20/09/2010von 1.128 Views – 0 Kommentare

Winslow, Don: Tage der Toten

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Buchcover

  • Taschenbuch
  • Erschienen 2010 bei Suhrkamp
  • Aus dem Amerikanischen von Chris Hirte
  • Originalausgabe: „The Power of the Dog“, 2005


Inhalt:

Mit großem Tatendrang hat sich der US-Drogenfahnder Art Keller daran gemacht, in die Strukturen der mexikanischen Drogenmafia einzudringen – mit Erfolg. So viel Erfolg, dass die Drogendepots reihenweise auffliegen und die Narcotraficantes die Jagd auf ihn eröffnen. (Pressetext)

Kurzkritik:

„Etwa fünfzehn Minuten lang stockte der Drogenfluss.“ Dafür hat Keller sein Leben riskiert. Dafür hat er gelebt und sonst alles aufgegeben.

„Tage der Toten“ beschreibt einen Teil unserer Welt, wie er war und ist. Art Keller mag vielleicht eine unwahrscheinliche Figur sein, aber das sind die der sog. hohen Literatur auch. Und Winslows Roman wird man zu Ende lesen, sobald man mit der ersten Seite begonnen hat.

„Tage der Toten“ ist ein unterhaltsames Meisterwerk.

Werner gibt  ★★★★½  (4,5 von 5 Eselsohren)

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Besprechung:

Schuld und Sühne im Drogenkrieg

Wenn ich mich jetzt auf eine Gegenüberstellung von Roman vs. Thriller einließe, würde ich mich in Teufels Küche begeben (– allerdings nicht in dem Ausmaß, in dem dies die Hauptfigur dieses Buches macht). Einigen wir uns auf anspruchsvoller Thriller, auch wenn jetzt Fans von Unterhaltungsromanen vielleicht ebenso die Nase rümpfen wie jene von literarischen – und „Tage der Toten“ unter Umständen gar nicht kaufen.

Ich bleibe dennoch dabei, auch wenn es folgendermaßen beginnt: „Sie hält ihr totes Baby in den Armen. Aus der Position der Leichen schließt Art Keller, dass die Mutter ihr Kind schützen wollte. Es muss ein Instinkt gewesen sein, denkt Keller, sie muss gewusst haben, dass sie die Kugeln einer Kalaschnikow nicht mit ihrem Köper aufhalten kann. – Zehn Männer, drei Frauen, sechs Kinder.“ Die Mörder haben in dieser Familie einen dedo vermutet, einen Zuträger. „Und ich habe sie zu dieser Annahme verführt. Gott vergib mir“, denkt der 47jährige Keller. Dann entdeckt er unter den Toten einen seiner Mitarbeiter.

Onkel

Wir schreiben das Jahr 1997 und haben gerade den Prolog gelesen. Art Keller arbeitet seit über zwanzig Jahren als Drogenfahnder, der kein Problem damit hat, Gesetze zu brechen, wenn er dies für berechtigt ansieht. Winslow führt uns dorthin, wo alles begann, im Jahr 1975. Keller gelingt es nicht nur, sich als Weißer bei Mexikanern beliebt zu machen, er bekommt auch einen „T√≠o“, einen Onkel, „eine Vaterfigur, einen großen Bruder, der einen unter seine Fittiche nimmt“.

Drogenbaron

Dieser T√≠o ist mächtig, sonst wäre der eigensinnige Keller längst nicht mehr bei der Drogenbehörde tätig. – Wir sind auf Seite 44 und wissen, woher Keller kommt, was ihn antreibt und wer seine Freundin ist. Bald wissen wir auch, dass der Onkel ein Drogenbaron ist. Wir lernen seinen Sohn kennen, der das Geschäft bald übernehmen wird, weiters ein Luxus-Callgirl, deren bester Freund ein Bischof ist, und einen ehemaligen Kleinkriminellen, der es über die Jahre zum eiskalten Killer bringen wird.

Sie hält ihr totes Baby in den Armen.

Drei Jahrzehnte begleiten wir Keller, diese und andere Menschen, wir lernen das Drogengeschäft, seine Entwicklung und seine Bekämpfung auf unterster und auf höchster Ebene kennen. Auf Seite 616 sind wir wieder beim Prolog angelangt: „Sie hält ihr totes Baby in den Armen.“ Kellers Obsession wird noch persönlicher. Wir nähern uns dem Finale, zwei Jahre und bloß knapp 60 Seiten später erleben wir einen harten Showdown.

Epilog: „Etwa fünfzehn Minuten lang stockte der Drogenfluss.“ Dafür hat Keller sein Leben riskiert. Dafür hat er gelebt und sonst alles aufgegeben.

Unterhaltsam

John le Carré soll einmal von einem deutschen Journalisten gefragt worden sein, warum er bei seinen Fähigkeiten unterhaltsame Romane schreibe, und er soll geantwortet haben: „Warum: Will man sich bei Ihnen nicht unterhalten?“ – „Tage der Toten“ ist ein unterhaltsames Meisterwerk, das einen Teil unserer Welt beschreibt, wie er war und ist. Art Keller mag vielleicht eine unwahrscheinliche Figur sein, aber das sind die der sog. hohen Literatur auch. Und Winslows Roman wird man zu Ende lesen, sobald man mit der ersten Seite begonnen hat.

Von Werner Schuster

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Infos:

Zur Don-Winslow-Sonderseite bei Suhrkamp.

Don Winslow wurde 1953 in der Nacht zu Halloween in New York geboren. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in der Kleinstadt Perryville auf Rhode Island. Seine Mutter, eine Bibliothekarin, und sein Vater, ehemaliger Offizier bei der Navy, bestärkten ihn schon früh in dem Wunsch, eines Tages Schriftsteller zu werden, vor allem die Geschichten, die sein Vater von der Marine zu erzählen hatte, beflügelten die Fantasie des Autors.
Das Sujet des Drogenhandels und der Mafia, das in vielen von Don Winslows Romanen eine Rolle spielt, lässt sich ebenso mit seinen Kindheitserfahrungen erklären: Seine Großmutter arbeitete Ende der 60er für den berüchtigten Mafiaboss Carlos Marcello, der den späteren Autor mehrere Male in sein Haus in Algiers (New Orleans) einlud.
Nach seinem Schulabschluss kehrte Winslow in seine Geburtsstadt New York zurück. Bevor er mit dem Schreiben begann verdiente er sein Geld mit den unterschiedlichsten Jobs in diversen Ländern, so arbeitete er u. a. als Privatdetektiv, als Kinobetreiber, Fremdenführer auf afrikanischen Safaris und chinesischen Teerouten, als Unternehmensberater und als Theaterleiter.
Don Winslow lebt mit seiner Frau und deren Sohn in Kalifornien.

Mehr über Don Winslow bei Wikipedia.

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