Verlagsgeschichte Piper
Anfänge: „Der Blaue Reiter“, Buddha und Dostojewski
„Ich war einfach ein junger Mann mit geistigen Interessen, etwas Erfindungsgabe und wenig Geld. Doch ich hatte den unabweisbaren Drang, das, woran ich glaubte, anderen mitzuteilen.“ So beschreibt Reinhard Piper (1879–1953) selbst im Rückblick die Motivation, die ihn als knapp Fünfundzwanzigjährigen das Wagnis einer Verlagsgründung eingehen ließ. Ein Abenteuer war es für den angehenden Jungverleger gewiss: Zwar hatte er bereits mehrere Jahre im herstellenden und verbreitenden Buchhandel in Berlin und München gearbeitet, doch verfügte er über ein äußerst bescheidenes Startkapital, das zudem zum großen Teil geliehen war. Noch bis 1937 – dem Jahr, in dem der Verlag nach dem von den Nazis erzwungenen Ausscheiden des jüdischen Teilhabers Robert Freund in seinen alleinigen Besitz überging – sollte der Verleger aus diesem Grund auf wohlhabende Teilhaber angewiesen bleiben. Mit Paul Stefans Biografie „Gustav Mahler“ – dem ersten Buch über den damals schon weltweit aktiven Dirigenten und gefragten Komponisten – kündigte sich noch im selben Jahr ein weiteres Interessengebiet des Verlegers an: die Musik. Unter der Ägide seines Sohnes und Nachfolgers Klaus Piper sollte dieses Programmsegment später weiter ausgebaut werden.
Ihren „amtlichen und eigentlichen Geburtstag“ (Reinhard Piper) feierte die Firma R. Piper & Co. am 19. Mai 1904 mit der Eintragung ins Münchner Handelsregister. Der Zeitpunkt war günstig gewählt. Denn um die Jahrhundertwende vibrierte es in den deutschsprachigen Kulturzentren von neuen literarischen und künstlerischen Strömungen. Die Werke der Moderne verlangten nach Verlegern, die sich mit Begeisterung und innerer Überzeugung für sie einsetzten und ihnen den Weg auf den Buchmarkt bahnten. Reinhard Piper hatte diesen Ruf der Zeit verstanden.
Bereits während seiner Lehrzeit schloss er einen ersten Autorenvertrag mit Arno Holz, und als erstes Buch erschien „Dafnis“ mit einer Startauflage von 10 000 Exemplaren in dem neu gegründeten Verlag. Das Projekt wurde ein voller Erfolg: Noch im September druckte man zwei weitere Auflagen in gleicher Höhe nach. Entsprechend der vielseitigen geistigen Orientierung des Verlegers und in enger Verbindung mit der Münchner Kulturszene lag der Schwerpunkt des Programms jedoch nicht allein auf der Literatur, sondern umfasste in gleichem Maße auch die Bereiche Kunst und Philosophie. Letztere erhielt ein besonderes Schwergewicht durch die groß angelegte Arthur-Schopenhauer-Ausgabe und die Reden Buddhas, die 1907 in der Übertragung von Karl Eugen Neumann erschienen. Das Werk von Fjodor Michailowitsch Dostojewski komplettierte die Reihe aufwendiger Gesamtausgaben der ersten Jahre. Die Übersetzung des bis dahin in Deutschland noch nahezu unbekannten Autors besorgte Less Kaerrick unter dem Pseudonym E. K. Rahsin; die Umschlaggestaltung übernahm Paul Renner, der schon das klassische Verlagssignet des Hauses Piper entworfen hatte.
Daneben entstanden die Reihe „Moderne Illustratoren“ (unter anderem mit Thomas Theodor Heine, Adolf Oberländer, Edvard Munch) und die Taschenbibliothek „Die Fruchtschale“ als eine Sammlung der Weltliteratur, in der unter anderem August von Platen, Adalbert Stifter und Jakob Böhme vertreten waren. Christian Morgenstern zeigte sich von dem innovativen Programm des jungen Verlags derart beeindruckt, dass er Reinhard Piper 1910 spontan seine Gedichte antrug. Aus der Offerte zweier Gedichtbände entwickelte sich eine kontinuierliche Verlagsbeziehung, in deren Folge Piper zum Hauptverlag des Dichters avancierte.
Außergewöhnliches Gespür bewies Reinhard Piper beim Aufbau des Kunstprogramms. Über die produktive Beziehung zu Julius Meier-Graefe, einem der einflussreichsten Kunstschriftsteller seiner Zeit, erwarb sich der Verlag einen Ruf als Vermittler des französischen Impressionismus und des Expressionismus und wurde – dank des persönlichen Kontakts Reinhard Pipers zu Franz Marc und Wassily Kandinsky – zur verlegerischen Heimat der deutschen Künstleravantgarde: 1912 erschien der gleichnamige Almanach der von Marc und Kandinsky gegründeten Künstlergruppe „Der Blaue Reiter“, der heute zu den bedeutendsten künstlerischen Programmschriften des 20. Jahrhunderts zählt.
Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs wirkte sich verheerend auch auf den deutschen Buchmarkt aus. Schlagartig wandte sich das Interesse von allem ab, was nicht in direktem Zusammenhang mit dem Kriegsgeschehen stand, und unter dem Druck drastisch sinkender Verkaufszahlen und eines verschärften Konkurrenzkampfs sah sich Piper bald zur Einschränkung und Umgestaltung seines Programms gezwungen. Die traditionellen Sparten traten vorübergehend in den Hintergrund; stattdessen verlegte man sich auf repräsentative Bildbände, die aktuelle Kriegsschauplätze dokumentierten und in hoher Stückzahl in das „Frontgebiet“ verkauft werden konnten. Neben dem nötigen „Broterwerb“, der dem Verlag das Überleben in der Krise sicherte, gelang es jedoch noch vor Kriegsende, ein lang geplantes Unternehmen zu verwirklichen: die Gründung der Marées-Gesellschaft, die 1918 mit ihren ersten zehn Aquarell- und Grafikdrucken hervortrat. Aus der Arbeit an den qualitativ hochwertigen Marées-Drucken gingen 1923 die Piperdrucke hervor, die sich vorrangig der Reproduktion von Ölgemälden widmeten und ab 1932 als eigene Firma fortgeführt wurden.
