> Jury nominiert 20 Romane für die Longlist
> 162 Titel waren in der Auswahl
> Shortlist wird am 12. September veröffentlicht
> Preis wird am 8. Oktober vergeben
Die Favoriten sind ausgewählt: Die Jury hat 20 Romane für den Deutschen Buchpreis 2012 nominiert. In den letzten fünf Monaten wurden von den sieben Jurymitgliedern 162 Titel gesichtet, die zwischen Oktober 2011 und dem 12. September 2012 erschienen sind oder noch erscheinen.
Die nominierten Romane (in alphabetischer Reihenfolge)
Ernst Augustin: Robinsons blaues Haus
(C. H. Beck, Januar 2012)
Es ist die Fabel vom letzten Robinson in einer Welt nicht mehr vorhandener Freiräume. In Grevesmühlen, in blauer Südsee, im Londoner Kerker, im Spiegelhaus auf dem Wyman Tower. Es gibt einen hochpolierten Freitag, eine Dame mit Schritt, es gibt eine abgesoffene Kirche, ein Imperium von Besenkammern und es gibt Luxus, illuminierte Zahnbürsten, Tangomusik, bernsteinfarbenes Licht. Vor allem gibt es eine Unmenge virtuellen Geldes, mit dem man das alles kaufen kann und das sich auf Knopfdruck „löscht“. Und der beste Freund erweist sich dann als der tödlichste. Eine letzte Robinsonade, ja, aber eine poetische von nie gesehener Farbigkeit, genau so –
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Bernd Cailloux: Gutgeschriebene Verluste
(Suhrkamp, Februar 2012)
Berlin 2005. Im Schöneberger Café Fler, einem Asyl der Übriggebliebenen aus dem alten Westberlin, sitzt ein Mann von sechzig Jahren. Kein Eigenheim, keine Familie, keine Rentenansprüche. Statt dessen eine junge, vielleicht letzte Liebe, die ihn zu lange aufgeschobenen Reisen in die eigene Vergangenheit bewegt …
Zweimal stand er im Blitzlicht der Geschichte: das erste Mal um 1968, als Miterfinder des Disco-Stroboskops und Hippie-Businessman; das zweite Mal Ende der Siebziger, als Irrwisch in der jungen Mauerstadt-Bohème mit ihren künftigen Weltstars, Opfern und Verrätern.
Davor, dazwischen und dahinter liegen Schattenzeiten, wo sich die verborgenen, aber nicht weniger spektakulären Dramen dieses Lebens abspielen: als in den Endwirren des Weltkriegs verlassener Säugling mit Familienspuren bis nach Buchenwald; als Drogenzauberlehrling, dessen Blut auch über drei Jahrzehnte nach dem letzten Schuß noch rebelliert; und nicht zuletzt als konsequenter Anti-Bourgeois in bourgeoiser Gegenwart, der seine kleinen Weigerungen immer teurer zu bezahlen hat. Aber macht sie das nicht um so kostbarer?
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Jenny Erpenbeck: Aller Tage Abend
(Knaus, August 2012)
Wie lang wird das Leben des Kindes sein, das gerade geboren wird? Wer sind wir, wenn uns die Stunde schlägt? Wer wird um uns trauern? Jenny Erpenbeck nimmt uns mit auf ihrer Reise durch die vielen Leben, die in einem Leben enthalten sein können. Sie wirft einen scharfen Blick auf die Verzweigungen, an denen sich Grundlegendes entscheidet. Die Hauptfigur ihres Romans stirbt als Kind. Oder doch nicht? Stirbt als Liebende. Oder doch nicht? Stirbt als Verratene. Als Hochgeehrte. Als von allen Vergessene. Oder doch nicht? Meisterhaft und lebendig erzählt Erpenbeck, wie sich, was wir »Schicksal« nennen, als ein unfassbares Zusammenspiel von Kultur- und Zeitgeschichte, von familiären und persönlichen Verstrickungen erweist. Der Zufall aber sitzt bei alldem »in seiner eisernen Stube und rechnet«.
