05/05/2007von 487 Views – 0 Kommentare

Ofoedu, Obiora Cl-K: Morgengrauen

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Cover Ofoedu MorgengrauenErinnerungen
Aus dem Englischen von Ric Maréchal
Mandelbaum Verlag Wien (2000)
Inhalt:

Als am 1. Mai 1999 der Nigerianer Marcus Omofuma mit Klebebändern verschnürt wie ein Paket auf dem Abschiebeflug nach Bulgarien stirbt, gehört Obiora Ofoedu zu den ersten, die öffentlich protestieren. Wenige Tage später erlangt er als »Drogenboss Charles O.« österreichweite Berühmtheit. Sein präzises und mit literarischer Distanz notiertes Protokoll der Ereignisse, der glatten Polizeiwillkür und menschenverachtender Medienjustiz zeigt den ungeahnten Weg eines mittellosen Schriftstellers, der von Polizei und Boulevard zum »Drogenboss des Jahres« gemacht wurde, weil er es gewagt hatte, sich als Afrikaner in Österreich für Menschenrechte einzusetzen. (Pressetext)

Kurzkritik:

Wenn man die Zeitungsberichte zum Fall des Nigerianers Obiora Cl-K „Charles“ Ofoedu nachliest, so ist er in den einen ein mittelloser Schriftsteller, der in Folge der letztjährigen „Operation Spring“ zu Unrecht als Drogenboss verdächtigt und in Untersuchungshaft genommen wurde. In den anderen Zeitungen kann man es scheinbar nicht fassen, dass die Staatsanwalt für diesen Menschen Enthaftung beantragt hat. Hat er nicht den Großdealern in einem Chinarestaurant „freigegeben“ (© Kurier), damit sie an einem Omofuma-Protestmarsch teilnehmen können? (Aber sagt einem nicht der Hausverstand, dass der Drogenmafia Geld wichtiger sein könnte als ein Menschenleben?)

Egal, jetzt kann man nachlesen, wie Charles Ofoedu selbst seinen Fall darstellt. Anhand der Notizen während seiner dreimonatigen Haft hat er den dokumentarischen Roman „Morgengrauen“ geschrieben, aus dem – was nicht verwundert hätte – keine Anklage gegen das böse Österreich geworden ist, sondern eher eine Zustandsbeschreibung: Wie geht es jemandem, der eines Morgens von der Polizei aus dem Bett geholt wird, dem man nicht erklärt, warum man seine Wohnung genauestens durchsucht und ihn schließlich ins Gefängnis abführt, der nach einem Drogentest schließlich zu hören bekommt, „selber ist er clean, aber er ist der Boss“.

Werner gibt  ★★★★☆  (4 von 5 Eselsohren)

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Besprechung:

Der Hungerkünstler als Drogenboss

Wenn man die Zeitungsberichte zum Fall des Nigerianers Obiora Cl-K „Charles“ Ofoedu nachliest, so ist er in den einen ein mittelloser Schriftsteller, der in Folge der letztjährigen „Operation Spring“ zu Unrecht als Drogenboss verdächtigt und in Untersuchungshaft genommen wurde. In den anderen Zeitungen kann man es scheinbar nicht fassen, dass die Staatsanwalt für diesen Menschen Enthaftung beantragt hat. Hat er nicht den Großdealern in einem Chinarestaurant „freigegeben“ (© Kurier), damit sie an einem Omofuma-Protestmarsch teilnehmen können? (Aber sagt einem nicht der Hausverstand, dass der Drogenmafia Geld wichtiger sein könnte als ein Menschenleben?)

„Selber ist er clean“

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Egal, jetzt kann man nachlesen, wie Charles Ofoedu selbst seinen Fall darstellt. Anhand der Notizen während seiner dreimonatigen Haft hat er den dokumentarischen Roman „Morgengrauen“ geschrieben, aus dem – was nicht verwundert hätte – keine Anklage gegen das böse Österreich geworden ist, sondern eher eine Zustandsbeschreibung: Wie geht es jemandem, der eines Morgens von der Polizei aus dem Bett geholt wird, dem man nicht erklärt, warum man seine Wohnung genauestens durchsucht und ihn schließlich ins Gefängnis abführt, der nach einem Drogentest schließlich zu hören bekommt, „selber ist er clean, aber er ist der Boss“.