Die Jahre der Inflation und das Aufkommen einer Unterhaltungsindustrie verdarben den Markt für umfangreiche Gesamtausgaben und Kunstbücher; der „Bestseller“ wurde zum neuen buchhändlerischen Begriff. Klassische Kulturverleger wie Reinhard Piper sahen sich durch den herrschenden Zeitgeist abermals zu einer Umgestaltung ihres Programms genötigt. Als der Verlag Mitte der Zwanzigerjahre in finanzielle Schwierigkeiten geriet, trat Robert Freund als neuer Teilhaber bei Piper ein. Der gebürtige Wiener initiierte die Ausweitung des Programms auf internationale Literatur, insbesondere aus dem englischen und französischen Bereich, und konnte so prominente Autoren wie André Maurois und Marcel Proust für den Verlag gewinnen. (Von Proust erwarb Piper die Rechte am Gesamtwerk, es erschien jedoch nur ein Band.)
Freund brachte auch den deutsch-nationalen Schriftsteller Bruno Brehm in den Verlag, der im „Dritten Reich“ zum erfolgreichsten belletristischen Verlagsautor avancierte und mit seinen Romanen wesentlich zum wirtschaftlichen und politischen Überleben des Unternehmens beitrug. Dabei war sich Brehm der Abhängigkeit des Verlags von seinen Erfolgen durchaus bewusst: Immer wieder drohte er ab 1934 dem „halbjüdischen Verlag“ mit Abwanderung, um seine Honorarforderungen durchzusetzen. Erst nach langwierigen Verhandlungen und durch weitreichende vertragliche Zugeständnisse konnte er zum Bleiben bewogen werden. In der Nachkriegszeit war Brehm aufgrund seiner völkisch-nationalen Vergangenheit umstritten. Er blieb aber bis zu seinem Tode 1978 Verlagsautor.
NS Zeit
Mit der Machtergreifung Hitlers im Januar 1933 und der Propagierung Münchens als „Hauptstadt der deutschen Kunst“ begann die massive Einflussnahme der Nationalsozialisten auf die Kultur- und Verlagsszene: Für emigrierte Autoren galt ein generelles Verlagsverbot; innerhalb des Buchhandels kursierten umfangreiche geheime Listen des „schädlichen und unerwünschten Schrifttums“, das nicht mehr verbreitet werden durfte; der Schutzverband deutscher Schriftsteller wurde in eine Zwangsorganisation umgewandelt, die der Reichsschrifttumskammer und damit dem Propagandaminister Joseph Goebbels direkt unterstellt war. Wer aus dieser Organisation ausgeschlossen oder wessen Antrag auf Mitgliedschaft abgelehnt wurde, erhielt Berufsverbot. Davon betroffen waren im Zuge der „Entjudungsmaßnahmen“ insbesondere all jene, die den ab 1937 obligatorisch geforderten „Ariernachweis“ nicht erbringen konnten.
Auch im Hause Piper wurden die Repressionen der nationalsozialistischen Machthaber spürbar. Offizielle Stellen drängten ab 1935 verstärkt auf ein Ausscheiden des jüdischen Teilhabers Robert Freund. In einem lapidaren Schreiben der Reichsschrifttumskammer vom 14. November des Jahres heißt es: „Ich bitte, mich über die Besitzverhältnisse Ihres Verlages zu unterrichten. Angeblich arbeitet in Ihrem Unternehmen nichtarisches Kapital.“ Die Lage der deutschen Juden verschlechterte sich nach dem Erlass der Nürnberger Rassengesetze dramatisch; Verhaftungen und Deportationen waren spätestens ab 1936 an der Tagesordnung. In dieser für ihn lebensbedrohlichen Situation entschloss sich Freund, aus dem Verlag auszuscheiden und ins Exil zu gehen. Um ihn abfinden zu können, wurde das verlagseigene Gebäude in der Römerstraße verkauft, und der Piper Verlag zog in die Georgenstraße 4. Bis heute hat das Unternehmen dort in der von August Thiersch erbauten Villa seinen Sitz.
Die repressiven Maßnahmen des Nazi-Regimes erzwangen jedoch nicht nur Veränderungen in der Verlagsleitung, sondern führten auch zu drastischen Einschnitten im Programm. Die Schriften von André Maurois und Wilhelm Hausenstein waren zum Beispiel ab 1936 verboten. Die Werke von Alfred Kubin, Wassily Kandinsky und Max Beckmann – allesamt Künstler aus dem Piperschen Freundeskreis und Autoren des Verlags – standen jetzt als „entartete Kunst“ auf dem Index. Aufsehen erregte vor allem die Beschlagnahmung von Ernst Barlachs „Zeichnungen“: Die Courage, mit welcher sich der Verleger für die Veröffentlichung von Barlachs Arbeiten einsetzte, sollte nach dem Krieg die rasche Wiedererteilung der Verlagslizenz durch die Besatzungsmächte begünstigen.
Im Ganzen aber suchte der Verlag durch den Rückzug in ein „Nischendasein“ (Klaus Piper) dem Druck des Nazi-Regimes auszuweichen. Diese in der deutschen Verlagslandschaft verbreitete Überlebensstrategie spiegelte sich im Piperschen Verlagsprogramm sowohl durch einen verstärkten Rückgriff auf neutrale Unterhaltungsliteratur als auch durch die Publikation von zum Teil unbekannten skandinavischen Autoren (beispielsweise Kristmann Gudmundsson, Hjalmar Bergman und Ronald Fangen).In den Jahren des Zweiten Weltkriegs ging die Buchproduktion, ähnlich wie 1914 bis 1918, insgesamt stark zurück.
Auch Piper brachte während des Krieges nur noch wenige Titel heraus, darunter die Romane von Josef Martin Bauer und Bruno Brehm. Vier Jahre nach Freunds Ausscheiden machte Reinhard Piper im September 1941 seinen ältesten Sohn Klaus (1911–2000) zum Teilhaber. Dieser war nach zweijähriger Buchhandelslehre bereits 1932 in den Verlag eingetreten. Der Verlagsgründer zog sich allmählich aus dem Geschäftsleben zurück, entwarf aber noch das Konzept der „Piper-Bücherei“, einer preisgünstigen Reihe, das nach dem Krieg in die Tat umgesetzt wurde.
