05/11/2008von 402 Views – 0 Kommentare

Ulinich, Anya: Petropolis

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Buchcover
Die große Reise der Mailorder-Braut Sascha Goldberg

Roman
Aus dem Englischen von Pieke Biermann
Taschenbuch: dtv, 2008
(„Petropolis“, Viking, 2007)
Inhalt:

Mit 17 hat Alexandra – genannt Sascha – Goldberg schon ein ganzes Leben hinter sich: Sie war Kunststudentin in Moskau (erschwindelter Platz), wurde Mutter einer ungewollten Tochter in Asbest 2, einem Gulag-Außenposten im postsowjetischen Sibirien (grausam), bewarb sich als Mailorder-Braut (erfolgreich) und konterkarierte damit die Bemühungen ihrer Mutter, ein respektables Mitglied der »intelligenzija« aus ihr zu machen (endgültig). Saschas Weg führt aus einem gottverlassenen ex-sozialistischen Kaff in das Land der falschen Verheißungen – über Phoenix, Arizona (indiskutable Ehe) nach Chicago (privilegierte Sklavenarbeit) bis nach Brooklyn, wo so etwas wie Glück endlich greifbar wird. (Pressetext)

Kurzkritik:

Ich bin leicht verunsichert: Wie kann mir etwas nicht völlig gefallen, das mit dem „5 Under 35“-Award der „National Book Foundation“ ausgezeichnet worden ist? Doch was soll ich machen: Von Anya Ulinichs „Petropolis“ hat mich nur der erste und der vierte Teil überzeugt, und ich denke, besonders dazwischen hätte dem Roman eine helfende LektorInnen-Hand gut getan.

Werner gibt  ★★★¼☆  (3,25 von 5 Eselsohren)

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Besprechung:

Ohne Trichter oder Sieb

Ich bin leicht verunsichert: Wie kann mir etwas nicht völlig gefallen, das mit dem „5 Under 35“-Award der „National Book Foundation“ ausgezeichnet worden ist? Doch was soll ich machen: Von Anya Ulinichs „Petropolis“ hat mich nur der erste und der vierte Teil überzeugt, und ich denke, besonders dazwischen hätte dem Roman eine helfende LektorInnen-Hand gut getan.

Für mich ist die Mischung aus (zu großer) Nähe und künstlerischer Distanz, mit welcher Ulinich ihre Hauptfigur schildert, zu unausgegoren. Denn „mit 17“, schreibt der Verlag, „hat Alexandra – genannt Sascha – Goldberg schon ein ganzes Leben hinter sich: Sie war Kunststudentin in Moskau (erschwindelter Platz), wurde Mutter einer ungewollten Tochter im postsowjetischen Sibirien (grausam), bewarb sich als Mailorder-Braut (erfolgreich) … Saschas Weg führt aus einem gottverlassenen ex-sozialistischen Kaff in das Land der falschen Verheißungen – über Phoenix Arizona (indiskutable Ehe) nach Chicago (privilegierte Sklavenarbeit) bis nach Brooklyn, wo so was wie Glück endlich greifbar wird.“ Und Ulinich selbst ist in Moskau geboren, war siebzehn, als ihre Familie in die USA emigrierte, und widmet ihr Buch auch Evgeni Lapin von der Moskauer Kinderkunstschule Nummer eins, woraus in „Petropolis“ das Kunstinstitut für Kinder von Bezirk 7 wird.

Nicht Erfahrungsbericht, nicht Roman

Ulinich hat ihr Buch laut Klappentext auch geschrieben, „um die Flut ihrer Erfahrungen und Beobachtungen zu verarbeiten“. Das wär‘ ja auch völlig in Ordnung, wenn es sich bei „Petropolis“ entweder um einen romanhafte Erfahrungsbericht handeln würde, oder wenn Ulinich diesen Bericht dann vollends durch jenen Trichter oder jenes Sieb gepresst hätte, der oder das Kunst zum Ziel hat. So aber ist (für mich) ein Zwitter daraus geworden: nicht Erfahrungsbericht, nicht Roman.

Platzt aus allen Nähten

Während Ulinich im Teil eins den Alltag in der russischen Provinz noch mittels Satire oder Groteske beschreibt (kann aber auch sein, es handelt sich hier um Realismus), findet sie für das Amerika aus Immigranten-Sicht keine überzeugenden Bilder und Szenen – und auch keine Dramaturgie, welche die Erlebnisse der flüchtenden Mailorder-Braut ausreichend interessant darstellen würde. Dafür platzt dann der vierte Teil aus allen Nähten: Sascha findet ihren seit Kindertagen vermissten Vater in New York, besucht ihre – mit Saschas Tochter – in Russland gebliebene Mutter und entdeckt ihre Liebe zu einem schwer körperbehinderten Jungen. Im Epilog nimmt sie nach dem Tod ihrer Mutter ihre Tochter zu sich in die USA.

Das ist erfrischend unbekümmert erzählt und, wenn überhaupt, genauso unbekümmert – aber eben nicht überzeugend – komponiert. Besonders in den auf die Hälfte kürzbaren Teilen zwei und drei verliert Ulinich den Faden dieser laut Cover „Coming-of-Age-Geschichte“. Selbst wenn ich bedenke, dass meine Erwartungen wegen des „5 Under 35“-Awards vielleicht zu hoch geschraubt waren, ist „Petropolis“ für mich eine nicht ganz gelungenen Talentprobe.

Von Werner Schuster

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Infos:

Über Ayna Ulinich bei dtv.

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