03/02/2013von 483 Views – 0 Kommentare

Mensch, warum widersprechen Sie mir nicht?

Meinungs-Esel

Ich habe mir auch schwer getan. – Eine persönliche Medienschau zu den Rezensionen von Michael Köhlmeiers neuem Roman „Die Abenteuer des Joel Spazierer“.

Ich habe mir auch schwer getan mit meiner Rezension von Köhlmeiers neuem Buch. Weil es schwierig ist, über etwas zu schreiben, das einem zwar gut gefallen hat, gegen das man aber doch ein paar Einwände hat. Oft werden Verrisse draus – oder nichts sagende Besprechungen.

Und ich habe viele nichts sagende Besprechungen über dieses Buch gelesen. Die meisten begnügen sich damit, den Inhalt wiederzugeben. Da hat man bei diesem Buch viel zu tun und ehe man sich‘s versieht, ist der für die Buchbesprechung vorgesehene Platz auch schon voll.

Ich hatte allerdings auch den Eindruck, als sei Köhlmeier in Österreich sakrosankt, als hätte man sich darauf geeinigt, ihn einfach großartig zu finden. (In der Schweiz nicht: Andreas Breitenstein von der NZZ hat die Figur des Spazierer einfach nicht interessiert und er zeigt sich ermüdet, erschlagen von Details, einer unglaubwürdigen Perspektive und additiver Handlung.)

Und dann habe ich ein paar Rezensenten gelesen, denen es wie mir gegangen ist („schon gut, aber …“), deren Schlussfolgerungen ich aber nicht verstehe.

Was soll das heißen: „Zwischen den zahlreichen Beweisstücken muss man sich allerdings fragen, ob nicht der Autor (…) vor allem als vorbildlicher Imitator eines wirklich großen Romanciers erscheinen will.“ (David Axmann in der Wiener Zeitung)

Oder das: „Fehlt diesem Roman etwas zum ganz großen Wurf? Vielleicht die hundert Seiten, die er bei aller Verzweigungslust in Träume und Kochrezepte zu viel hat. Vielleicht die existenzielle Glaubwürdigkeit: Das „Anything Goes“ des Abenteuerreigens beglaubigt eine Fabulierfreude, die sich letztlich selbst genügt. (…) Es ist nichts anderes also als die Geburt der Erzählung aus dem Geist der Willkür.“ (Daniela Strigl im Falter)

Ich habe mir, wie gesagt, ebenfalls schwer getan und – jetzt kann ich‘s ja zugeben – ich war kurz davor, meine kritischen Anmerkungen aus meiner Besprechung rauszustreichen, weil es mir nicht und nicht gelang, sie zu begründen. Also beinahe wäre bei den Eselsohren so eine wohlwollende Inhaltsangabe erschienen wie in der Presse (die dort ist sogar noch länger: Karl-Markus Gauß hat eine ganze Seite zur Verfügung gehabt).

Aber dann hab ich mich bei der Nase genommen und auf mich eingeredet: Für eine Inhaltsangabe kommen die Leute doch nicht zu den Eselsohren und es ist auch dem Autor gegenüber unfair, ihn gewissermaßen nicht ernst zu nehmen und ihn wie ein Kind lieber zu viel zu loben, – also streng dich an!

Und so habe ich doch noch versucht, zu erklären, was mir an einem Buch, das ich gern gelesen habe, nicht gefallen hat. Interessanterweise habe ich – wie bei einem Schulreferat und wie Axmann und Strigl – die Inhaltsangabe stehen lassen und erst am Schluss meine Ansichten hinzugefügt.

Und jetzt hätte ich diese Ansichten anhand der Anmerkungen anderer gerne überprüft. Aber ich finde gewissermaßen niemanden, der mit mir über Köhlmeiers „Spazierer“ diskutiert. Wie Büchners Leonce rufe ich: „Mensch, warum widersprechen Sie mir nicht?“. Und damit meine ich nicht, „Die Abenteuer des Joel Spazierer“ für den Deutschen Buchpreis zu empfehlen (wie Alexander Solloch auf ndr.de), ohne dies auch nur ansatzweise zu begründen.

Werner Schuster

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Literaturmagazin Eselsohren – 

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