21/01/2013von 1.902 Views – 0 Kommentare

Homer: Ilias

Epos
Taschenbuch
519 Seiten
Erschienen 2012 bei Insel
In Prosa übertragen von Karl Ferdinand Lempp
Herausgegeben von Michael Schroeder
Entstanden zwischen dem 13./12. und 7. Jahrhundert v. Chr.

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Inhalt:

Die „Ilias“ erzählt vom über zwanzig Jahre währenden Trojanischen Krieg. Der Kampf der Archäer gegen Troja, die Abenteuer des Achill und der Zorn der olympischen Götter gehören zu den Höhepunkten der Weltliteratur. Wie die „Odyssee“ kann auch die gewaltige und schillernde „Ilias“ in dieser modernen Prosafassung als das gelesen werden, was sie wirklich ist: ein fesselnder Roman. (Pressetext)

Kurzkritik:

Endlich ohne Hexameter! Lempps Prosa-Übertragung der „Ilias“ habe ich an zwei Abenden „ausgelesen“, während ich über viele Jahre hinweg an der Voß-Übersetzungen gescheitert bin.

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Besprechung:

Endlich ohne Hexameter!

Lempps Prosa-Übertragung der „Ilias“ habe ich an zwei Abenden „ausgelesen“, während ich über viele Jahre hinweg an der Voß-Übersetzungen gescheitert bin.

Mir ist es wie Karl Ferdinand Lempps Studenten ergangen. Die „taten sich mit der Aufnahme der Homerischen Dichtung schwer. Die Spontaneität, mit der sie mir folgten, erlahmte spätestens dann, wenn sie zu Johann Heinrich Voß griffen.“ Lempp machte sich daran, „einem breiten Leserpublikum aller Altersstufen, vom höheren Schulalter aufwärts, eine gut lesbare Prosaübertragung vorzulegen.“

Gescheitert

Wie Lempp selbst wundere ich mich, dass niemand vor ihm auf den Gedanken gekommen ist. Denn ich bin über viele Jahre hinweg an den Voßschen Übersetzungen sowohl der „Odyssee“ als auch der „Ilias“ gescheitert – und Lempps Prosa-Übertragung der „Ilias“ habe ich an zwei Abenden „ausgelesen“.

Ich bin ja überhaupt der Ansicht, dass die deutsche Sprache und der Hexameter nicht so recht zusammenpassen. Von einigen Geniestreichen abgesehen, wirken deutsche Hexameter auf mich nicht viel mehr als bemüht und sind auch oft schwer verständlich.

Die Kunst des Streckens

Und wie der Herausgeber der Lemppschen Übertragung, Michael Schroeder, anmerkt, „verhinderte die Bindung der Voßschen Übersetzung an die Versform eine Vorstellung von der klaren Sprache Homers. Darüber hinaus entspricht der deutsche Hexameter nicht dem griechischen Hexameter. Das alte Griechisch des Epos hat eine große Zahl von sehr langen Wörtern, die im Deutschen viel kürzer ausfallen. Die wörtliche Übersetzung eines griechischen Verses verfügt daher in der Regel nicht über ausreichend Text. Folge davon ist, dass alle deutschen Übersetzer sich geradezu in einer ,Kunst des Streckens‘ ergehen. Das wiederum geht auf Kosten er Homerischen Sprache.“

Nehmen wir den Beginn als Beispiel:

Voß:

Singe den Zorn, o Göttin, des Peleiaden Achilleus,
Ihn, der entbrannt den Achaiern unnennbaren Jammer erregte,
Und viel tapfere Seelen der Heldensöhne zum Aïs
Sendete, aber sie selbst zum Raub darstellte den Hunden,
Und dem Gevögel umher. So ward Zeus Wille vollendet:
Seit dem Tag, als erst durch bitteren Zank sich entzweiten
Atreus Sohn, der Herrscher des Volks, und der edle Achilleus.

Lempp:

Vom Zorn singe, Göttin, und von den unheilvollen Geschehnissen, die mit der Kränkung des Achilleus durch Agamemnon begannen. (Möge mich meine Kunst, das alles aufzuschreiben, dabei nicht im Stiche lassen, und mögen mir die Götter mein Vorhaben segnen! Es ist kaum möglich, das ganze Elend zu schildern, das in jener Spätphase des Krieges über die Achaier hereinbrach.) Ungezählte Leiber wurden im Schiffslager und auf den anderen Kampflätzen Vögeln und Hunden zum Fraß. (Es ist kaum möglich, das ganze Elend zu schildern, das in jener Spätphase des Krieges über die Achaier hereinbrach.) Das Schlimmste nahm seinen Lauf, als sich der berühmte Achilleus und der Heerführer Agamemnon, ein Sohn des Atreus, entzweiten.

Durch den Hals

Und abgesehen davon, dass es mich nicht durchwegs interessiert hat, wer wen auf welche Art und Weise auf dem Schlachtfeld getötet hat (etwa: „Sarpedon traf Tlepolemnos durch den Hals. Der stürzte tödlich, hatte jedoch vorher noch den Lykier in den Oberschenkel getroffen, hart am Knochen vorbei!“; solche Kämpfe werden sehr viele beschrieben), so ist die „Ilias“ doch (man verzeihe die saloppe Ausdrucksweise) eine spannende Sache.

Andere Zeiten, andere Waffen

Ich weiß zwar nicht, ob ich es für gut halten soll, dass sich die Menschen seit 28 (oder 34) Jahrhunderten anscheinend nicht geändert haben, davon abgesehen, dass sie mittlerweile andere Waffen zur Verfügung haben und dass das, was uns antreibt oder behindert, nun nicht mehr „Götter“ heißt.

Aber ich weiß, dass ich bald auch die „Odyssee“ gelesen haben werde. In der Prosa-Übertragung von Karl Ferdinand Lempp natürlich.

Von Werner Schuster

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Infos:

Homer wurde vermutlich im 8. Jahrhundert v. Chr. geboren, um seinen Geburtsort herrscht allerdings Uneinigkeit, so beanspruchen Smyrna, Athen, Ithaka und andere Städte Herkunftsort des legendenumwobenen Dichters zu sein. Über das Leben und Wirken den großen Epiker gibt es aber keine gesicherten Angaben, verlässliche Quellen sind nicht überliefert. Die großen Epen Ilias und Odyssee werden ihm zugeschrieben, es wird jedoch auch immer wieder angezweifelt, ob diese tatsächlich von einer einzigen Person verfaßt wurden. Sein Einfluß und Ruhm waren im Gegensatz dazu schon in der Antike unangefochten.

Mehr über Homer und die Ilias bei Wikipedia.

Karl Ferdinand Lempp, 1913 in Schwäbisch Gmünd geboren, gestorben 1986. In Afrika, wo er über 30 Jahre lebte, leitete er u.a. einen deutschsprachigen Verlag und engagierte sich in der Antiapartheidbewergung. In Deutschland lehrte er an verschiedenen Hochschulen und Bildungseinrichtungen.

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