingeführt wurde, wie er sich während der Allende-Regierung den griechischen Klassikern widmete, und wie er dann – als die Generäle sich an die Macht geputscht hatten – Pinochet und Co. Unterricht in Marxismus gab. Immer, meint er am Ende, sei er auf der Seite der Geschichte gewesen. Die Geschichte eines Mannes, der bei allem dabei war und von nichts etwas gewusst hat. (Pressetext)
Kurzkritik:
Über lange Strecken war mir langweilig, wenn ich auch Bolaños Stil bewunderte, und ohne Anleitung hätte ich nicht bemerkt, dass mit diesem Buch laut Andreas Breitenstein in der NZZ „der Schrecken der schönen Literatur liebevoll entlarvt und bitter gefeiert“ wird.
Werner gibt (3 von 5 Eselsohren)
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Eskapismus der Intellektuellen
Was maßt sich Matthias Matussek im „Spiegel“ an, folgendes über Roberto Bolaño zu schreiben: „Man könnte die chilenische Literatur derzeit vergessen, gäbe es nicht diesen schmalen, krausköpfigen Mitvierziger, seinen Klang, seinen Witz, seine Unerschrockenheit –“? – Kennt Matussek die gesamte chilenische (Gegenwarts-)Literatur?
Nun, ich weiß schon, dass sich junge Kollegen gerne mit solch unsäglichen Sagern profilieren wollen, aber hat das ein 1954 geborener „Onlinejournalist des Jahres 2008“ notwendig? Wenn mich das Thema dieses Buches nicht sehr interessiert hätte, hätte mich dieses Zitat am Buchrücken jedenfalls eher abgeschreckt.
Fiebernacht
Das Buch handelt von dem chilenischen Literaturkritiker, Dichter und Priester Sebastian Urrutia Lacroix, der in einer Fiebernacht Rückschau auf sein Leben hält. Der Verlag tut gut daran anzumerken, dass dies „die Geschichte eines Mannes ist, der bei allem dabei war und von nichts etwas gewusst hat“. Denn es kann sein, dass man das nicht mitbekommt.
Bolaño lässt seinen Literaturkritiker in dem bloß 150 Seiten langen Text ausschweifend über viele Nebensächlichkeiten berichten. Beinahe nur am Rande erwähnt er, wie er sich während der Allende-Regierung den griechischen Klassikern gewidmet und später Pinochet und seinem Stab Unterricht in Marxismus gegeben hat.
Taubenplage
Mindestens ebenso wichtig ist ihm seine Europareise, während der er herauszufinden versucht, was Kirchen gegen die Taubenplage unternehmen können. Geschickt wurde er wahrscheinlich vom Geheimdienst, um ihn für eine Weile loszuwerden (– allerdings frage ich mich, warum, denn er dürfte ja keine Bedrohung für das Regime dargestellt haben).
Und so muss man schon sehr zwischen die Zeilen schauen, um herauszulesen, dass das „Chilenische Nachtstück“ – wie ebenfalls dem Cover zu entnehmen und laut Martin Halter in der FAZ – „eine Parabel über Verantwortung, Schuld und Eskapismus der Intellektuellen“ ist.
Schöngeister
Wenn dies denn Bolaño Botschaft gewesen ist, so hat er sie gut versteckt, hat einen schöngeistigen, hochliterarischen Text über die Verantwortungslosigkeit von Schöngeistern geschrieben.
Mir hat sich das nicht erschlossen. Über lange Strecken war mir langweilig, wenn ich auch Bolaños Stil bewunderte, und ohne Anleitung hätte ich nicht bemerkt, dass mit diesem Buch laut Andreas Breitenstein in der NZZ „der Schrecken der schönen Literatur liebevoll entlarvt und bitter gefeiert“ wird.
Matussek
Aber wage ich nun zu behaupten, Bolaño sei kein guter Schriftsteller? Aber nein. Ich denke, vielleicht liegt mir Bolaño halt nicht, vielleicht gefällt mir ein anderes seiner Bücher besser, vielleicht habe ich das „Chilenisches Nachtstück“ zum falschen Zeitpunkt gelesen. Ich bin doch kein Matussek!
Von Werner Schuster
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Über Roberto Bolaño bei Wikipedia,
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