Neuanfang nach 1945
Drei Tage nach Kriegsende, am 12. Mai 1945, wurden auf Veranlassung der Besatzungsmächte alle Medienunternehmen in Deutschland geschlossen und jede Form der Veröffentlichung verboten. Für die Wieder- oder Neugründung von Verlagen bedurfte es einer Lizenz der Alliierten, die dem Antragsteller neben berufsspezifischen Kenntnissen auch eine einwandfreie demokratische Gesinnung attestierte. Der von der amerikanischen Militärregierung eingesetzte Berater für den Aufbau des Presse- und Verlagswesens und späterer Verleger der Nymphenburger Verlagsbuchhandlung, Berthold Spangenberg, begutachtete den Fall Piper positiv:
Weder Klaus noch Reinhard Piper hatten einer nationalsozialistischen Parteiorganisation angehört; das Programm des Hauses mit Schwerpunkten bei der künstlerischen Avantgarde und „entarteten“ Kunst, das Engagement für Ernst Barlach, Max Beckmann, Alfred Kubin und den „Blauen Reiter“, der Einsatz für moderne ausländische Literatur, aber auch die Programmlinie des Rückzugs ins Unverfängliche entsprachen den Kriterien des US-amerikanischen Reeducation-Programms. Infolgedessen erhielten die beiden Verleger am 4. Januar 1946 die Lizenz zur offiziellen Wiedereröffnung ihres Unternehmens.
Nach den Einschränkungen während der Jahre des „Dritten Reichs“ war das Repertoire an verwertbaren Autoren- und Publikationsrechten jedoch so erschöpft, dass eine Neuorientierung des Piperschen Verlagsprogramms dringend erforderlich war. Noch im Jahr des Wiederanfangs konnte Klaus Piper den von ihm verehrten Existenzphilosophen Karl Jaspers für den Verlag gewinnen, der in der Folge fast alle seine Schriften bei Piper publizierte.
1946 kamen auch die ersten Bände der „Piper-Bücherei“ in kartonierter und farbiger Ausstattung auf den Markt. In der Reihe erschienen unter anderem Texte von Fjodor Michailowitsch Dostojewski, Gustave Flaubert, Herman Melville, Karl Vossler und Arthur Hübscher. Die künstlerische Gestaltung übernahm Emil Preetorius, der das äußere Gesicht des Verlags in der frühen Nachkriegszeit entscheidend prägte.
Als literarische „Neuzugänge“ bereicherten Stefan Andres, Richard Friedenthal und Oda Schaefer das Programm. Populäre Autoren wie Heinrich und Alexander Spoerl waren ebenso vertreten wie der Tierschriftsteller Paul Eipper, der Soziologe Alfred Weber, Hans Egon Holthusen oder auch nach wie vor Christian Morgenstern.
Das Gesamtwerk Dostojewskis wurde neu aufgelegt und ist bis heute Teil des Programms. Die Übersetzerin E. K. Rahsin hatte dafür den Text der Erstausgabe gründlich überarbeitet. Ein außergewöhnlicher Verkaufserfolg war den Büchern Ludwig Thomas beschieden, dessen Rechte der Verlag aus dem Verlagserbe Langen-Müller erworben hatte. Ab 1950 verlegte Piper auch das Werk des Volkssängers Karl Valentin, das bis zu dessen Tod am Rosenmontag 1948 ungedruckt geblieben war.
Reinhard Pipers zweibändige Lebenserinnerungen, die 1947 und 1950 erschienen, stießen auf eine große öffentliche Resonanz. Als der Verleger am 21. Oktober 1953 starb, wurde Klaus Piper alleiniger Geschäftsführer und persönlich haftender Gesellschafter des Piper Verlags.
Die Fünfziger und Sechzigerjahre: Die Italiener kommen
„Du mußt meinen Verlag nicht wiederholen; ich hoffe, dass du ihn in meinem Sinne fortführst“, hatte der Verlagsgründer seinem Sohn mit auf den Weg gegeben. Das Wort produktiv umsetzend, erweiterte Klaus Piper in den darauf folgenden Jahrzehnten die Grundlinien des etablierten Programms um die Bereiche modernes Sachbuch (Biografie, Geschichte, Politik) und Populärwissenschaft. Unter seiner Leitung stieg der Verlag in der Nachkriegszeit zu einem der führenden deutschsprachigen Publikumsverlage auf.
Vor allem mit den preisgünstig konzipierten Buchreihen „Piper Bücherei“ (1946–1966) und „Sammlung Piper“ (1954–1967) eroberte der Verlag ein breites Lesepublikum. Das neue Medium des Taschenbuchs, das die schnelle und massenhafte Verbreitung von Literatur ermöglichte, kam dem steigenden Informationsbedarf in der Phase des Wiederaufbaus entgegen und leistete, so Klaus Piper, einen „aktiven Beitrag zur Demokratisierung der Kultur“.
Um dem anfangs noch stark von populären Lesestoffen dominierten Buchtypus sowohl inhaltlich als auch äußerlich zu einem höheren Niveau zu verhelfen, gründeten Piper und elf weitere Verlage 1960 den Deutschen Taschenbuch Verlag (dtv).
Die verlagseigene Reihe „piper paperback“, die ein Jahr später startete, bediente das mittlere Preissegment zwischen Hardcover und Taschenbuch in broschierter Form und bot anspruchsvolle Stoffe aller Themenbereiche. Hier erschien unter anderem Hannah Arendts Bericht „Eichmann in Jerusalem“ (1964), der kontroverse Diskussionen auslöste. Als ein literarisches Ereignis wurde 1956 der Gedichtband „Anrufung des Großen Bären“ der Lyrikerin Ingeborg Bachmann gefeiert. Bachmann, die auch als Erzählerin, Hörspielautorin und Essayistin hervortrat, ist die bedeutendste deutschsprachige Autorin, die für den Verlag in den Fünfzigerjahren gewonnen werden konnte.
Nachdem auch fremdsprachige Literatur wieder zugänglich geworden war, prägten vor allem italienische Autoren das Profil des Verlags. Dies gilt bis heute. 1954, im Jahr des fünfzigjährigen Verlagsjubiläums, erschien die erste Übersetzung unter dem Piperschen Logo, Mario Soldatis „Die geheimen Gründe“. Zum eigentlichen Grundstein des italienischen Literaturprogramms und zugleich zu einem der erfolgreichsten Bücher in der Verlagsgeschichte wurde 1959 „Der Leopard“, das Meisterwerk des sizilianischen Fürsten Giuseppe Tomasi di Lampedusa. (Das Jubiläumsprogramm 2004 brachte eine erweiterte Fassung und Neuübersetzung unter dem Titel „Der Gattopardo“.) Diesem „verlegerischen Glücksfall“ (Klaus Piper) folgten mit Giorgio Bassani, dessen Roman „Die Gärten der Finzi-Contini“ von Vittorio De Sica verfilmt wurde, dem Filmregisseur und Romancier Pier Paolo Pasolini, Carlo Emilio Gadda, Salvatore Quasimodo und Eugenio Montale bald weitere große Namen.