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Milena Michiko Flašar: Ich nannte ihn Krawatte
(Wagenbach, Januar 2012)
Ist es Zufall oder eine Entscheidung? Auf einer Parkbank begegnen sich zwei Menschen. Der eine alt, der andere jung, zwei aus dem Rahmen Gefallene. Nach und nach erzählen sie einander ihr Leben und setzen behutsam wieder einen Fuß auf die Erde.
Nur wenige sorgfältig gewählte Worte benötigt Milena Michiko Flašar, um ihre Figuren zum Leben zu erwecken, nur wenige Szenen, um ganze Schicksale zu erzählen. Ein junger Mann verlässt sein Zimmer, in dem er offenbar lange Zeit eingeschlossen war, tastet sich durch eine fremde Welt. Eine Bank im Park wird ihm Zuflucht und Behausung, dort öffnet er die Augen, beginnt zu sprechen und teilt mit einem wildfremden Menschen seine Erinnerungen. Der andere ist viele Jahre älter, ein im Büro angestellter Salaryman wie Tausende. Er erzählt seinerseits, über Tage und Wochen hinweg, Szenen eines Lebens voller Furcht und Ohnmacht, Hoffnung und Glück. Beide sind Außenseiter, die dem Leistungsdruck nicht standhalten, die allein in der Verweigerung aktiv werden.
Aus der Erfahrung, dass Zuneigung in Nahrung verpackt, Trauer im Lachen verborgen werden kann und Freundschaften möglich sind, stärken sie sich für einen endgültigen Abschied und einen Anfang. Milena Michiko Flašar macht eine Parkbank zur Bühne, zu einem huis clos unter freiem Himmel. Die Bank befindet sich in Japan und könnte doch ebenso gut anderswo in der westlichen Welt stehen. Dieser Roman stellt der Angst vor allem, was aus der Norm fällt, die Möglichkeit von Nähe entgegen – sowie die anarchische Kraft der Verweigerung.
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Rainald Goetz: Johann Holtrop
(Suhrkamp, September 2012)
Als die Winter noch lang und schneereich und die Sommer heiß und trocken waren – Da stand der schwarzgläserne Büromonolith sinnlos riesig in der Nacht, am Ortsrand von Krölpa, Krölpa an der Unstrut, dahinter die Wälder, die Krölpa nördlich zur Warthe hin abgrenzten, da leuchtete einsam, böse und rot das glutrote Firmenlogo von Arrow PC oben am Dach über dem düsteren Riesen, aus schwarzem Stahl und schwarzem Glas gemacht, die rote Schrift darüber, ein Neubau, so kaputt wie Deutschland in diesen Jahren, so hysterisch kalt und verblödet konzeptioniert wie die Macher, die hier ihre Schreibtische hatten, sich die Welt vorstellten, weil sie selber so waren, gesteuert von Gier, der Gier –
Ein Chef stürzt ab. JOHANN HOLTROP erzählt die Geschichte eines Chefs aus Deutschland in den Nullerjahren. Der charismatische, schnelle, erfolgreiche Vorstandsvorsitzende Dr. Johann Holtrop, 48, seit drei Jahren Herr über 80.000 Mitarbeiter und einen Jahresumsatz von fast 20 Milliarden weltweit, ist aus der Boomzeit der späten 90er Jahre noch ganz gut in die neuen, turbulenten, wirtschaftlich schwierigeren Zeiten gekommen. Die Handlung setzt ein im November 2001 und erzählt in drei Teilen, wie im Lauf der Nullerjahre aus Egomanie und mit den Widerständen wachsender Weltmissachtung, der Verachtung der Arbeit, der Menschen, der Gegenwart und des Rechts, ganz langsam und für Holtrop selber nie richtig klar erkennbar, ein totaler Absturz ins wirtschaftliche Aus, das persönliche Desaster und das gesellschaftliche Nichts wird, so abgrundtief und endgültig, wie sein früherer Aufstieg unwiderstehlich, glorios und plötzlich gewesen war. Das war Ihr Leben, Johann Holtrop! Was sagen Sie dazu?
