Messner, Reinhold: On Top
Kurzkritik – Was meinen Sie? – Ausführliche Besprechung – Infos
- Frauen ganz oben
- Hardcover
- Erschienen 2010 bei Malik
Inhalt:
So umstritten der Wettlauf der Männer an den Bergen der Welt war – Höhenrekorde, Speedklettern, Seven Summits und 14 Achttausender –, so aufschlussreich ist die Konkurrenz der Frauen. In den Medien werden ihre Nationalität und Popularität gegeneinander ausgespielt, Motivation, Stil und Moral infrage gestellt. (Pressetext)
Kurzkritik:
Bei Messners „On Top“ gibt’s mindestens zwei Möglichkeiten. Entweder er war mit der Abgabe des Textes so spät dran, dass ein Lektorat nicht mehr möglich war, oder „ein Messner wird nicht lektoriert“. Jedenfalls ist sein Buch ein Musterbeispiel für Redundanz, also das mehrfache Vorhandensein der gleichen Aussage.
Außerdem stimmt es für mich nicht, dass „On Top“ „das erste umfassende Werk zur Geschichte der Frauen am Berg“ ist, wie am Umschlag behauptet wird. Es ist ein Sammelsurium aus ein bisschen Geschichte, ein paar Erinnerungen an Gespräche mit Oh Eun-Sun, Gerlinde Kaltenbrunner und Edurne Pasaban – und Messners Message, zu der er ab und zu hinzufügt, dass Frauen genauso gute Bergsteiger sind wie Männer.
Wer etwas über die Geschichte der Frauen am Berg wissen will, sollte lieber Luisa Francias „Der untere Himmel“ lesen.
Werner gibt (2 von 5 Eselsohren)
Und hier können Sie das Buch bestellen:
– in einer Buchhandlung in Ihrer Nähe: „On Top“ und „Die untere Seite des Himmels“
– bei Amazon: „On Top“ und „Die untere Seite des Himmels“
Messners Message
Bei Messners „On Top“ gibt’s mindestens zwei Möglichkeiten. Entweder er war mit der Abgabe des Textes so spät dran, dass ein Lektorat nicht mehr möglich war, oder „ein Messner wird nicht lektoriert“. Jedenfalls ist sein Buch ein Musterbeispiel für Redundanz, also das mehrfache Vorhandensein der gleichen Aussage.
„On Top“ behandelt den „Wettlauf der Frauen um die Eroberung aller 14 Achttausender“. Und als hätte man es mit einem von Spin Doctors gebrieften Politiker zu tun, wiederholt Messner seine eine Message immer und immer wieder: eigentlich kann man Achttausender-Besteigungen nicht vergleichen, egal ob diese von Männern oder Frauen durchgeführt worden sind, ob mit oder ohne Flaschensauerstoff, ob mit oder ohne Steighilfen (von vorigen Expeditionen zurückgelassene Seile und Leitern); und diejenigen Frauen, die besagten Wettlauf verloren haben, haben nachträglich behauptet, dass es ihnen gar nicht darum gegangen wäre, Erste zu sein.
Drauflos diktiert
Ansonsten hat das Buch keine erkennbare Ordnung. Auf mich hat es gewirkt, als habe sich Messner von einem Team Fakten recherchieren lassen und auf diese ab und zu zurückgegriffen, während er drauflos diktierte. Und dann ab damit zum Verlag.
Außerdem stimmt es für mich nicht, dass „On Top“ „das erste umfassende Werk zur Geschichte der Frauen am Berg“ ist, wie am Umschlag behauptet wird. Es ist ein Sammelsurium aus ein bisschen Geschichte, ein paar Erinnerungen an Gespräche mit Oh Eun-Sun, Gerlinde Kaltenbrunner und Edurne Pasaban – und Messners Message, zu der er ab und zu hinzufügt, dass Frauen genauso gute Bergsteiger sind wie Männer.
Magisch
Viel mehr und besser aufbereitete Geschichte der Frauen am Berg findet man in Luisa Francias „Der untere Himmel“, bei welchem Buch es ein anders gelagertes „Problem“ gibt als bei „On Top“: Francia vertritt nicht nur laut Wikipedia „die magische Seite des Feminismus“ und ließ diese Seite auch in ihre Bergsteigerinnenbuch einfließen.