Die politische Philosophin und Publizistin Hannah Arendt wurde 1958 mit einer Studie über den ungarischen Aufstand von 1956 Autorin des Verlags. Ihr umfangreiches Werk wird im deutschsprachigen Raum seit bald fünfzig Jahren von Piper betreut. Zuletzt erschien aus dem Nachlass „Über das Böse“ (2006).
Im Bereich der Naturwissenschaften konnte der Verhaltensforscher Irenäus Eibl-Eibesfeldt gewonnen werden, der bis heute bei Piper publiziert. Sein Lehrer Konrad Lorenz war ab 1965 mit eigenen Werken im Programm präsent. Die für Piper zentrale Problematik der „deutschen Frage“ spiegelte sich in den Werken von Autoren wie Karl Jaspers, Ralf Dahrendorf, Theodor Eschenburg, Joachim C. Fest, Ernst Nolte und Kurt Sontheimer, um nur einige sehr bekannte Namen zu nennen.
Auch der Bereich Theologie wurde entwickelt; so erschienen 1966 mit großem Erfolg Heinz Zahrnts Buch „Die Sache mit Gott“ und 1974 Hans Küngs Bestseller „Christ sein“. Bis heute wird das Werk Küngs im Piper Verlag gepflegt. Nach den Standardwerken zum Christentum und Judentum erschienen seine Lebenserinnerungen „Erkämpfte Freiheit“ (2002) und „Umstrittene Wahrheit“ (2007).
Den populärwissenschaftlichen Sektor der Sechzigerjahre prägten das Autorenehepaar Alexander und Margarete Mitscherlich mit der Analyse „Die Unfähigkeit zu trauern“ ebenso wie der Physik-Nobelpreisträger Werner Heisenberg, an dessen Buch „Der Teil und das Ganze“ sich eine Fülle allgemeinverständlicher Werke zu den modernen Naturwissenschaften anschloss (Manfred Eigen / Ruthild Winkler, Jacques Monod, Ilya Prigogine, Steven Weinberg, Rudolf Kippenhahn, Harald Fritzsch).
Literarisch sorgten in diesen Jahren der Philologe, Schriftsteller und Literaturkritiker Walter Jens, der Kritiker Marcel Reich-Ranicki und die Lyrikerin Hilde Domin für neue Bücher im Verlagsprogramm.
Die Siebzigerjahre: Das Jahrzehnt des Bestsellers
1970 startete die „Serie Piper“, die Vorläuferin der gleichnamigen späteren Taschenbuchreihe, mit Werken unter anderem von Hannah Arendt, Barbara Bronnen, Robert Havemann, Aldous Huxley und Karl Jaspers. In den nächsten Jahren erschienen jeweils etwa 40 Bände. Mit seinem grandiosen Roman „Der Schakal“ stellte sich 1972 Frederick Forsyth als Meister des Politthrillers vor. Das Buch wurde ein internationaler Bestseller und einer der größten Erfolge bei Piper überhaupt: In zwei Jahren verkaufte sich die deutsche Hardcoverausgabe fast 200 000 Mal. Sowohl „Der Schakal“ als auch Forsyths zweiter Roman, „Die Akte Odessa“, wurden in Starbesetzung verfilmt. Der spektakuläre Erfolg von Lothar-Günther Buchheims „Das Boot“ (später ebenfalls ein weltweit erfolgreicher Film) bewegte sich in ähnlichen Dimensionen. Kein anderes deutschsprachiges Erzählwerk aus dem Erleben des Zweiten Weltkriegs hatte zuvor eine vergleichbare Wirkung erzielt. Der „Wirklichkeitsroman“ aus den Seeschlachten des Zweiten Weltkriegs war der exemplarische Fall eines Buches, „das geschrieben werden mußte, das viele Jahre Zeit brauchte und das, als es erschien, mit einem Schlag zum Ereignis wurde“ (aus dem „Almanach 1964–1974“).
Ab Mitte der Siebzigerjahre erweiterte das Turiner Schriftstellerduo Carlo Fruttero / Franco Lucentini den Kreis italienischer Piper-Autoren. Zugleich wurde der Bereich Musik, ein besonderes Anliegen Klaus Pipers, verstärkt ausgebaut: Die Schriften des Kritikers und Feuilletonredakteurs der „Süddeutschen Zeitung“, Joachim Kaiser, sind hier ebenso zu nennen wie die des Geigers Yehudi Menuhin und des Pianisten Alfred Brendel. Unter einer großen Zahl von Bewerbern erhielt der Verlag schließlich 1975 von der Stadt Bayreuth den Zuschlag für die Veröffentlichung der Tagebücher Cosima Wagners. Herausgeber dieses – nicht nur für das 19. Jahrhundert – einzigartigen autobiografischen Dokuments waren der Wagner-Biograf Martin Gregor-Dellin und Dietrich Mack.
Das Jahr 1979 stand im Zeichen eines Doppeljubiläums – des 75jährigen Bestehens des Piper Verlags und des 100. Geburtstags seines Gründers Reinhard Piper. Zahlreiche Würdigungen und Sonderveröffentlichungen erschienen anlässlich dieses Ereignisses in den Medien. Eine Ausstellung im Münchner Stadtmuseum dokumentierte die wechselvolle Geschichte des Verlags. Parallel zum Gründungsjubiläum feierte Piper im selben Jahr die 75jährige Geschäftsbeziehung zu seinem Hauptauslieferer, der Stuttgarter Firma Koch, Neff & Oetinger & Co. bzw. deren Stammfirma F. Volckmar in Leipzig.