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Olga Grjasnowa: Der Russe ist einer, der Birken liebt
(Hanser, Februar 2012)
Mascha ist jung und eigenwillig, sie ist Aserbaidschanerin, Jüdin, und wenn nötig auch Türkin und Französin. Als Immigrantin musste sie in Deutschland früh die Erfahrung der Sprachlosigkeit machen. Nun spricht sie fünf Sprachen fließend und ein paar weitere so “wie die Ballermann-Touristen Deutsch”. Sie plant gerade ihre Karriere bei der UNO, als ihr Freund Elias schwer krank wird. Verzweifelt flieht sie nach Israel und wird schließlich von ihrer eigenen Vergangenheit eingeholt. Mit perfekter Ausgewogenheit von Tragik und Komik und mit einem bemerkenswerten Sinn für das Wesentliche erzählt Olga Grjasnowa die Geschichte einer Generation, die keine Grenzen kennt, aber auch keine Heimat hat.
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Wolfgang Herrndorf: Sand
(Rowohlt.Berlin, November 2011)
“Er aß und trank, bürstete seine Kleider ab, leerte den Sand aus seinen Taschen und überprüfte noch einmal die Innentasche des Blazers. Er wusch sich unter dem Tisch die Hände mit ein wenig Trinkwasser, goß den Rest über seine geplagten Füße und schaute die Straße entlang. Sandfarbene Kinder spielten mit einem sandfarbenen Fußball zwischen sandfarbenen Hütten. Dreck und zerlumpte Gestalten, und ihm fiel ein, wie gefährlich es im Grunde war, eine weiße, blonde, ortsunkundige Frau in einem Auto hierherzubestellen.”
Während in München Palästinenser des “Schwarzen September” das Olympische Dorf überfallen, geschehen in der Sahara mysteriöse Dinge. In einer Hippie-Kommune werden vier Menschen ermordet, ein Geldkoffer verschwindet, und ein unterbelichteter Kommissar versucht sich an der Aufklärung des Falles. Ein verwirrter Atomspion, eine platinblonde Amerikanerin, ein Mann ohne Gedächtnis – Nordafrika 1972.
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Bodo Kirchhoff: Die Liebe in groben Zügen
(Frankfurter Verlagsanstalt, September 2012)
Vila und Renz, beide fürs Fernsehen tätig, sind ein Paar im Takt der Zeit mit erwachsener Tochter, Wohnung in Frankfurt und Sommerhaus in Italien – alles so weit gut, wäre da nicht die unstillbare Sehnsucht nach Liebe: die einzige schwere Krankheit, mit der man alt werden kann, sogar gemeinsam. Noch aber sind Vila und Renz nicht alt, auch wenn sie erfahren, dass sie Großeltern werden. Sie stehen voll im Leben, nach außen erfolgreich und nach innen ein Paar, das viel voneinander weiß, aber nicht zu viel. Ein ausbalancierter Zustand; bis zu dem Augenblick, in dem Vila mit ungeahnter Intensität einen anderen zu lieben beginnt. Bodo Kirchhoff erzählt in seinem neuen großen Lebensroman von einer langen Ehe als ewiger Glückssuche, von frühem Missbrauch als späterer Weltverengung und einem lebenslänglichen, nur im Stillen erfüllten Verlangen. Im Zentrum aber steht die Liebe zwischen Vila, einer Frau in festen Verhältnissen, und dem Einzelgänger Bühl, Biograph eines Paars aus einer vergangenen, gottesfürchtigen Epoche.
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Germán Kratochwil: Scherbengericht
(Picus, Februar 2012)
Unter dem blühenden Lindenbaum eines patagonischen Landguts, der die Kulisse von Clementines neunzigstem Geburtstag bildet, treffen zur Jahrtausendwende zwölf Personen aus drei Generationen aufeinander – Sommergäste, von denen jeder seinen Teil der gemeinsamen Geschichte der Auswanderung und Emigration aus einem aus den Fugen geratenen Europa mit sich trägt: die Wiener Jubilarin, ihr Sohn Martin, die Enkel Katha und Gabriel und all die anderen. Sie finden sich nicht bloß mit ungelösten Familienproblemen, sondern auch mit den Geistern der jüngsten Vergangenheit konfrontiert. Das schicksalhafte Gartenfest steigert sich zu einer tragikomischen Klimax, deren Ende unausweichlich eintrifft, unerwartet und wie nebenher.
