12/12/2007von 438 Views – 0 Kommentare

Grass, Günter: Die Blechtrommel

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Roman
816 Seiten
dtv
(1959)
Inhalt:

Anfang der 50er Jahre trommelt und schreibt in einer Heil- und Pflegeanstalt ein Buckliger des Jahrgangs 1924 die Geschichte seines Lebens und seiner Familie vom Begin des Jahrhunderts bis in das Deutschland Adenauers. Oskar Matzerath hat alles gesehen und gehört, nichts ist ihm entgangen, denn er war ein hellhöriger Säugling, dessen geistige Entwicklung bereits bei der Geburt abgeschlossen war. Der Außenseiter, der Wirklichkeit ertrommeln und Glas zersingen kann, erweist sich dabei als der einzige Gesunde in einer Welt des Scheins, der Lüge und des Verbrechens. (Pressetext)

Kurzkritik:

Wahnsinn, bald könnte man “50 Jahre Blechtrommel” begehen und diesem Buch haftet kein bisschen Patina an. Gewiss würde heute kaum noch jemand das dringende Bedürfnis haben, über Danzig zwischen 1924 (respektive 1899) und 1954 zu schreiben, aber wie Günter Grass (zur Entstehungszeit um die 30) hier die seinerzeit jüngere Geschichte seines Geburtsorts (und Deutschlands) in Literatur verwandelt, das könnte auch gerade erst erfunden und formuliert worden sein.

Werner gibt  ★★★★½  (4,5 von 5 Eselsohren)

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Besprechung:

Durch eine zerbrochene Brille betrachtet

Wahnsinn, bald könnte man “50 Jahre Blechtrommel” begehen und diesem Buch haftet kein bisschen Patina an. Gewiss würde heute kaum noch jemand das dringende Bedürfnis haben, über Danzig zwischen 1924 (respektive 1899) und 1954 zu schreiben, aber wie Günter Grass (zur Entstehungszeit um die 30) hier die seinerzeit jüngere Geschichte seines Geburtsorts (und Deutschlands) in Literatur verwandelt, das könnte auch gerade erst erfunden und formuliert worden sein.

Man kann eine Geschichte in der Mitte beginnen und vorwärts wie rückwärts kühn ausschreitend Verwirrung anstiften. Man kann sich modern geben, alle Zeiten, Entfernungen wegstreichen und hinterher verkünden oder verkünden lassen, man habe endlich und in letzter Stunde das Raum-Zeit-Problem gelöst. Man kann auch ganz zu Anfang behaupten, es sei heutzutage unmöglich einen Roman zu schreiben, dann aber, sozusagen hinter dem eigenen Rücken, einen kräftigen Knüller hinlegen, um schließlich als letztmöglicher Romanschreiber dazustehn.

“Zugegeben, ich bin Insaße
einer Heil- und Pflegeanstalt”

Nun, Grass betrachtet die Vorkriegszeit, die Kriegszeit und die Nachkriegszeit wie in einem Zerrspiegel oder wie durch eine zerbrochene Brille, durch die jede/r wohl andere Geschichten wahrnimmt. Der Ich-Erzähler Oskar ist jedenfalls Insaße einer Heil- und Pflegeanstalt und hatte mit drei Jahren bei voll entwickeltem Verstand beschlossen, nicht mehr zu wachsen – um uns die (Vor-)Kriegswelt aus Kinderperspektive zu beschreiben? Mit 21 will er diesen Beschluss rückgängig machen, was ihm kaum gelingt; stattdessen wächst ihm ein Buckel.

Das sind natürlich alles Sinnbilder, doch wofür, sollte sich jede/r mit sich selbst ausmachen. Geschrieben ist “Die Blechtrommel” selbstbewusst, eigenwillig und mit Vergnügen bereitender Fabulierlust – auch wenn die Ereignisse selten zum Lachen sind.

In jener Nacht starb – wie Herr Matzerath sagt – unanständig und laut Gott lästernd, die Arbeiterklasse zum Kampf aufrufend, mit letzten Worten – wie man es in Filmen zu hören bekommt – die Freiheit hochleben lassend, schließlich einem Brechanfall verfallend, der den Wagon mit Entsetzen füllte, jener Sozialdemokrat, der allzusehr an seinem einreihigen Anzug hing.

Von Werner Schuster

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Infos:

Günter Grass wurde am 16. Oktober 1927 in Danzig geboren, absolvierte nach der Entlassung aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft eine Steinmetzlehre, studierte dann Grafik und Bildhauerei in Düsseldorf und Berlin. 1956 erschien der erste Gedichtband mit Zeichnungen, 1959 der erste Roman “Die Blechtrommel”. 1999 wurde ihm der Nobelpreis für Literatur verliehen.

Über Günter Grass bei Wikipedia.

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