Die Achtzigerjahre: Erfolg mit der „Serie Piper“
1982 trat Klaus Pipers Sohn, der promovierte Historiker Ernst Reinhard Piper (*1952), in den väterlichen Verlag ein. Als geschäftsführender Gesellschafter war er seit 1984 in der Verlagsleitung tätig. Seiner Initiative sind insbesondere die Veröffentlichungen zum Historikerstreit sowie ab Ende der Achtzigerjahre eine verstärkte Hinwendung zu jüdischen bzw. israelischen Autoren zu danken, deren Texte zum Teil erst viele Jahre nach ihrer Entstehung in Deutschland erschienen – darunter die Gedichte Jehuda Amichais, die Romane Abraham B. Jehoschuas, das Gesamtwerk des deutschen Juden Edgar Hilsenrath sowie der Lebensbericht von Ruth Elias „Die Hoffnung erhielt mich am Leben“.
Zu einem wesentlichen Anliegen Ernst Reinhard Pipers entwickelte sich schließlich die Idee, die 1970 gegründete „Serie Piper“ zu einem regulären Taschenbuchprogramm zu erweitern und über die Zweitverwertung von Hardcover-Titeln hinaus einen erheblichen Anteil an Original- und deutschen Erstausgaben im Taschenbuch zu verlegen. Da ein solches Projekt dem Gesellschaftervertrag des Deutschen Taschenbuch Verlags widersprach, schied der Verlag zum 1. Januar 1983 als dtv-Gesellschafter aus und unternahm es stattdessen, „im eigenen Haus die Substanzen des Verlagsprogramms durch das zeitgemäße Vehikel des Taschenbuchs auf dem Buchmarkt [–] durchzusetzen“ (aus dem „Piper Almanach zum 80. Jahr“).
Erste Erfolge dieser weitreichenden Neuerung zeigten sich bereits in den Achtzigerjahren mit dem Bestseller „Frieden ist möglich“ des Fernsehjournalisten Franz Alt. Analog zu der ständigen Erweiterung der Themenbereiche sah sich der Verlag jedoch zugleich mit dem Problem der Profilbildung konfrontiert, das schließlich 1995 eine komplette Neustrukturierung der „Serie Piper“ erforderlich machen sollte. Heute ist das Taschenbuch aus dem Erscheinungsbild des Piper Verlags ebenso wenig wegzudenken wie aus dem Buchhandel insgesamt. Der Anteil der Taschenbücher am Gesamtumsatz des Unternehmens beträgt über 50 Prozent.
Im Hardcover wandte man sich Anfang des Jahrzehnts wieder stärker der deutschsprachigen Literatur zu und verpflichtete Autoren wie Sten Nadolny, Hanns-Josef Ortheil, Monika Helfer, Michael Köhlmeier und Gabriele Wohmann. Besonders erfolgreiche und wichtige Titel waren Nadolnys „Die Entdeckung der Langsamkeit“ und Anna Wimschneiders Lebenserinnerungen „Herbstmilch“, die von Josef Vilsmaier verfilmt wurden. Zum Kultbuch wurde Paul Watzlawicks „Anleitung zum Unglücklichsein“, das 1983 erschien und inzwischen ein Millionenerfolg ist. Schon 1978 war Watzlawicks „Gebrauchsanweisung für Amerika“ entstanden, der Pilotband für die erfolgreiche „Gebrauchsanweisungen“-Reihe. Seither erscheinen jährlich neue Titel, in denen namhafte Autoren unkonventionelle Porträts von Ländern, Regionen und Städten bieten, so zum Beispiel Paul Ingendaay mit der „Gebrauchsanweisung für Spanien“, Kai Strittmatter mit der „Gebrauchsanweisung für China“, Birgit Vanderbeke mit der „Gebrauchsanweisung für Südfrankreich“ und Bruno Jonas mit der „Gebrauchsanweisung für Bayern“.
Das ausländische Literaturprogramm erhielt 1983 durch den Roman „Mitternachtskinder“ des in London lebenden Inders Salman Rushdie einen entscheidenden Akzent. Den zweiten Schwerpunkt bildete ab 1986 die deutsche Ausgabe von Alexander Solschenizyns Romanzyklus, dem Revolutionsepos „Das Rote Rad“. Das Werk des französischen Autors Claude Simon, seit 1959 Piper-Autor, wurde 1985 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Vier Jahre später, 1989, erhielt mit Camilo José Cela gleichfalls ein Piper-Autor diese höchste literarische Ehrung.
Einen Höhepunkt im Sachbuch markierte 1982 Karl R. Poppers und John C. Eccles‘ Buch „Das Ich und sein Gehirn“, das 16 Auflagen erreichte. Von beiden Autoren erschienen zahlreiche weitere Titel. Das Musikprogramm jener Jahre wurde dominiert von der Arbeit an einem in der Verlagsgeschichte beispiellosen Großprojekt: „Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters“. Bereits 1976 hatte die Arbeit an diesem einzigartigen Nachschlagewerk begonnen, das zwischen 1986 und 1997 in sieben Bänden erschien und in beinahe 2500 Artikeln alle Sparten des Musiktheaters umfasst. Die „Enzyklopädie“ wurde zur begeistert aufgenommenen Weltnovität.
Ebenfalls in den Achtzigerjahren entstand die inzwischen eingestellte „Serie Musik Piper – Schott“, in der viele Piper-Hardcover-Titel als Taschenbücher erschienen, unter anderem von den noch heute im Programm präsenten Autoren Volkmar Braunbehrens, Alfred Brendel, Hans Heinrich Eggebrecht, Glenn Gould, Gidon Kremer, Joachim Kaiser, Yehudi Menuhin und Michael Stegemann.
Seit Ende des Jahrzehnts veröffentlicht der Piper Verlag auch Bücher zur Unternehmensgeschichte. Firmen, die für die Geschichte der deutschen Wirtschaft entscheidend waren und sind, werden porträtiert. Beispiele hierfür sind unter anderem Hochtief, die Deutsche Bank, Porsche, Südchemie, DWS und Siemens, aber auch die Flughafen München GmbH und BMW.
Die Neunzigerjahre und der Start ins neue Jahrtausend
„Verlage überdauern selten ein Jahrhundert.“ Tatsächlich hätte sich diese skeptische Prognose des Verlagsgründers Reinhard Piper hinsichtlich der Überlebenschancen seines Unternehmens um ein Haar erfüllt. Schon Jahre vor der großen Konzentrationswelle im deutschen Buchhandel hatte Klaus Piper erkannt, dass der Verlag in der bestehenden Form nicht mehr lange wettbewerbsfähig sein würde: Zwar waren zu Beginn der Neunzigerjahre die Programme stetig ausgebaut worden, größere Erfolge blieben jedoch aus. Auf der Suche nach einem starken Partner entschied sich Klaus Piper schließlich für die schwedische Bonnier-Gruppe – in der sechsten Generation in Besitz der gleichnamigen Verlegerfamilie –, in deren Eigentum der Verlag zum 1. Januar 1995 überging. Auf dieser Basis „überdauerte“ der Verlag nicht nur die sich zuspitzende krisenhafte Entwicklung der Branche im letzten Jahrzehnt, sondern blickt heute überaus optimistisch in die Zukunft.