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Ursula Krechel: Landgericht
(Jung und Jung, August 2012)
Was muss einer fürchten, was darf einer hoffen, der 1947 aus dem Exil nach Deutschland zurückkehrt? Nach ihrem gefeierten, 2008 erschienenen Buch »Shanghai fern von wo« geht Ursula Krechel mit ihrem neuen großen Roman »Landgericht« noch einmal auf Spurensuche. Die deutsche Nachkriegszeit, die zwischen Depression und Aufbruch schwankt, ist der Hintergrund der fast parabelhaft tragischen Geschichte von einem, der nicht mehr ankommt. Richard Kornitzer ist Richter von Beruf und ein Charakter von Kohlhaas’schen Dimensionen. Die Nazizeit mit ihren absurden und tödlichen Regeln zieht sich als Riss durch sein Leben. Danach ist nichts mehr wie vorher, die kleine Familie zwischen dem Bodensee, Mainz und England versprengt, und die Heimat beinahe fremder als das in magisches Licht getauchte Exil in Havanna. Ursula Krechels Roman lässt Dokumentarisches und Fiktives ineinander übergehen, beim Finden und Erfinden gewinnt eine Zeit atmosphärische Konturen, in der die Vergangenheit schwer auf den Zukunftshoffnungen lastet. Mit sprachlicher Behutsamkeit und einer insistierenden Zuneigung lässt »Landgericht« den Figuren späte Gerechtigkeit widerfahren. »Landge-richt«, der Roman mit dem doppeldeutigen Titel, handelt von einer deutschen Familie, und er erzählt zugleich mit großer Wucht von den Gründungsjahren einer Republik.
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Dea Loher: Bugatti taucht auf
(Wallstein, März 2012)
Zwei Handlungskreise verknüpft Dea Loher miteinander, denen beiden reale Begebenheiten zugrunde liegen: Ein junger Mann wird während der Fasnacht 2008 in Locarno von einer Gruppe Jugendlicher geschlagen, getreten und schließlich umgebracht. Aber je minutiöser die Rekonstruktion der Tat aus dem Puzzle der Zeugenaussagen versucht wird, umso schillernder und unschärfer wird, was wirklich (und warum) geschehen ist. Die oder den Schuldigen zu finden ist trotz der klaren Beweislage schwieriger als gedacht, und gesühnt ist die Tat damit bestenfalls ansatzweise.
Ein Freund der Familie des Opfers sucht einen anderen Weg: Er erinnert sich an ein Autowrack, das seit 75 Jahren auf dem Grund des Lago Maggiore liegt: Ein Bugatti Brescia 22. So sagt man wenigstens. Alle bisherigen Versuche der Bergung waren nicht von Erfolg gekrönt. Und nun wird das Tauchen in die Tiefen auch der eigenen Abgründe ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang.
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Angelika Meier: Heimlich, heimlich mich vergiss
(Diaphanes, März 2012)
In ortloser Höhe thront eine gläserne Klinik über den Angelegenheiten der Normalsterblichen. Dr. Franz von Stern, der als Arzt selbstverständlich mit einer zusätzlichen Hirnrindenschicht und einem Mediator zwischen den Rippen ausgestattet ist, versagt als Referent in eigener Sache: Unfähig, den geforderten Eigenbericht für seine Klinikleitung zu verfassen, erzählt er sich zurück in seine Vergangenheit. Eine »Ambulante« erscheint ihm als Wiedergängerin seiner Frau, und im vermeintlichen Wahngerede seiner Patienten sucht er nach dem Echo der eigenen Geschichte. Irrealer als die Gegenwart, dieses taghelle Delirium, kann das Erinnerte nicht sein, und so macht von Stern sich auf, seine verglaste Welt zu verlassen.
