12/05/2010von 447 Views – 0 Kommentare

Delecroix, Vincent: Der Schuh auf dem Dach

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Erschienen 2010 bei List
Aus dem Französischen von Patricia Klobusiczky
Originalausgabe: „La chaussure sur le toit“, 2007
Inhalt:

Ein Schuh liegt einsam und allein auf einem Dach in Paris. Die Bewohner des Hauses gegenüber inspiriert er auf jeweils ganz verschiedene Weise. Dieser philosophische Roman, der in Frankreich monatelang auf der Bestsellerliste stand, erzählt voller Poesie vom Zauber des Erzählens und davon, dass es im Leben stets viele Blickwinkel gibt. (Pressetext)

Kurzkritik:

Also für mich geht es in diesen Geschichten darum, warum jemand einen Schuh aus dem Fenster wirft (oder sonstwie auf einem Dach hinterlässt), und nicht um die Fantasien: Wie kam der Schuh aufs Dach?

Delecriox erzählt uns seine Fantasien nun nett und eingänglich, aber nicht besonders raffiniert. Meist sind das Zustandsbeschreibungen, selten entwickelt sich etwas, es gibt wenig Überraschungen und auch keine Schlusspointen.

Was an diesen Erzählungen humorvoll und poetisch sein soll, hat sich mir nicht erschlossen.

Werner gibt  ★★½☆☆  (2,5 von 5 Eselsohren)

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Besprechung:

– tut Wahrheit kund?

Nein, es freut mich nicht, wenn mir ein Buch nicht so besonders gefällt, das allüberall hochgelobt wird. Was soll ich machen: Vielleicht habe ich „Der Schuh auf dem Dach“ zum falschen Zeitpunkt gelesen.

Oder ich war nicht aufmerksam genug. Denn in der Ankündigung steht doch, dass ein Schuh einsam und allein auf einem Dach in Paris liegt und dass er die BewohnerInnen des Hauses gegenüber er auf jeweils ganz verschiedene Weise inspiriert. Diese Idee fand ich reizvoll. Mir kam aber vor, dass Delecroix von verschiedenen Schuhen auf verschiedenen Dächern schreibt.

Ein Engel?

Was ja an sich nichts ausmacht (– auch wenn ich die Beschränkung spannender gefunden hätte). Aber die neun Geschichten haben mich, bis auf die ersten drei, nicht wirklich interessiert. In „Kindermund tut Wahrheit kund?“ glaubt ein kleines Mädchen, das nicht schlafen kann, dass ein Engel den Schuh verloren hätte, der da in der Dachrinne des Hauses vis-à-vis liegt. Und erzählt das ihrem hundemüden Vater, den sie dafür extra um drei Uhr in der Nacht aufgeweckt hat.

In „Rachlust“ schleicht sich ein von seiner Frau verlassener Mann in ihre Wohnung ein und wirft den Schuh ihres Freundes aus dem Fenster. Er landet in der Dachrinne vis-à-vis. In „Lied der Sehnsucht“ gehört der Schuh einem abgeschobenen illegalen Einwanderer und erinnert seine Freundin an ihn.

Ein Fernseh-Moderator?

Bis hierher war ich noch recht angetan von den Erzählungen. In „Warum ich verschwunden bin“ bringt sich ein Fernseh-Moderator um, nicht ohne vorher seine Schuhe aus dem Fenster zu werfen. Diese Geschichte war mir ein wenig zu krampfhaft mit etlichen Anmerkungen zu philosophischen Büchern angereichert (Delecroix unterrichtet Philosophie).

Etwas seltsam, weil für mich unglaubwürdig mutete mich „Das tragische Element“ an, wo sich ein Kleinkrimineller auf dem Dach vor der Polizei versteckt (und sein Schuh liegt in der Dachrinne). Auch die Liebesgeschichte „Das Märchensyndrom” kam mir etwas zu konstruiert vor. „Ein sturer Hund“ schleppt einen Schuh aufs Dach gegenüber, welchen sein Herrchen nach ihm geworfen hat (– dieses ist ein Schriftsteller, der sich wegen eines Buches mit seiner Freundin auseinandergelebt hat, und der Hund wollte ihm einen Gefallen tun und hat das Buch zerbissen).

Ein Selbstmörder?

In „Erste Hilfe“ versucht eine alte Frau vergeblich zu erreichen, dass irgendjemand (u.a. die Feuerwehr) den sie störenden Schuh vom Dach vis-à-vis entfernt. In „Das ästhetische Element“ inspiriert dieser oder ein anderer Schuh einen bildenden Künstler. Und im Epilog rutscht ein Selbstmörder vom Dach, der zuvor dort seine Schuhe abgestellt hat.

Also für mich geht es in diesen Geschichten darum, warum jemand einen Schuh aus dem Fenster wirft (oder sonstwie auf einem Dach hinterlässt), und nicht um die Fantasien: Wie kam der Schuh aufs Dach?

Etwas Negatives?

Delecriox erzählt uns seine Fantasien nun nett und eingänglich, aber nicht besonders raffiniert. Meist sind das Zustandsbeschreibungen, selten entwickelt sich etwas, es gibt wenig Überraschungen und auch keine Schlusspointen. Außerdem strahlen viele Figuren für mich etwas Negatives aus, ihr Streben ist oder war zumeist vergeblich, ihr Scheitern scheint vorherbestimmt zu sein.

Das tut es bei vielen anderen von mir geschätzten Werken zwar auch. Aber was daran bei Delecroix „humorvoll und poetisch“ sein soll – wie es in „Lire“ stand –, hat sich mir nicht erschlossen.

Von Werner Schuster

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