Es mag auf Menschen, die nicht an (diese Art von) Magie glauben, seltsam wirken, wenn darin von Truden und Göttinnen die Rede ist. Aber das tut es nur in zwei der 14 Kapiteln. Außerdem ist „Der untere Himmel“ 1999 erschienen (und derzeit nur antiquarisch erhältlich), als von einem „Wettlauf der Frauen um die Eroberung aller 14 Achttausender“ noch nicht die Rede war (aber alle waren von mindestens einer Frau bestiegen worden).
Porträts und Gespräche
Ansonsten aber bietet Francia: eine Chronik des Frauenbergsteigens (die sich nicht nur – wie bei Messner – auf die Stars beschränkt), eine andere Sicht auf die Tragödie am Mount Everest im Jahr 1996 als die von Jon Krakauer und zahlreiche Porträts von und Gespräche mit Bergsteigerinnen (unter anderem mit Elizabeth Hawley, der Chronistin der Himalayaexpeditionen).
Dass darin die Bergsteiger selten gut wegkommen, lieg nicht nur daran, dass Francia eine Feministin ist. Viele Gipfelstürmer zeichnen sich auch durch frauenverachtende Aussagen aus wie „Berge gelten als uninteressant, wenn Frauen hinaufgestiegen sind“.
Wirr oder pointiert
Die Bergsteigerinnen berichten bei Francia aber nicht nur, wie sie mit ihren männlichen Kollegen auskommen (etwa im Kapitel „Meine Shorts haben einen Riss. Kannst du den flicken, Reinhold?“), sondern auch, warum sie auf Berge steigen und wie es ihnen dabei geht.
All das findet man zum Teil auch bei Messner, allerdings bloß ansatzweise, rudimentär und scheinbar wahllos übers ganze Buch verstreut. Francia widmet sich hingegen pro Kapitel einem bestimmten Thema (etwa auch Müttern als Bergsteigerinnen) und führt dieses aus. Und während Messners Stil ein wenig wirr anmutet, ist der von Francias pointiert und polemisch.
Krankhafter Ehrgeiz
Messner: „Unser aller Ziel ist die Rückkehr ins Tal. Auch deshalb wird der Gipfel mit dem Erreichtsein unbedeutend. (…) Als müssten wir uns aber auch das Nachher hart erarbeiten, ist der Abstieg oft schwer. Männer stehen den Frauen dabei nicht im Weg. Denn keine noch so erfolgreiche Frau verdrängt den Mann von seiner Position.“
Francia: „Lotte Vögele klagte: Wenn sich eine Frau beim Klettern schindet, heißt es ,krankhafter Ehrgeiz’, bei einem Mann sagt man, ,der wird mal gut’“.
Der Berg als Wille und Vorstellung
Und zum Thema Bergsteigen selbst schreibt Messner: „Aus einem Gewirr von Pfeilern, Rinnen und Schneefeldern ergab sich eine Linie, ein Weg! Im Bann dieser Linie, fasziniert von der Möglichkeit, auf diesen einen, ,meinen’ Berg zu steigen, wurde alles andere nichtig. Mein Bergsteigen nichts als Wille, geboren aus Vorstellung!“
Während Francia Arlene Blum zitiert: „Ein Berg gehört dir nie. Du steigst hinauf, hinterlässt Fußspuren, der Wind weht sie fort.“
Von Werner Schuster
– in einer Buchhandlung in Ihrer Nähe: „On Top“ und „Die untere Seite des Himmels“
– bei Amazon: „On Top“ und „Die untere Seite des Himmels“
Der Grenzgänger, Autor und Bergsteiger Reinhold Messner, 1944 in Südtirol geboren, begann bereits 1949 mit dem Bergsteigen und hat seit 1969 mehr als hundert Reisen in die Gebirge und Wüsten dieser Erde unternommen. Ihm gelangen zahlreiche Erstbegehungen und die Besteigung aller vierzehn Achttausender sowie die Durchquerung Grönlands und der Antarktis zu Fuß.
Luisa Francia (* 1949) ist eine deutsche Autorin, Filmemacherin und Malerin. Sie lebt in München. Francia unternahm mehrere Reisen nach Afrika, Indien und Nepal. Sie vertritt die magische Seite des Feminismus.
Mehr über Reinhold Messner und über Luisa Francia bei Wikipedia.
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