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Sten Nadolny: Weitlings Sommerfrische
(Piper, Mai 2012)
In einem Sommergewitter kentert das Segelboot des angesehenen Berliner Richters Wilhelm Weitling. Er kommt nur knapp mit dem Leben davon, muss aber feststellen, dass ihn sein Unfall fünfzig Jahre in die Vergangenheit zurückgeworfen hat. Neugierig, aber auch mit sanfter Kritik begleitet er den Jungen, der er einmal war, durch die Tage nach dem Sturm. Wer ist er damals gewesen? Und wie konnte aus diesem Menschen der werden, der er heute ist? Muss er die Erinnerung an seine Eltern, seine erste Liebe, seine Berufswahl, sein ganzes Leben revidieren? Und wird er zu seiner Frau und in sein altes Leben zurückkehren dürfen?Sten Nadolny entführt uns auf eine philosophische Zeitreise, die seinen scharf beobachtenden Helden zu unverhofften Erkenntnissen führt.
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Christoph Peters: Wir in Kahlenbeck
(Luchterhand, August 2012)
Es ist eine Welt für sich: das Collegium Gregorianum Kahlenbeck, ein streng katholisches Jungeninternat irgendwo am Niederrhein. Hier wächst der knapp 15-jährige Carl Pacher Anfang der achtziger Jahre heran. Kahlenbeck, das ist eine spartanische Welt voller Regeln und Verbote, durchdrungen von elitärem Geist, Askese und Weltverachtung. Gleichwohl gärt unter der Oberfläche der Geist pubertärer Rebellion und herrscht unter den Jugendlichen eine gnadenlose Hackordnung, in der schwächere Schüler und Außenseiter ungeniert gedemütigt, schikaniert und ausgegrenzt werden.
Von den inneren Widersprüchen des Collegiums ist Carl Pacher tief geprägt. Denn einerseits ringt der schwärmerische und manchmal bestürzend naive Junge um Selbstüberwindung und den rechten Glauben. Aber zugleich kann er sich gegen frühreife erotische Phantasien ebenso wenig wehren wie gegen die Sehnsucht nach der unbedingten Liebe. Lange verehrt er so heimlich das Küchenmädchen Ursula, das für ihn unerreichbar scheint, nicht zuletzt, weil es um einiges älter ist als er. Doch dann wird sein stilles Werben wie durch ein Wunder erhört. Dabei hat die Verbindung zu Ursula kaum eine Chance auf Dauer, aber das will Carl lange Zeit einfach nicht wahrhaben …
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Michael Roes: die Laute
(Matthes & Seitz Berlin, September 2012)
Wie klingt Musik, wenn man sie nicht hören kann? Michael Roes erzählt in ›Die Laute‹ die Geschichte von Asis, einem jemenitischen Jungen, der von Melodien erfüllt ist, nachdem er von einem Blitz getroffen wurde, und der sein Hörvermögen verliert, nachdem er einer brutalen Bestrafung unterzogen wurde. Asis erlernt die Gebärdensprache und erkämpft sich seine Position und seine Haltung als Gehörloser in der Welt der Hörenden. Es verschlägt ihn nach Polen, nach Krakau, wo er als junger Erwachsener zu studieren beginnt: Er wird Komponist.
Michael Roes führt den Leser in eine Welt von gefühlten Geräuschen, imaginierten Berührungen, gesehener Sprache und gebärdeten Gefühlen. ›Die Laute‹ ist ein berührendes Plädoyer für die tiefgreifende und umwälzende Kraft der Literatur und der Musik, die es ermöglicht, ein erfülltes Leben gegen alle äußeren Widerstände zu führen.
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Patrick Roth: Sunrise
(Wallstein, März 2012)
Patrick Roth erzählt die unerhörte Geschichte des Joseph von Nazaret als die eines Zweifelnden, er erzählt von Josephs tiefem Glauben und seinem Ungehorsam wider Gott. Zugleich spürt »SUNRISE« der Möglichkeit eines Neuanfangs nach.
