12/12/2012von 1.485 Views – 2 Kommentare

Safier, David: Muh!


Roman
Hardcover
336 Seiten
Erschienen 2012 bei Rowohlt (Kindler)

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Inhalt:

„Kuh sera, sera. Was sein soll, soll sein, soll sein. Die Zukunft, die kennt kein Schwein …“ Dieses Lied singt die ostfriesische Kuh Lolle, deren Traum vom glücklichen Leben wie eine Blase auf der heißen Milch zerplatzt: Nicht nur, dass ihr geliebter Stier Champion sie mit einer anderen betrügt, nein, der Bauer auf ihrem Hof beschließt auch noch, alle Kühe schlachten zu lassen. Die Rettung kommt in Gestalt eines charmanten italienischen Katers. Er verrät Lolle, dass es ein Land auf dieser Welt gibt, in dem Kühe nicht zu Bolognese verarbeitet werden: Indien. (Pressetext)

Kurzkritik:

Ein lustiger und zunehmend unterhaltsamer Roman, könnte man sagen. Doch er vollbringt ein kleines Wunder: Dass man Kühe – und das gilt ganz besonders für Stadtmenschen – zukünftig mit anderen Augen sehen wird. Und insofern ein großartiges Plädoyer dafür, auf vegetarische Ernährung umzusteigen.

Daniel gibt  ★★★★½  (4,5 von 5 Eselsohren)

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Besprechung:

Die Welt als globales Kuhdorf

Seitdem in David Safiers Debütroman „Mieses Karma“ die Fernsehmoderatorin Kim Lange als Ameise wiedergeboren wurde, weil sie in ihrem Leben zuviel schlechtes Karma angehäuft hat, hat sich seine Leserschaft daran gewöhnt, weniger Realismus und umso mehr ein skurrilen Personenensemble in absurden bis völlig durchgeknallten Situationen zu erwarten.

In seinem nun erschienenen Roman „Muh!“ geht es – wie der Titel bereits verrät – ins wilde Kuhistan: Die ostfriesische Kuh Lolle steht kurz vor dem Rinderwahnsinn, weil ihr stierischer Lover Champion eine Andere besteigt. Zu diesem Unglück kommt noch Pech hinzu, als sie erfährt, dass der Bauer den Hof verkaufen will und die gesamte Herde als BigMacs enden wird. In dieser relativ perspektivlosen Lage erzählt ihr der weitgereiste Kater Giacomo, dass es ein Paradies für Kühe gibt: Indien.

Gefährliche Odyssee ins gelobte Land

Dort werden die Kühe von den Menschen als heilige Tiere vergöttert und dementsprechend gut behandelt. Lolle macht also sich noch in der kommenden Nacht mit ihren beiden besten Freundinnen vom Acker und begibt sich mit ihnen auf eine gefährliche Odyssee, die sie in das gelobte Land führen soll.

Aus der Kuhperspektive

Die menschelnde Kuhperspektive der Kuh-Erzählerin Lolle erscheint am Anfang ungewohnt, weil man erst mal eine Zeit lang braucht, um aus der gewohnten Perspektive, sie als Nutzvieh und eben auch als BicMac zu sehen, auszusteigen. Dabei geht Safier aber so geschickt vor, indem der kleinen Ausreißerherde menschliche Stimmen gibt, die sich gegenseitig frozzeln, sich zoffen, ihre Liebe gestehen und einander verzeihen, dass sie ein menschliches, allzumenschliches Gesicht bekommen.

Spätestens, als Lolle auf der Reise merkt, dass sie von Champion schwanger ist, ist man mittendrin im Kuhiversum und fiebert mit der Kleinherde dem gelobten Land Indien entgegen und hofft, dass sie es bitte erreichen mögen.

Kuhismus

In kurzen Zwischenkapiteln erzählt Lolle von der Gotteskuh Naja, wie sie den Mond aus ihrem Käse geformt hat und gibt dem Leser so den mythologischen Religionskontext des Kuhismus mit auf den Weg. Und philosophische Gedanken: „Wo Liebe ist, ist auch Hoffnung. Egal, wie schwachsinnig diese auch war. Denn wo Liebe ist, ist auch Schwachsinn.“ (S. 199)

Wenn Lolle dann mit ihrem Kälbchen niederkommt und es vor dem mörderischen Zombiehund Old Dog retten muss, kommt man aus dem Kuhiversum nicht mehr heraus, man will das auch gar nicht mehr.

Die Kuh und du

Ein lustiger und zunehmend unterhaltsamer Roman, könnte man sagen. Doch er vollbringt ein kleines Wunder: Dass man Kühe – und das gilt ganz besonders für Stadtmenschen – zukünftig mit anderen Augen sehen wird. Und insofern ein großartiges Plädoyer dafür, auf vegetarische Ernährung umzusteigen.

Denn wer nach dem Lesen dieses Romans einer Kuh in die Augen schaut, wird Lolle darin sehen. Und spätestens dann bleibt einem der nächste BigMac garantiert im Halse stecken. Wenn man überhaupt noch dazu kommt und nicht vorher schon an der Theke abdreht. Danke, David Safier, für diesen wirklich tierisch guten Roman!

Von Daniel Kasselmann

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Infos:

David Safier, 1966 geboren, zählt zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Autoren der letzten Jahre. Seine ersten beiden Romane “Mieses Karma” und “Jesus liebt mich” erreichten Millionenauflagen. Auch im Ausland sind seine Bücher Bestseller. Außerdem arbeitet David Safier als Drehbuchautor. Für seine TV-Serie “Berlin, Berlin” gewann er den Grimme-Preis sowie den International Emmy (den amerikanischen Fernseh-Oscar). David Safier lebt in Bremen, ist verheiratet, hat zwei Kinder und einen Hund.

Mehr über David Safier bei Wikipedia.

2 Kommentare zu "Safier, David: Muh!"

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  1. Kasey sagt:

    Ein lustig geschriebenes Buch, das muss ich zugeben. Allerdings vermenschlicht es ein Rind so dermaßen, daß es schon zum Angst machen ist. Einer Kuh ist es herzlichst egal wenn ein Stier andere Kühe “besteigt”. Desweiteren wird ein Hund nie auf die Idee kommen eine Kuh zu bedrohen und wenn doch wird er schon sehen was eine Kuh samt Stier aus ihm macht, nämlich Fleischhack! Und in Indien möchte ich als Kuh auch nicht leben, man sehe sich diese ausgemergelten, an Hunger leidenden Gestalten nur an. Da ist niemand der diese Tier pflegt und füttert, die müssen sich im Müll ihr Futter suchen. Mahlzeit! Wer von den Stadtmenschen wirklich denkt das Leben einer Kuh sieht so aus, tut mir echt leid. Er sollte sich diese Tiere in der Wirklichkeit ansehen und ihr Verhalten studieren, daß mit dem Verhalten wie es im Buch geschildert wird, nichts, aber auch gar nichts gemein hat.

  2. Tanja sagt:

    Ich habe das Buch einem Ostfriesen und einem Nordlicht geschenkt. Gerne hätte ich es selbst gelesen, aber ich werde es mir früher oder später noch mal ausleihen. 🙂

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