Zu Beginn der neuen Ära wurde eine neue Geschäftsleitung bestellt, der der gebürtige Berliner Viktor Niemann (*1940) als Verleger vorstand. Nach einem Volontariat im grafischen Gewerbe und einer Verlagslehre bei Rowohlt war Niemann dort Mitglied der Geschäftsleitung, bevor er die Verlagsleitung bei Ullstein/Propyläen, dann bei Carlsen – ebenfalls einem Mitglied der Bonnier-Gruppe – und schließlich bei Piper übernahm.Mit einer neuen Programmpolitik versuchte man, so Viktor Niemann, „den Geist des Hauses zu bewahren“ und gleichzeitig den Erfordernissen des sich wandelnden Marktes gerecht zu werden. Nach der erfolgreichen Sanierung des Verlags wurden 1996 der Malik Verlag und 1997 der Kabel Verlag erworben, um dem Programm auch im Hinblick auf die Serie Piper mehr Breite zu geben.
Das Hardcover-Programm von Piper – optischen Modernisierungen unterzogen, aber inhaltlich in den klassischen Segmenten fortgeführt – gliedert sich nach wie vor in Sachbuch und Belletristik. Das Sachbuch umfasst die Bereiche Naturwissenschaften, Politik, Geschichte, Zeitgeschichte, Theologie, Philosophie, Gesundheit/Lebenshilfe, Musik und konnte unter anderem mit dem „Schwarzbuch des Kommunismus“ 1998 einen spektakulären Erfolg verbuchen.
Eine öffentliche Debatte vergleichbaren Ausmaßes löste das Buch „Die Holocaust-Industrie“ des amerikanischen Politologen Norman G. Finkelstein aus, das 2001 weit oben auf den Bestsellerlisten stand. Brigitte Hamanns Bücher „Hitlers Wien“ und „Winifred Wagner oder Hitlers Bayreuth“ reüssierten als Bestseller und wurden von Presse und Fachwelt hoch gelobt. Mit dem „Denktagebuch 1950 – 1973“ von Hannah Arendt erschien 2002 eine bedeutende Nachlassedition der großen Piper-Autorin.
Wichtige Sachbuchautoren des Piper-Programms sind bis heute neben den bereits Genannten Ayaan Hirsi Ali, Peter J. D‘Adamo, Albrecht Beutelspacher, Richard P. Feynman, Harald Fritzsch, Gilles Kepel, Rudolf Kippenhahn, Walter Krämer, Hans Küng, Remo H. Largo, Robert Levine, Sybil Gräfin Schönfeldt, Gabor Steingart, Emmanuel Todd und Robert L. Wolke. Neu hinzu kamen jüngst zum Beispiel Thea Dorn, Hanns Hatt, Garri Kasparow, Gerd Kempermann, Harald Lesch, Friedrich Merz, Ralf Georg Reuth, Christian Schüle, Gesine Schwan, Ian Stewart, Metin Tolan, Konstantin Wecker, Alan Weisman, Wendelin Wiedeking und Ulrich Wickert. „Lesen heißt doppelt leben“, die Erinnerungen des am 25. März 2000 im Alter von 88 Jahren verstorbenen Klaus Piper konnten leider erst postum veröffentlicht werden.
Ausgelöst durch den fesselnden Reisebericht „In eisige Höhen“ von Jon Krakauer bei Malik, der über ein Jahr lang die Bestsellerlisten anführte, etablierte sich der Malik Verlag als Marke für dieses Genre und bietet seitdem mit Spitzenautoren wie Bruno Baumann, Hermann Buhl, Kurt Diemberger, Stefan Glowacz, Alexander Huber, Hans Kammerlander, Hape Kerkeling, Reinhold Messner, Rüdiger Nehberg, Bertrand Piccard, Joe Simpson, Wilfried Thesiger, Ilija Trojanow sowie Nicolas Vanier eine einzigartige Programmischung aus Abenteuer, Reiseerfahrung und Literatur.
In der Belletristik war und ist Piper der klassische Publikumsverlag mit Autoren wie Madeleine Bourdouxhe, Arne Dahl, Dai Sijie, Jes√∫s D√≠az, Kerstin Ekman, Karin Fossum, Fruttero/Lucentini, Gaby Hauptmann, Anne Holt, A. B. Jehoschua, Radek Knapp, Fran√ßois Lelord, Walter Moers, Manuel Vázquez Montalbán, Rick Moody, Sten Nadolny, Ann Patchett, Annette Pehnt, Pierre Péju, Julia Schoch, Anita Shreve, Maarten ‘t Hart und Daniel Silva. Weiterhin wurde mit Werken von Alessandro Baricco, Andrea Camilleri, Simonetta Agnello Hornby, Rosetta Loy und Dacia Maraini stark auf die Tradition italienischer Literatur gesetzt. Als sensationelle Wiederentdeckung wurde das in den Vierzigerjahren entstandene Werk des ungarischen Romanciers Sándor Márai (1900 – 1989) von Kritik und Leserschaft gleichermaßen stürmisch gefeiert. Seit dem 1999 in neuer Übersetzung erschienenen Roman „Die Glut“ wurden inzwischen 16 Bücher verlegt; weitere sind in Vorbereitung.
Kabel bot populäre Unterhaltung vor allem für Leserinnen von Autoren wie Sergio Bambaren, Marika Cobbold, Susanna Kearsley, Judith Lennox, Valerio M. Manfredi, Jodi Picoult und Velma Wallis. Ab 2004 verschob sich der Schwerpunkt: Die belletristischen Autoren wurden der Dachmarke Piper zugeführt. Seit 2006 wird auch das Sachbuch des Kabel-Programms in das Piper-Programm integriert.