Jerusalem im Jahre 70 nach Christus: Römische Truppen drohen die Schutzmauern zu durchbrechen. Die Belagerung der heiligen Stadt bildet den Ausgangspunkt dieses bildmächtigen Romans, dessen Bogen sich bis in die Zeit vor Jesu Geburt spannt. Im Mittelpunkt der Ereignisse steht Joseph, der Mann der Maria, von dem die Evangelien berichten, dass er Träumen gehorchte, als er Frau und Kind annahm. Patrick Roth entwirft ihm ein Leben voller Spannungen, ein Drama zwischen Mensch und dem Numinosen. Dreizehn Jahre nach Jesu Geburt fordert Gott ein äußerstes Opfer von Joseph. »Wo ist da Gerechtigkeit, dass ich`s verstünde?« klagt er angesichts des ungründlichen Willens Gottes. Wird Joseph dieses Opfer wirklich auf sich nehmen können?
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Frank Schulz: Onno Viets und der Irre vom Kiez
(Galiani Berlin, Februar 2012)
Onno, Mitte 50, Hartz-IV-Empfänger, Noppensockenträger und ungeschlagener König einer Hamburg-Eppendorfschen Pingpong-Runde, bekennender Nicht-Schwitzer, leicht phobisch, hat das Finanzamt im Nacken, den Geburtstag seiner Frau Edda vor Augen und eine Eingebung aus dem Fernsehen: Er wird Privatdetektiv!
Seine geplagten Sportsfreunde vom Tischtennis ahnen Ungutes. Aus langjähriger Erfahrung. Dennoch verhilft einer von ihnen Onno zu seinem ersten Fall: Der Popmagnat Nick Dolan argwöhnt Untreue seiner aktuellen Flamme, Onno soll ein Beweisfoto von ihr und dem Liebhaber liefern. Und Onno hat Glück, schon bald wird er Dolans Nebenbuhler ansichtig. Allerdings ist der Kerl mit dem Spitznamen »Händchen« nicht nur zwei Meter groß und 130 Kilo schwer – er ist auch die unberechenbare, gefürchtete rechte Hand eines Hamburger Kiez-Oligarchen. Onno schafft es nicht, den Fall wieder abzugeben, und muss die beiden bis nach Mallorca verfolgen. Dort setzt sich fort, was begann, als einer wie Onno mal eine richtig gute Idee hatte: Der Sog der Katastrophe beschleunigt sich rasend …
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Clemens J. Setz: Indigo
(Suhrkamp, September 2012)
Im Norden der Steiermark liegt die Helianau, eine Internatsschule für Kinder, die an einer rätselhaften Störung leiden, dem Indigo-Syndrom. Jeden, der ihnen zu nahe kommt, befallen Übelkeit, Schwindel und heftige Kopfschmerzen. Der junge Mathematiklehrer Clemens Setz unterrichtet an dieser Schule und wird auf seltsame Vorgänge aufmerksam: Immer wieder werden Kinder in eigenartigen Maskierungen in einem Auto mit unbekanntem Ziel davongefahren. Setz beginnt, Nachforschungen anzustellen, doch er kommt nicht weit; er wird aus dem Schuldienst entlassen. Fünfzehn Jahre später berichten die Zeitungen von einem aufsehenerregenden Strafprozess: Ein ehemaliger Mathematiklehrer wird vom Vorwurf freigesprochen, einen Tierquäler brutal ermordet zu haben.
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Stephan Thome: Fliehkräfte
(Suhrkamp, September 2012)
Hartmut Hainbach ist Ende fünfzig und hat alles erreicht, was er sich gewünscht hat: Er ist Professor für Philosophie und hat seine Traumfrau geheiratet, die er nach zwanzig Jahren Ehe immer noch liebt. Dennoch ist Hartmut nicht glücklich. Seine Frau ist nach Berlin gezogen, sodass aus der Ehe eine Wochenendbeziehung geworden ist, die gemeinsame Tochter hält die Eltern auf Distanz, der Reformfuror an den Universitäten nimmt Hartmut die Lust an der Arbeit. Als ihm überraschend das Angebot zu einem Berufswechsel gemacht wird, will er endlich Klarheit: über das Verhältnis zu seiner Tochter, über seine Ehe, über ein Leben, von dem er dachte, dass die wichtigen Entscheidungen längst getroffen sind.
