15/07/2011von 1.543 Views – 0 Kommentare

Shteyngart, Gary: Super Sad True Love Story

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Buchcover Shteyngart Super Sad True Love Story
  • Roman
  • Hardcover
  • 464 Seiten
  • Erschienen 2011 bei Rowohlt
  • Aus dem Englischen von Ingo Herzke
  • Originalausgabe: „Super Sad True Love Story”, 2010

Inhalt:

Lenny Abramov träumt vom ewigen Leben, von seinen Büchern und von Eunice Park, einer viel jüngeren koreanischstämmigen Amerikanerin, die Gift für ihn ist: konsumversessen, abgebrüht, gewitzt. Eine tragikomische Liebesgeschichte bahnt sich an — frei nach Tschechow und Tolstoi erzählt. Denn die Liebenden leben in einem zunehmend bedrohlichen und bedrohten Land.

Kurzkritik:

Dies wäre ein umwerfendes Buch, wenn Shteyngart nicht ab der Hälfte die Luft ausgegangen wäre. Besser gesagt: die Idee, das Setting und die ersten Kapitel sind großartig, doch leider hapert es mit der dramaturgischen Umsetzung. Und der Schluss ist einfach enttäuschend.

Dabei beginnt „Super Sad True Love Story“ atemberaubend. Shteyngart hat so etwas wie Science Fiction von morgen (oder von 2015) geschrieben. Er nimmt unsere Realität (Smartphones, Facebook, Weltwirtschaftskrise, Gesundheits-„Fanatismus“) und denkt sie ein kleines Stück weiter.

Werner gibt  ★★★★☆  (4 von 5 Eselsohren)

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Besprechung:

Wie mag das alles nur enden?

Dies wäre ein umwerfendes Buch, wenn Shteyngart nicht ab der Hälfte die Luft ausgegangen wäre. Besser gesagt: die Idee, das Setting und die ersten Kapitel sind großartig, doch leider hapert es mit der dramaturgischen Umsetzung. Und der Schluss ist einfach enttäuschend.

Dabei beginnt „Super Sad True Love Story“ atemberaubend. Shteyngart hat so etwas wie Science Fiction von morgen (oder von 2015) geschrieben. Er nimmt unsere Realität (Smartphones, Facebook, Weltwirtschaftskrise, Gesundheits-„Fanatismus“) und denkt sie ein kleines Stück weiter.

Neue Rezensionen

Wir sind jetzt schon so „medien“

In der (nicht näher definierten) Zeit dieses Buches reden die Menschen nicht mehr miteinander, sie „texten“, sie lesen nicht, sondern scannen. Sie tragen weiterentwickelte Smartphones – in der Übersetzung so genannte „Äppäräts“, die den anderen alles über einen verraten: Alter, Herkunft, Bildung, Job, Einkommen, Gesundheitszustand, Charakter, (sexuelle) Vorlieben. Vor allem aber sind sie – eigentlich nicht anders als wir jetzt schon – „medien“, immer online, immer öffentlich.

Amerika ist bankrott, es gibt alte, relativ wertlose Dollar und Yuan-gestützte Dollar. Ja, China hat die Rolle der Supermacht übernommen, und in der alten und neuen Welt beginnen die Staatenbündnisse auseinanderzubrechen.

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Das Sterben abschaffen

Währenddessen ernähren sich die Menschen nicht nur so gesund wie möglich und versuchen, so jung wie möglich auszusehen. Die Firma, für welche die Hauptfigur arbeitet, setzt alles daran, das Leben (von Leuten, die es sich leisten können) nicht nur zu verlängern, sondern das Sterben überhaupt abzuschaffen.

Lenny Abramov, wie der Autor jüdisch-russischer US-Immigrant, hat ein Jahr in Italien verbracht und dort sehr erfolglos versucht, „Unsterblichkeit“ zu verkaufen. Kurz bevor er abreist, verliebt er sich in die asiatische US-Immigrantin Eunice Park.

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Bücher stinken

Lenny ist ein alter, herzensguter und emphatischer Mensch um die 40, der so gar nicht mehr in seine Zeit hineinpasst (er liest! – Und „Bücher stinken“). Eunice ist außer sehr jung und schön nach außen hin selbstbewusst. Zuerst nicht wirklich an Lenny interessiert, lässt sie sich schließlich doch auf eine Beziehung mit ihm ein. Es ist von Anfang an klar, dass er sie mehr liebt als sie ihn. Super Sad True.