Nach dem Erwerb des Thienemann Verlags durch Bonnier übernahm Piper die Fantasy aus der zum Stuttgarter Haus gehörenden Edition Weitbrecht und pflegt sie erfolgreich sowohl im Hardcover als auch im Taschenbuch. Zu so renommierten Autoren wie Wolfgang Hohlbein, Monika Felten und Sara Douglass treten seit Ende 2003 Genregrößen wie Robert Jordan, Terry Pratchett, Stan Nicholls und Ursula K. Le Guin. Denn nach dem Kauf der Ullstein-Gruppe durch Bonnier Ende 2003 fand ein Teil der Heyne-Fantasy bei Piper eine neue Heimat. Seitdem wächst das Programm stetig und avancierte mit Bestsellerautoren wie Markus Heitz, Ralf Isau, Michael Peinkofer und Karl-Heinz Witzko zu den erfolgreichsten deutschen Fantasy-Reihen.
Der völlige Neuauftritt der „Serie Piper“ im Herbst 1995 in moderner und ansprechender Ausstattung, die mit dem Markenexperten Peter Wippermann erarbeitet wurde, war der Grundstein zu einer seltenen Erfolgsgeschichte: Der Jahresumsatz der Taschenbücher verdreifachte sich bis 2009. Dazu beigetragen haben unter anderem die überragenden Erfolge der Romane von Gaby Hauptmann, die als Taschenbuch-Originalausgaben erscheinen. Mittlerweile werden monatlich etwa 25 neue Taschenbücher veröffentlicht, davon 60 Prozent aus den Hardcover-Programmen des Hauses. Dank der zahlreichen Bestseller und einer klugen Einkaufspolitik stieg die „Serie Piper“ im Ranking der deutschen Taschenbuchverlage bis auf den siebten Platz. Seit Frühjahr 2003 rundete die Reihe „Piper Boulevard“ als weitere erfolgreiche Form der Verwertung von Rechten, aber auch mit Originalpublikationen das Taschenbuchprogramm ab.
Seit 2000 erschienen außerdem hochrangige Krimi-Autoren und junge literarische Stimmen als Erstausgaben in einer attraktiv ausgestatteten Klappenbroschur zu einem besonders leserfreundlichen Preis. Unter dem Namen „Piper Original“ präsentierte diese Reihe Autoren wie Anne Chaplet, Till Raether, Heinrich Steinfest, Sujata Massey und Astrid Paprotta. Durch den erfolgreichen Relaunch des Taschenbuchs, verbunden mit den Erfolgen der Hardcover-Verlage PIPER und MALIK, wurde die Position des Verlags auf dem Buchmarkt deutlich gestärkt. Für diese Leistungen erhielt Viktor Niemann von der Zeitschrift „BuchMarkt“ die Auszeichnung „Verleger des Jahres 1998“. Für ihn ist Piper: „Modern, ein Forum für Meinungen, für Menschen, die schreiben wollen und können. Das zu entwickeln schafft allein auf Dauer eine Stabilität von innen heraus, die in Jahren hilft, in denen es mal nicht bergauf geht, oder mit der man Einbrüche abfangen kann. Größe allein heißt für mich gar nichts, ist auch kein Ziel für mich. Es lebt sich gut mit Erfolg, aber wenn man über Jahre solide arbeiten will, dann braucht man Stabilität.“
Das Verlagsjubiläum und der Millionenerfolg
Im Piper-Rekordjahr 2003, das Piper unter anderem den überragenden Bestsellern des amerikanischen Publizisten und Dokumentarfilmers Michael Moore zu verdanken hat, übergab Viktor Niemann die verlegerische Leitung des Verlags an Wolfgang Ferchl (*1955). Der promovierte Literaturwissenschaftler kam aus Frankfurt, wo er zuletzt die Verantwortung für die verlegerischen Aktivitäten der Eichborn AG trug. Viktor Niemann blieb bis Ende 2006 Geschäftsführer der Bonnier Media Holding Deutschland und Verleger der Ullstein Buchverlage, die 2003 von Bonnier erworben wurden.
Wolfgang Ferchl, dem Autoren wie Walter Moers und Thommie Bayer gefolgt sind, blieb mit dem nahezu unveränderten Verlagsteam den großen programmatischen Linien des Hauses treu und sah die bunte Mischung des großen Publikumsverlags als Chance – vor allem aufgrund der Stärke der 100 Jahre alten Marke Piper: „Es liegt in der Tradition des Hauses, fortschrittlich zu sein. Aber diesen Fortschritt verdanken wir nicht zuletzt unserer großen Tradition.“Die Jahre seit dem Verlagsjubiläum 2004 sind geprägt von großen Erfolgen in allen Programmbereichen. Als Beispiele sind für die Belletristik zu nennen: die anhaltend erfolgreichen Romane von Gaby Hauptmann in der „Serie Piper“ und in der erweiterten Taschenbuchreihe „Piper Boulevard“, die Bücher von Jakob Hein, Walter Moers, Maarten ¬¥t Hart, Annette Pehnt, die Allgäu-Krimis von Volker Klüpfel und Michael Kobr, die Skandinavien-Krimis von Karin Fossum, Anne Holt und Arne Dahl, die inzwischen mit anderen nordeuropäischen Autoren wie Hjalmar Söderberg in der 2006 gegründeten Reihe „Nordiska“ erscheinen, in der Fantasy die Bücher von Markus Heitz und Michael Peinkofer.
Eine Besonderheit sind die erzählenden Bücher des Psychologen Fran√ßois Lelord, die seit Erscheinen auf den Bestsellerlisten platziert sind. Im Sachbuchprogramm stehen Autoren wie Ayaan Hirsi Ali, Gabor Steingart und Hans Küng für viel diskutierte Erfolge.In den beiden Hannah-Arendt-Gedenkjahren 2005 und 2006 stieß das Gesamtwerk der großen Denkerin auf erhöhtes Interesse. Dies gilt auch für das Buch von Kurt Sontheimer über Hannah Arendt sowie für die Doppelbiografie „Hannah Arendt und Martin Heidegger“ von Antonia Grunenberg.
Eine für den Verlag ungewöhnliche multimediale Reihe wurde 2006 mit „Die Deutschen“ begonnen. Jeweils ein wichtiger Abschnitt der neueren deutschen Geschichte wird im stark bebilderten Buch und durch DVDs mit weitgehend unbekanntem Filmmaterial aus der Zeit vorgestellt. Das Jahr 2006 stellte das Jahr 2003 in den Schatten und wurde wiederum zu einem neuen Rekordjahr – vor allem dank des Millionenerfolgs von Hape Kerkelings Reisebericht „Ich bin dann mal weg“. Die deutschen Buchhändler wählten Kerkeling zum „Autor des Jahres 2006“, seinen Titel zum „Buch des Jahres 2006“.