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Ulf Erdmann Ziegler: Nichts Weißes
(Suhrkamp, August 2012)
Dies ist die Geschichte von Marleen, die sich, noch ehe sie Lesen lernt, in die Welt der Buchstaben verliebt. Hineingeboren in eine erfolgreiche Werber- und Illustratorenfamilie, träumt sie früh von wahrhaft Großem: der perfekten Schrift.
An der Kunsthochschule hat sie Rückenwind, kann Marleen sich selbst Kontur verleihen. Ihr Pioniergeist treibt sie voran, bald steckt sie mittendrin in der Jobwelt der Achtziger – und erliegt deren Verheißungen. Die Medien erfahren einen Schub, plötzlich geht alles rasend schnell, schon hat man den Halt verloren. Sie muss erste Rückschläge einstecken, berufliche wie private. Flexibilität ist gefragt, schon in den Anfangszeiten der Globalisierung, und Marleen gibt sich flexibel, koste es, was es wolle – in der Hoffnung, dass ihr Traum weniger flüchtig ist als die Welt, gegen die es gilt, ihn wahrzumachen.
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Die Jurybegründung
„Am verblüffendsten an unserer Longlist ist wohl ihre Welthaltigkeit, kaum eine Dimension, die nicht vorkommt: die große Liebe und der avancierteste Kapitalismus, die Erfahrung des Heiligen so gut wie Schocks der Kälte und Einsamkeit. Unsere zwanzig besten Romane greifen aus: in den Jemen, nach Nordafrika, nach Polen und nach Argentinien, ins gänzlich Imaginierte sowieso. Und überraschend viele versuchen sich an geschichtlichen Bestandsaufnahmen der Bundesrepublik in den 50er, 60er und 70er Jahren. Der Jury fiel es nicht leicht, aus der großen Zahl starker Bücher ihre Auswahl zu treffen“, sagt Juryspecher Andreas Isenschmid (Neue Zürcher Zeitung am Sonntag). „Die Jury diskutierte lang, kontrovers – und durchwegs freundschaftlich. Sie einigte sich auf eine Liste, auf der Alte Meister neben noch wenig bekannten, jüngeren Autoren stehen.“
Die Jury
Der Jury für den Deutschen Buchpreis 2012 gehören neben Andreas Isenschmid an: Silke Grundmann-Schleicher (Buchhandlung Schleichers, Berlin), Oliver Jungen (freier Kritiker), Dirk Knipphals (die tageszeitung), Stephan Lohr (Norddeutscher Rundfunk), Jutta Person (freie Kritikerin) und Christiane Schmidt (freie Lektorin).
Die Shortlist
Von den Titeln der Longlist benennen die Juroren in einem nächsten Schritt sechs Titel für die Shortlist, die am 12. September 2012 veröffentlicht wird. Erst am Abend der Preisverleihung erfahren die sechs Autoren, an wen von ihnen der Deutsche Buchpreis geht. Der Preisträger erhält ein Preisgeld von 25.000 Euro; die fünf Finalisten erhalten jeweils 2.500 Euro.
Die Preisverleihung
Der Deutsche Buchpreis wird von der Börsenverein des Deutschen Buchhandels Stiftung vergeben. Partner des Deutschen Buchpreises sind Paschen & Companie, die Stiftung der Frankfurter Sparkasse, die Frankfurter Buchmesse und die Stadt Frankfurt am Main. Die Deutsche Welle unterstützt den Deutschen Buchpreis bei der Medienarbeit im In- und Ausland. Die Preisverleihung findet am 8. Oktober 2012 zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse im Kaisersaal des Frankfurter Römers statt. Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur übertragen die Preisverleihung live im Rahmen von „Dokumente und Debatten“ auf den LW 153 und 177 kHz, der MW 990 kHz, als Livestream im Internet unter www.deutschlandradio.de sowie im Digitalradio DAB+.
Quelle: Deutscher Buchpreis
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