Cheever, John: Die Geschichte der Wapshots
Kurzkritik – Was meinen Sie? – Ausführliche Besprechung – Infos
Roman
Aus dem Englischen von Thomas Gunkel
Hardcover: DuMont, 2007
Taschenbuch: Heyne, 2008
(“The Wapshot Chronicle”, Harper & Row, 1957)
Inhalt:
John Updike stellt ihn auf eine Stufe mit Faulkner; Jonathan Franzen und T. C. Boyle ist er Vorbild und Lehrmeister. Berühmt wurde er durch seine Storys und diesen Roman: eine Familienchronik der heiter-verzweifelten Art. Im Mittelpunkt: Vater Leander, Kapitän eines kleinen Vergnügungsdampfers, Mutter Sara und die beiden Söhne Beverly und Moses, die mehr schlecht als recht die amerikanischen Abenteuer des Erfolgs und Versagens zu bestehen haben. (Pressetext)
Kurzkritik:
Ein Roman, in den ich lange nicht hineingefunden habe, der dann plötzlich “spannend” wurde und wie nebenbei meine eigene und die Existenz von mir mehr oder auch weniger bekannten Menschen widergespiegelt hat.
Werner gibt (4,5 von 5 Eselsohren)
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Ans Herz legen
Du hast deiner Tochter soeben zum zweiten, dritten oder vierten Mal “Asterix erobert Rom” vorgelesen, sie danach ins Bett gebracht, dir ein Glas Wein eingeschenkt und dir voller Vorfreude die Lesebrille aufgesetzt und das Buch aufgeschlagen.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es in den Vereinigten Staaten mehr Schlösser als im ganzen gemütlichen alten England zur Zeit des guten König Artus. Auf der Suche nach einer Frau kam Moses in eins der letzten, die noch bewohnt waren – die meisten waren in Museen umgewandelt, von geistlichen Orden aufgekauft oder abgerissen worden. Es hieß Clear Heaven und gehörte Justina Wapshot Molesworth Scaddon, einer alten Cousine aus St. Botolphs, die den millionenschweren Besitzer einer Billigladenkette geheiratet hatte.
Das hast du auch erlebt
Die ihre Umgebung manipulierende Justina erinnert dich ein wenig an deine Schwiegermutter, und in den Wapshot-Brüdern Moses und Coverly siehst du dich selbst. Was diesen an Gutem und Schlechtem widerfährt, hast du grundsätzlich auch erlebt, und als du dir dein Glas nachfüllen gehst, denkst du, zur Zeit von Geldsorgen geplagt, doch ohne unmittelbaren Anlass: “Aber ich bin doch reich: Ich habe meine Frau und meine Tochter.”
Das Schicksal deiner Mutter einfängt
Obwohl auch schon 46 Jahre alt, identifizierst du dich nicht mit dem schrulligen Wapshot-Vater Leander, sodass dir mit seinem Roman-Tod der deines eigenen Vaters schmerzlich präsent wird. Und dann bewunderst du John Cheever, wie er mit zwei Sätzen das Schicksal deiner Mutter einfängt: “Sarah weinte erst, als sie ihre Söhne sah, und streckte die Arme aus, um sich küssen zu lassen, doch die Sitten und die Sprache des Ortes gaben ihr Kraft. ‘Es war eine sehr lange Verbindung’, sagte sie.”
Zum zweiten, dritten oder vierten Mal
Und später, angesichts des leider zu Ende gegangenen Buches, überlegst du, wie du diesen Roman, in den du lange nicht hineingefunden hast, der dann plötzlich “spannend” wurde und wie nebenbei deine eigene und die Existenz von dir mehr oder auch weniger bekannten Menschen widergespiegelt hat, wie du diesen Roman anderen ans Herz legen könntest, und wie von selbst taucht dieser erste Satz auf: Du hast deinem Kind soeben zum zweiten, dritten oder vierten Mal “Asterix erobert Rom” vorgelesen …
Von Werner Schuster
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John Cheever (1912 geboren in Quincy, Massachusetts; gestorben 1982) gilt als einer der Innovatoren der amerikanischen Erzählkunst. Im flimmernden Wechsel zwischen Parodie, Satire und scheinbar treuherzig-naivem Bericht vom Tun und Lassen der Ostküstenelite hat er einen Schatz an Romanen und Stories hinterlassen, der in deutscher Sprache nie angemessen erschlossen worden ist. Thomas Gunkels Übersetzung seiner Werke füllt eine bislang weiße Stelle auf der Karte der modernen Weltliteratur.
Über John Cheever bei Wikipedia.
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