14/08/2009von 949 Views – 0 Kommentare

Nizon, Paul: Im Bauch des Wals

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Buchcover Im Bauch des Wals von Nizon
Prosa
Taschenbuch: Suhrkamp, 1989 ff.
Inhalt:

Fünf Caprichos: ein Buch mit Erzähltem, das sich keinen Zwang auferlegt, das sich frei bewegt, Erzähltes, das ein Springen im Raum ist, kein Glissando, also kein Gleiten oder Hinüberschleifen von einem Ton zum nächsten, es sind abrupte Platzwechsel. Welche Begründung könnte es für diese Diskontinuität geben? Es ist die Suche nach einem klärenden Wort zu den Grundfragen, den Unruhe stiftenden Hauptwörtern unseres Lebens: Jugend und Alter, Leben und Tod, Liebe, Einsamkeit, Glück. (Pressetext)

Kurzkritik:

Sind Nizons Caprichos von freiem, spielerischem und scherzhaftem Charakter oder im Sinne von Goya? Oder beides?

Jedenfalls darf hier keine Rede sein von „ohne Plot auskommen“. Oder? „Dabei mag ich keine Geschichten, Geschichten sind Anbiederungen, falsche Friedensabkommen. – Ich bin kein Geschichtenabfüller, kein Verpackungsathlet“, schreibt Nizom, als er dahinterkommt, dass er seiner „Hauptfigur“ oder seinem Roman-Sinnbild, dem Marschierer, eine ebensolche angedichtet hat. Der Marschierer ist ein Clochard, gepflegt zwar und doch aus dem bürgerlichen Leben getreten, nunja, eben marschiert.

Werner gibt  ★★★★☆  (4 von 5 Eselsohren)

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Besprechung:

Aufzeichnungen aus dem Kellerloch

Vor etlichen Weihnachten habe ich mir Paul Nizons „Gesammelte Werke“ gewünscht und bekommen, damals noch davon überzeugt, der Satz „Ohne Plot auskommen heißt so viel wie mit dem Leben in erster Instanz verhandeln“ würde den Schweizer Autor definieren. Dies ist nun mein sechster Ansatz, Worte für meine – nicht immer reine – Liebe zu Nizons Prosa zu finden.

Nun bin ich einmal überzeugt davon, dass Nizon die Bezeichnung seiner fünf in „Der Bauch des Wals“ versammelten Prosastücke nicht auf die Caprichos von Goya bezieht, sondern eher die so genannten Musikstücke „von freiem, spielerischem und scherzhaftem Charakter, die sich wenig bis gar nicht an tradierte (musikalische) Formen orientieren“ meint.

Kein Geschichtenabfüller

Wiewohl: Zeitweise musste ich bei seinen Beschreibungen von seinem Paris an Rilkes „Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“ denken („So, also hierher kommen die Leute, um zu leben, ich würde eher meinen, es stürbe sich hier“). Also doch – auch – Goya?

Jedenfalls darf hier keine Rede sein von „ohne Plot auskommen“. Oder? „Dabei mag ich keine Geschichten, Geschichten sind Anbiederungen, falsche Friedensabkommen. – Ich bin kein Geschichtenabfüller, kein Verpackungsathlet“, schreibt er, als er dahinterkommt, dass er seiner „Hauptfigur“ oder seinem Roman-Sinnbild, dem Marschierer, eine ebensolche angedichtet hat. Der Marschierer ist ein Clochard, gepflegt zwar und doch aus dem bürgerlichen Leben getreten, nunja, eben marschiert.

Der Marschierer als Nizon

Nizon interpretiert diese Figur nach einer Facon {wie ja unsere Behauptungen über andere in der Regel mehr über uns selbst als über die Beurteilten aussagen (– mit diesem Satz könnt ihr mich kriegen, Kritiker-Kritiker!)}. Ja, Nizon schreibt über sich, doch keine Betroffenheitsprosa, wie sie eine Zeit lang en vogue war, sondern so (in seinen Worten):

Nach Wörtern schnappen, Wörter für Eindrücke Sinnesmeldungen ausgelöste Gefühle Gedanken. Und die Wörter picken Einzelheiten aus dem Gebräu der Fremde und zimmern ein flüchtiges Zuhause. Und in den von Wörtern erfundenen Räumlichkeiten klasse ich mich kurz nieder. Das Tasten Staunen Benennen, dieser Versuch eines Buchstabierens von Wirklichkeit, ist ja letztlich gewiss aussichtslos, es ist ein trostloses Erhellen etwa so, als wollte man in einem universumsweiten Kellerraum einen Kerzenstummel anzünden; und soweit er Kerzenstummel reicht, entstünde ,Welt‘. Dieses buchstabierende Lesen und Nachdenken und Hinterherhängen ist ein zagendes Betreten, einen wenn auch noch so geringfügige Pionierarbeit: nur nicht im versiegelten Waggon durch einen undurchdringliche Dunkelheit in den Tod reisen …

Meine Reise mit Nizon ist nun bei Band 6 von 7 angelangt. Aber, freue ich mich, es gibt ja mehr Buchstabierversuche von ihm als die 1999 (zu seinem 70. Geburtstag) herausgegebenen Gesammelten Werke. Und außerdem kann man seine Bücher ja immer und immer wieder lesen.

Werner Schuster

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Infos:

Über Paul Nizon bei Wikipedia.

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Literaturmagazin Eselsohren – 

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