Le Carré, John: Verräter wie wir
Kurzkritik – Was meinen Sie? – Ausführliche Besprechung – Infos
- Hardcover, Hörbuch, E-Book
- Erschienen 2010 bei Ullstein
- Aus dem Englischen von Sabine Roth
- Originalausgabe: „Our Kind of Traitor”, 2010
Inhalt:
Dima ist die Seele der russischen Mafia. Seit seiner Zeit als Gefangener im Gulag hat er sich an ihre Spitze hochgearbeitet. Sein Spezialgebiet: die Geldwäsche. Doch seine Tage sind gezählt. Er hat Feinde unter den mächtigen Weggefährten. Um das Überleben seiner Familie zu sichern, geht er einen Pakt mit dem Westen ein. Er bietet sein Wissen im Tausch gegen ein Leben in England. Eine Sensation für den britischen Geheimdienst, der einwilligt. Aber die Agenten stoßen auf einen bedrohlichen Widerstand. (Pressetext)
Kurzkritik:
Auch mit 79 ist le Carré immer noch auf der Höhe seiner Schaffenskraft. „Verräter wie wir“ mag zwar seinem Gesamtwerk keinen neuen Ansatz oder keine neue Nuance hinzufügen (wie das etwa „Marionetten“ getan hat), aber wozu auch?
Wem außer le Carré gelingt es, unsere Gegenwart (auch für die Nachwelt) in einem Absatz oder sogar Nebensatz einzufangen? Und wie selbstverständlich gelingt es ihm nach wie vor, scheinbar mühelos unvergessliche Charaktere zu entwerfen und zu beschreiben und seine Plots aus mehreren Perspektiven abzuhandeln, ohne dass er deshalb so tun müsste, als könnte er alles über seine Figuren wissen.
Außerdem ist er erwiesenermaßen näher an der Wirklichkeit als so manche, heutzutage mehr gefeierten Thriller-KollegInnen.
Werner gibt (4,75 von 5 Eselsohren)
Und hier können Sie das Buch bestellen:
– in einer Buchhandlung in Ihrer Nähe
– bei Amazon als Hardcover oder als Hörbuch
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Ein Meister wie er
Auch mit 79 ist le Carré immer noch auf der Höhe seiner Schaffenskraft. „Verräter wie wir“ mag zwar seinem Gesamtwerk keinen neuen Ansatz oder keine neue Nuance hinzufügen (wie das etwa „Marionetten“ getan hat – sieh hier), aber wozu auch?
Wem außer le Carré gelingt es, unsere Gegenwart (auch für die Nachwelt) in einem Absatz oder sogar Nebensatz einzufangen? Und wie selbstverständlich gelingt es ihm nach wie vor, scheinbar mühelos unvergessliche Charaktere zu entwerfen und zu beschreiben und seine Plots aus mehreren Perspektiven abzuhandeln, ohne dass er deshalb so tun müsste, als könnte er alles über seine Figuren wissen.
Ein Spitzen-Geldwäscher in der Karibik
Natürlich spielt „Verräter wie wir“ im Geheimdienst-Milieu. Ein englisches Pärchen leistet sich einen besonderen Urlaub in der Karibik und lernt dort einen eigenwilligen, zwielichtigen Russen und seine doch etwas seltsam anmutende Familie kennen.
Schließlich bittet dieser Russe das Pärchen um ihre Hilfe. Er ist ein Spitzen-Geldwäscher, sieht sich und seine Familie in großer Gefahr und möchte nach England flüchten. Dafür würde er dem britischen Geheimdienst sein Wissen rund um das organisierte internationale Finanzverbrechertum verraten.
Alles, was in diesem Roman behauptet wird, ist wahr
Was le Carré über diese Figur enthüllt, ist leider nur allzu wahr. An „Verbrecher wie wir“ anknüpfend, schreibt Jonathan Freedland im „Guardian”: „Rund um den Globus sind führende Banken in der Finanzkrise verzweifelt auf der Suche nach Bargeld und wenden sich schließlich an das organisierte Verbrechen, da angeblich nirgendwo sonst liquides Investitionskapital zur Verfügung steht – der Großteil von 352 Milliarden Drogen-Dollar wird in das globale Wirtschaftssystem eingespeist und so gewaschen. … Die Geschichte sorgte für Schlagzeilen, lange bevor Le Carré ,Our Kind of Traitor‘ beendet hatte, bestätigt aber alles, was in dem Roman behauptet wird: Dass ein großer Teil der Weltwirtschaft – Schätzungen zufolge bis zu einem Fünftel – aus den Früchten des organisierten Verbrechens besteht.“
Mein Nobelpreis-Kandidat
Le Carré ist also nicht nur ein Meister seines Fachs, bei aller niveauvollen, spannenden Unterhaltung, die er uns mit seinem Buch bietet, ist er auch näher an der Wirklichkeit als so manche, heutzutage mehr gefeierten Thriller-KollegInnen. Und als die von der „Große Literatur“-Abteilung sowieso.
Ich persönlich hätte ihm ja schon längst den Nobelpreis verliehen.
Von Werner Schuster
– in einer Buchhandlung in Ihrer Nähe
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Der „Guardian“-Artikel in der deutschen Übersetzung bei „der Freitag“: „Welche Knöpfe drückt man da?“
Leseprobe und Hörprobe bei vorablesen.de
John le Carré, geboren 1931 Poole, Dorset, studierte in Bern und Oxford Germanistik, bevor er in diplomatischen Diensten u. a. in Bonn und Hamburg tätig war. Der Spion der aus der Kälte kam begründete seinen Weltruhm als Bestsellerautor. Er lebt mit seiner Frau in Cornwall und London.
Mehr über John le Carré bei Wikipedia.
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