26/02/2012von 1.171 Views – 3 Kommentare

Nicht Kommunist, nicht Nazi

Meinungs-EselKann man unvoreingenommen über Gustaf Gründgens reden, nachdem ihn Klaus Mann in unseren Köpfen als Nazi-Intendanten verankert hat?

Die Lektüre von „Mephisto“ (siehe hier) hat bei mir viele Fragen aufgeworfen. Zum Beispiel: War Gustaf Gründgens tatsächlich so unbedarft, wie ihn Klaus Mann beschrieben hat? Und: Hat ein Mensch, der mittels Literatur zum Symbol geworden ist, noch eine Chance, als Mensch wahrgenommen zu werden?

Nun will ich mich nicht als Gründgens-Kenner aufspielen, wo ich gerade mal eine Rowohlt-Monographie über den Schauspieler, Regisseur und Theaterintendanten gelesen habe. Zumal es deren Autor, Heinrich Goertz, vermeidet, dezidiert auf Manns „Mephisto“ einzugehen.

Goertz beschreibt Gründgens jedenfalls nicht als unreflektierten Menschen und herrischen Regisseur, wie dies Mann getan hat. Er zeigt ihn aber auch nicht als von Gewissensfragen geplagten Künstler in einer Diktatur wie István Szabó in seinem Film mit Klaus Maria Brandauer.

Goertz hat anscheinend auch keine Stellungnahme von Gründgens ausfindig machen können, mit der dieser seine doch sehr fragwürdige Karriere im Dritten Reich zu erklären versucht hat. Nein, Goertz stellt Gründgens‘ Preußisches Staatstheater als humanistische Insel inmitten der allgemeinen Barbarei dar. Als Intendant habe er interveniert und sichergestellt, dass einige wenige KollegInnenen und Freunde aus dem linken Spektrum oder jüdischer Herkunft weiterarbeiten konnten.

Nun gibt es laut Stefan Steinberg (auf der World Sozialist Website!) „nicht den kleinsten Beweis dafür, dass Gründgens ein überzeugter Nazi war. Im Gegenteil, jede Untersuchung seines Lebenslaufs zeigt, dass seine ideologische Beziehung zu den Nazis genauso wenig bewiesen ist, wie die frühere zur Kommunistischen Partei.“

Und der Gründgens-Biograf Thomas Blubacker urteilte: „Gründgens begreift das Theater … als heiligen Raum, den es freizuhalten gilt vom Einfluss der Wirklichkeit, damit die theatrale Kunst den ewigen Werten des Schönen und Wahren diene.“ Aber, meinte Steinberg, „er arbeitete mit einem ungeheuer mörderischen Regime zusammen und half ihm, indem er ihm seine künstlerische und intellektuelle Glaubwürdigkeit verlieh. Diese Schändlichkeit ist ihm deshalb mit Recht zur Last zu legen.“

Auf Gründgens‘ rasche Entnazifizierung geht Goertz jedenfalls kaum ein. Tatsache ist, dass Gründgens bereits 1946 wieder auf der Bühne stand und ab 1947 Generalintendant in Düsseldorf war.

Was soll man davon halten? Hat man nicht auch Elisabeth Flickenschildt, Käthe Gold, Gustav Knuth, Theo Lingen, Paula Wessely oder Heinz Rühmann ihre Mitwirkung am Preußischen Staatstheater schnell und gerne verziehen? Und warum ist gerade Gründgens zum Symbol für künstlerisches Mitläufertum geworden (auch wenn er sich als Intendant dafür gut geeignet hat)? Warum nicht Werner Krauß, „Star“ im unappetitlichen Propagandafilm „Jud Süß“?

Wie soll man das beantworten? Kann man überhaupt unvoreingenommen über Gründgens reden, da ihn Klaus Mann in unseren Köpfen als Nazi-Intendanten verankert hat? Ist Literatur tatsächlich so mächtig, dass sie uns bei Wilhelm Tell oder Wallenstein an die Figuren von Schiller denken lässt, selbst wenn wir wissen, dass die historischen Personen so nicht waren?

Aber das sind Fragen, die ich zu einem anderen Zeitpunkt erörtern möchte.

Werner Schuster

Mehr über Gustaf Gründgens und Werner Krauß bei Wikipedia.

„Die Rehabilitierung von Gustaf Gründgens“ von Stefan Steinberg auf der World Sozialist Website,
Gründgens-Monografie von Heinrich Goertz bei Amazon // buch.de,
Gründgens-Biografie von Thomas Blubacher bei Amazon // buch.de

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3 Kommentare zu "Nicht Kommunist, nicht Nazi"

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  1. evalitera sagt:

    Hallo
    ich habe die Biographie von Curt Riess über
    Gründgens gelesen und er hat, wie auch seine
    Zeitgenossen,Zeitzeugen bestätigen, Juden gerettet, versteckt oder Ihnen die Flucht ermöglicht.
    Ich nehme an er hat es wie Schindler (Schindlers Liste) getan und ist nicht offen gegen die Nazis aufgetreten, denn daß konnte er sich nicht leisten. Es selbst sagt, er konnte Deutschland nicht verlassen, denn die deutsche Theaterbühne war sein Leben
    Das Buch von Klaus Mann ist die Rache eines enttäuschten Geliebten.
    Lg Eva

  2. wps sagt:

    via Facebook hat mich ein Leser auf dieses Interview mit Gustaf Gründgens aufmerksam gemacht:
    http://www.youtube.com/watch?v=4b6Oimas3S8

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