Die schöne Gegenwart
Im Jahr 2007 übertraf Kerkelings Buch sogar noch die Verkaufszahlen aus dem Vorjahr, näherte sich der Drei-Millionen-Marke und belegte für 60 Wochen Platz 1 der Sachbuch-Bestsellerliste. Doch mit Walter Moers‘ „Der Schrecksenmeister“ und erfolgreichen Neuerscheinungen unter anderem von Sergio Bambaren, Arne Dahl, Jennifer Donnelly, Maarten `t Hart, Jakob Hein, Wolfgang Hohlbein, Anne Holt, Judith Lennox, Michael Peinkofer, Tilman Röhrig und Anita Shreve konnte der Verlag in der Belletristik reüssieren. Im Sachbuch waren neben anderen Anne Ameri-Siemens, Hans Küng, Remo H. Largo, Konstantin Wecker, Alan Weisman oder Ulrich Wickert erfolgreich, bei Malik der Extrembergsteiger Alexander Huber. Im Taschenbuch ragten in diesem Jahr die Titel von Gaby Hauptmann, Anne Holt, Klüpfel & Kobr, Fran√ßois Lelord, Judith Lennox, Walter Moers und Jodi Picoult heraus, dazu das Lesebuch „Denkanstöße 2008“. Und immer wieder findet sich Paul Watzlawicks „Anleitung zum Unglücklichsein“ (erschienen 1983) auf den vorderen Plätzen.
Das folgende Jahr sieht Kerkelings „Ich bin dann mal weg“ noch immer mit an der Spitze der Rangliste, daneben als erfolgreiche Neuerscheinungen „Laienspiel“ von Klüpfel & Kobr, „Schicksal der Zwerge“ von Markus Heitz und Titel von Jakob Hein, Anne Holt, Fran√ßois Lelord, Judith Lennox, Sándor Márai, Michael Peinkofer, Jodi Picoult, Heinrich Steinfest oder Ulrich Wickert in der Belletristik. Im Sachbuch können sich neben anderen durchsetzen: „Mehr Kapitalismus wagen“ von Friedrich Merz, „Yes we can“ von Michael Moore, „Hitlers Edeljude“ von Brigitte Hamann und Titel von Gunter Frank, Harald Lesch/Harald Zaun, Thomas Roth, Metin Tolan/Joachim Stolze. Bei Malik sind „Gipfel des Verbrechens“ von Michael Kodas, Rüdiger Barth mit „Endlich weg“ zu nennen, außerdem der anhaltende Erfolg von Favell Lee Mortimer/Todd Pruzan „Die scheußlichsten Länder der Welt“. Das Taschenbuch erreichte besonders gute Ergebnisse mit Titeln von Jennifer Donnelly, Klüpfel & Kobr, Jon Krakauer, Remo H. Largo, Fran√ßois Lelord, Judith Lennox, Stephenie Meyer, Walter Moers Jodi Picoult, oder Ulrich Wickert.
2008 brachte eine Reihe von Veränderungen für die Piper Verlage: Im Frühsommer wurde der Erwerb von Pendo/Fahrenheit und die Kooperation mit dem Westend Verlag (Frankfurt) bekannt gegeben, im Oktober die Übernahme der beiden Reihen „National Geographic“ und „On Tour“ von Frederking & Thaler.
Der Pendo Verlag wurde 1971 in Zürich von Gladys Weigner und Bernhard Moosbrugger gegründet – als Forum für kulturelle Verständigung. Wichtige Autoren waren u.a. Dom Helder Camara („Stimmen der stummen Welt“ u.a.), Peter Noll („Diktate über Sterben und Tod“) und Robert Lax (Gesamtwerk). 1998 übernahm der frühere Piper-Verleger Ernst Reinhard Piper den Pendo Verlag und hatte u.a. mit „Im Himmel warten Bäume auf dich“ von Michael Schophaus einen großen Erfolg. Ab 2001 gehört Pendo zum Eichborn Verlag, im Oktober 2004 übernimmt und leitet ihn Christian Strasser, vorher Chef der Gruppe Ullstein Heyne List. Im November 2006 wird Doris Janhsen Mitverlegerin. In dieser Zeit werden u.a. „Einfach die Welt verändern“, „Das Eva-Prinzip“ von Eva Herman und „Mein Iran“ der iranischen Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi zu Bestsellern. Doris Janhsen bleibt, als der Pendo Verlag mit Fahrenheit zum 1. Juli 2008 von Piper übernommen wird. Zuletzt waren sehr erfolgreich „Nina Schenk Gräfin von Stauffenberg“ von Konstanze von Schulthess und „Der letzte Zeuge“ von Rochus Misch.Der Westend Verlag wurde 2004 von Markus J. Karsten gegründet. Mit der erfolgreichen Reihe „50 einfache Dinge–“ leistet Westend verständliche Wissensvermittlung. Ein weiterer Schwerpunkt ist das dezidiert linke Sachbuch. Die Kooperation mit Piper umfasst die Bereiche Herstellung, Marketing und Vertrieb.
Um sich auf die Publikation von Bildbänden konzentrieren zu können, hat der Verlag Frederking & Thaler zwei Reihen an den Piper Verlag übergeben. Die weltweit größte Abenteuer-Taschenbuchreihe „National Geographic“ war 2003 von Random House zum Gründerverlag zurückgekehrt. Nun werden National Geographic Deutschland und Piper/Malik diese Reihe weiter ausbauen. Aus „Frederking & Thaler on Tour“ ist inzwischen „Malik on Tour“ geworden. Im Dezember 2008 teilte der Piper Verlag der Öffentlichkeit mit, dass Verleger Wolfgang Ferchl nach fünfeinhalb Jahren den Verlag verlassen werde. Hartmut Jedicke, der Nachfolger Viktor Niemanns als Geschäftsführer der Bonnier Media Holding Deutschland, wies dabei ausdrücklich auf die sehr erfolgreiche Arbeit Wolfgang Ferchls in dieser Zeit hin. Dessen Nachfolger als Piper-Verleger wird Marcel Hartges. Er hat am 1. April 2009 seine „verlegerische Arbeit bei Piper“ aufgenommen.
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