Während diese Beziehung ihrem Ende entgegenstrebt, fällt Amerika vollends auseinander, Unruhen werden mit Para-Militärgewalt unterdrückt – und neben der Wirtschaft und der Infrastruktur bricht auch die Kommunikation zusammen. – So zeigt uns Shteyngart, wo wir stehen: Was könnte geschehen, wenn die USA oder die Eurozone bankrott gehen? Wo holt man sich seine Nahrungsmittel, wenn die Geschäfte leer stehen? Wie erreicht man seine Verwandten und Freunde, wenn das „Handy“-Netz ausfällt?

It is all too likely to come true

Shteyngart erzählt uns dies mittels Tagebuch-Eintragungen von Lenny und der „Äppärät“-Kommunikation von Eunice („Mails” und Chats), und zwar sehr amüsant. Allerdings: während man schmunzelt oder auch lacht, rieselt‘s einem – it is all too likely to come true – kalt über den Rücken.

Die Liebesgeschichte an sich ist – wenn auch von den Charakteren her ungewöhnlich – nicht sehr aufregend. Dieses Buch zeichnet denn auch aus, wie Shteyngart Szenen, Menschen und ihre Beziehungen beschreibt. Das Willkommens-Treffen von Lenny und seinen New Yorker Freunden ist grandios: wie sich da „ältere“ Menschen bemüht jung geben (und ihre Zusammenkunft live streamen), wie sie versuchen, gute Miene zur zusammenbrechenden Welt zu machen. Vor allem: wie da mit wenigen Sätzen sich verändert habende, jahrzehntelange Freundschaften vermittelt werden.

Als sich die USA auflösen

Auf ähnliche At und Weise gelingt es Shteyngart auch, eine von unserer leicht unterschiedliche Welt zu vermitteln, welche allerdings schon in Auflösung begriffen ist. Die True Love Story und Lennys Versuche, wieder in seiner Firma Fuß zu fassen, laufen vor diesem Hintergrund ab.

Wie wird das alles nur enden, fragt man sich, als sich die USA auflösen. Was mag Shteyngart noch alles eingefallen? – Nichts mehr. Ab diesem Zeitpunkt tut sich nur mehr äußerlich viel. Doch plötzlich wird die Welt wieder so, wie wir sie kennen, wird klischeehaft vertraut: böse anonyme Wirtschaftsbosse übernehmen – unterstützt vom Militär – das Ruder, Menschen ohne Vermögen und/oder Beziehungen müssen sich wohl oder übel arrangieren, lassen sich umsiedeln und nehmen eine Art „Ein-Euro-Job“ an (oder wandern aus).

Trugschluss

Und im Finale erweist sich die so stimmig beschriebene, fremde Welt überhaupt als Trugschluss. Nicht, was in dieser fernen oder nahen Zeit geschehen ist, hatte Bestand. Es ist, als hätte es sie nie gegeben.

Anders als etwa in Huxleys „Island“ aber verschwindet diese andere Welt nicht folgerichtig. Das ist frustrierend, selbst wenn dieses Enttäuschen vielleicht in Shteyngarts Absicht gestanden haben mag. Ich habe allerdings den Verdacht, dass er einfach mit dem Genre „Science Fiction“ nicht zurande gekommen ist. Oder dass es ihm nicht gelungen ist, einen Ideen-Roman dramaturgisch umzusetzen.

Schade drum

Und wie der Roman dann endet, hat mir die letzte Illusion geraubt, ich hätte etwas an der „Super Sad True Love Story“ übersehen und das Buch wäre doch ohne Einschränkung großartig. Es endet tranig-sentimental. Nach all dem Sarkasmus! Nach all diesen herrlich ausgemalten Szenen! Mit all diesen plastisch beschriebenen Figuren!

Schade drum. Lange war ich davon überzeugt, meinen Roman des Jahres 2011 zu lesen, und dann hält der Autor seine Versprechen nicht ein.

Von Werner Schuster

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Infos:

Leseprobe

Gary Shteyngart wurde 1972 in Leningrad (St. Petersburg) geboren und emigrierte mit seinen jüdisch-russischen Eltern im Alter von sieben Jahren nach Queens, New York. Er studierte Politikwissenschaften am Oberlin College und arbeitete danach für verschiedene Non-Profit-Organisationen. Sein Debüt als Romancier, „Handbuch für den russischen Debütanten“ (2003), beendete er in Baku, Aserbaidschan. Dort recherchierte er auch für seinen zweiten Roman „Snack Daddys abenteuerliche Reise“ (2006). Als Reise- und Kulturjournalist schreibt Shteyngart unter anderem für den New Yorker, Granta und die New York Times. Er lebt in New York.

Mehr über Gary Shteyngart bei Wikipedia.

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Literaturmagazin Eselsohren – 

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