15/04/2012von 507 Views – 0 Kommentare

Günter Grass‘ Israel-Gedicht

News- & Story-EselLiebe LeserInnen,

in den letzten zwei Wochen sorgte das Gedicht „Was gesagt werden muss“ von Günter Grass für internationales Aufsehen. Wir bringen einen Überblick über die Reaktionen.

Was gesagt worden ist

Am 4. April hat die Süddeutsche das Gedicht „Was gesagt werden muss“ abgedruckt. Darin hält Grass Israel vor, dass dieses durch einen Erstschlag das gesamte iranische Volk auslöschen könnte, nur weil vermutet werde, dass Teheran eine Atombombe baue. Dabei habe Israel selbst ein wachsendes nukleares Potential, das keiner Prüfung zugänglich sei. Zudem kritisierte Grass die deutsche Außenpolitik, die Israel mit U-Boot-Lieferungen unterstütze. Er schweige nicht mehr, weil er der „Heuchelei des Westens“ überdrüssig sei.
(Das Gedicht „Was gesagt werden muss“ zum Nachlesen.)

„Ich bin schockiert“, sagte tags darauf der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann der Nachrichtenagentur dapd. Er könne in dem Beitrag des Nobelpreisträgers kein literarisches Gedicht, sondern „mehr ein Hasspamphlet“ erkennen. Der Publizist Henryk M. Broder nannte den Schriftsteller in einem Beitrag für Welt einen „Prototypen des gebildeten Antisemiten“.
(Mehr in der SZ.)

Ein „ekelhaftes Gedicht“ nannte der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki den Grass-Text, dessen Absicht es sei, den „Judenstaat zu attackieren.“
(Mehr in der FAZ.)

Reaktionen der internationalen Presse

Corriere della Sera: „Wer der Waffen-SS angehört hat, sollte vorsichtiger in seinen Urteilen sein.“

Die Presse: „Wenn sich Grass schon anmaßt, moralische Instanz zu spielen, warum gerade, wenn es um Israel geht? Dieses Land ist gewiss nicht das einzige, das den ,brüchigen Weltfrieden‘, wie Grass pathetisch schreibt, gefährdet.“

La Repubblica: „Das Ergebnis seines Gedichts besteht allein darin, ein konfuses Rauschen zu erzeugen, eine unmögliche Gleichstellung Israels mit dem Iran, eine unglaubwürdige Verdrängung jener Bedrohung, die das Regime in Teheran für Jerusalem darstellt.“

(Weitere internationale Pressestimmen in der SZ)

Der Dichter wehrt sich

Am Tag nach der Veröffentlichung seines Israel-kritischen Gedichts in der SZ meldete sich Grass in Interviews zu Wort, versuchte seine Thesen zu untermauern und attackierte all jene, die ihm widersprochen haben. Besonders vehement prangerte der Nobelpreisträger dabei eine “Gleichschaltung der Meinung” in Deutschland an.
(Mehr in der SZ.)

Rückendeckung

Jakob Augstein, Sohn des Spiegel-Gründer Rudolf Augstein, kritisierte den Text von Grass zwar mit den Worten: „Ein großes Gedicht ist das nicht.“ Er gab ihm aber in seinen politischen Aussagen Recht.
(Mehr im Spiegel online.)

Rückendeckung bekam Grass von seinem Schweizer Kollegen Adolf Muschg. Der Antisemitismus-Vorwurf gegen den Literaturnobelpreisträger sei „so absurd unbillig und unverhältnismäßig, dass man über die fast geschlossene Front gegen den Autor nur staunen kann“, schrieb Muschg in Der Sonntag. Seine Kritiker würden Grass „für etwas geißeln, was er nicht geschrieben hat“. „Warum“, fragt Muschg, „drückt sich die deutschsprachige Reaktion fast einhellig vor der Frage, ob sich diese Kritik denn erledigt hat?“
(Mehr in der SF-Tagesschau.)

Der österreichische Schriftsteller Josef Haslinger bescheinigte dem Literaturnobelpreisträger in der Leipziger Volkszeitung, „im Prinzip einen wichtigen Punkt angesprochen“ zu haben. Grass habe nämlich aufgezeigt, dass in Verhandlungen über die Beschränkung von Atomwaffen die israelischen Atomwaffen und ihr Beitrag zur Aufrüstung im Nahen Osten stets ausgespart würden, sagte Haslinger
(Mehr in Der Standard.)

Auch der israelische Autor Uri Avnery nahm Günter Grass in Schutz: Es sei antisemitisch darauf zu bestehen, dass Israel in Deutschland nicht kritisiert werden dürfe.
(Mehr in der SZ.)

Und der deutsche Schriftsteller Erich Loest (86) meinte Leipziger Volkszeitung, „es wäre wünschenswert, zuständige internationale Behörden würden sich Israels heißeste Keller zeigen lassen“.
(Mehr in der LVZ.)

Einreiseverbot

Am 8. Apriö hat Israel Günter Grass wegen seiner israelkritischen Verse zur Persona non grata erklärt. Der Nobelpreisträger darf nun nicht mehr nach Israel einreisen.

Vertreter aller im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen kritisieren den Bann der israelischen Regierung gegen den Literaturnobelpreisträger. Die Entscheidung sei „mittelalterlich“, „kontraproduktiv“ und „eher geeignet, Israel international zu schaden“.
(Mehr in der SZ.)

Grass reagierte auf das Einreiseverbot mit dem Text „Damals wie heute – Meine Antwort auf jüngste Beschlüsse“ in der Süddeutschen Zeitung, in welchem er über die gegen ihn verhängten Einreiseverbote durch die Diktaturen DDR und Birma und das demokratische Israel nachdenkt.
(Mehr in der SZ.)

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Weitere Stellungnahmen zu „Was gesagt werden muss“ und mehr über Günter Grass bei Wikipedia.

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