Schwarz in Wien

Neben der Erlebnissen in U-Haft berichtet Ofoedu auch von seinem Leben in Österreich: Dass er jeden Gelegenheitsjob annimmt – vom Fensterputzer bis zum Druckereigehilfen –, um sich sein Schreiben leisten zu können. Dass er ein Wertkartenhandy besaß, um ständig erreichbar zu sein (nicht wissend, dass auch schmutzige Geschäfte wie zum Beispiel das mit Drogen über Wertkartenhandys abgewickelt werden). Ofoedu beschreibt aber auch die Lebensbedingungen der Schwarzen: Dass für ihn ein guter Tag wäre, wenn er wegen seiner Hautfarbe einmal nicht schief angeschaut würde; dass sich die Schwarzen schon vor der „Operation Spring“ kaum getraut hätten, sich in der Öffentlichkeit zu treffen; und dass die schwarze Szene zum Teil zerstritten ist. Gar nicht verschlüsselt erwähnt Ofoedu, dass ihn, der diese Zerstrittenheit angeprangert hat, auch ein Schwarzer bei der Polizei verleumdet haben könnte. Doch er schreibt, dass sogar ein gefürchteter Wärter im Gefängnis gemeint habe, Ofoedu gehöre nicht dorthin.

„Mein Leben stand einfach still“

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Dort „starrte ich die Zellentür an – Niemand konnte sagen, wann sich diese Tür wieder für mich öffnen würde. Mein ganzes Leben schien irgendwie gestoppt. Ja, das war es: mein Leben stand einfach still“. Ofoedu gewöhnt sich aus Langeweile erst einmal das Rauchen an und bezeichnet das Essen mit Galgenhumor als „Brrr“. Beim täglichen Hofrundgang pflegt er keinen Kontakt zu Mithäftlingen, um sich nicht noch mehr verdächtig zu machen. Der Umgang mit den jeweiligen Zellenbewohnern genügt ihm schon, und er steht frühmorgens auf, um zum Schreiben zu kommen. Ständig muss er um Schreibpapier bitten, und vergebens wartet er darauf, dass man ihm endlich seine Lesebrille wiedergibt, die bei seiner Verhaftung in der Wohnung geblieben ist.

Aneinander kleben

Ansonsten lebt er in ständiger Bereitschaft, denn man wird ohne Ankündigung zu Gerichtsterminen oder ins Besucherzimmer geführt oder auch in eine andere Zelle verlegt. Tagsüber darf man nicht im Bett liegen und klebt aneinander, was natürlich zu Reibungen führt, besonders wenn einer, wie sein Mithäftling Tony, ständig über sein Schicksal lamentiert.

Geldwäsche

Nach drei Monaten wird Ofoedu gegen Gelöbnis und Abnahme seines Passes freigelassen. Der Hauptverdacht (Verstoß gegen das Suchtmittelgesetz und Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation) hatte sich nicht erhärtet. Allerdings droht Ofoedu ein Strafantrag wegen Geldwäscherei: Er hat – aus Gefälligkeit, wie er sagt – mindestens 500.000 Schilling für Dritte überwiesen. Und er glaubt, dass seine Verhaftung politisch motiviert war, weil er sich in Österreich für Menschenrechte eingesetzt hat.

Derzeit wohnt er bei einem evangelischen Pfarrer in Wien, darf das Land nicht verlassen, lebt von seinen spärlichen Einkünften als Schriftsteller und hofft, dass sich „Morgengrauen“ gut verkauft. Das hoffen wir auch: Denn wer wissen will, wie es in der Untersuchungshaft zugeht und wie man sich als Schwarzer in Österreich fühlt, sollte sich dieses Buch zulegen.

Werner Schuster, © Augustin (2000)

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