24/05/2010von 1.133 Views – 1 Kommentar

Aira, César: Die nächtliche Erleuchtung …

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Buchcover Aira Varamo
… des Staatsdieners Varamo

Erschienen 2010 bei Wagenbach (Taschenbuch)
Aus dem argentinischen Spanisch von Matthias Strobel
Originalausgabe: „Varamo“, 2002

Inhalt:

Varamo, einem Schreiber dritten Ranges, wird im Ministerium von Colón in Panama sein Monatslohn in Falschgeld ausgezahlt. Er kann das Geld nicht ausgeben, weil er sofort verhaftet würde, und widmet sich daher zunächst dem Einbalsamieren von Kleintieren, bevor er in der Stadt einen Kaffee trinken geht. Dort wird er Zeuge eines Autounfalls, trifft eine rätselhafte junge Dame sowie ein paar Verleger, für die er in nur einer Nacht das Versepos Der Gesang des jungfräulichen Kindes verfasst. (Pressetext)

Kurzkritik:

Mit diesem Buch kann man sich auf mehreren Ebenen vergnügen.

Die Geschichte wäre an sich interessant und originell genug. Dass sie jedoch angeblich aus einem – meines Wissens gar nicht wirklich existierenden – Gedicht abgeleitet worden ist, bewirkt einen humoresken Verfremdungseffekt. Man liest also eine Geschichte sowie die Geschichte dieser Geschichte – und das Ganze weist weit über sich hinaus.

Werner gibt  ★★★★½  (4,5 von 5 Eselsohren)

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Besprechung:

Die Verfremdung Südamerikas

Es wäre selbstverständlich unverfroren zu behaupten, „den südamerikanischen AutorInnen“ wäre das Literarische wichtiger als der Inhalt ihrer Bücher (– also dass sie ein bisschen L’art pour l’art treiben würden; oder dass sie, egal wovon sie erzählen, dies stets mit großer Lust am Schreiben selbst tun). Weil: Kenne ich
d i e südamerikanische Literatur? Und was ist z. B. mit Garcia Márquez, bei dem diese unterstellte Art und Weise weniger zum Tragen kommt?

Bei César Aira jedenfalls verhält es sich so, zumindest in „Varamo“. Glaube ich. Der in diesem Fall ganz und gar auktoriale Erzähler will erklären, warum und wie ein bis dahin unauffälliger Beamter zum „Urheber eines berühmten Gedichts“ wurde, „das nach wie vor als ein Schlüsselaugenblick der hispanoamerikanischen Avantgarde studiert wird“.

Der Gesang des jungfräulichen Kindes

Der Erzähler ist davon überzeugt, dass er aus dem Text von „Der Gesang des jungfräulichen Kindes“ dessen Entstehung ableiten kann. „Unser Eindringen in Varamos Bewusstsein jedoch ist nicht magisch, nicht einmal phantasievoll oder hypothetisch. Sie ist eine historische Rekonstruktion“.

Diese Rekonstruktion schildert einen harmlosen Bürokraten, der bei seiner Mutter wohnt. Nachdem ihm das Gehalt mit gefälschtem Geld ausbezahlt worden ist, beginnt er seine Umgebung mit anderen Augen zu betrachten, weil er glaubt, er würde augenblicklich verhaftet werden, würde er etwas mit Falschgeld kaufen wollen.

Die ungwöhnliche Nacht

Dieser Wandel lässt Varamo eine für ihn ungewöhnliche Nacht erleben, in der er, der bisher keine kunstvolle Zeile geschrieben hat, besagtes Versepos verfasst.

Die Geschehnisse dieser Nacht kann man zwar oberflächlich wiedergeben – Varamo wird Zeuge eines Autounfalls und trifft eine rätselhafte junge Dame sowie ein paar Verleger –, Airas Hyperrealismus wird man jedoch schwer treffen.

Eine Geschichte sowie die Geschichte dieser Geschichte

Und diese Geschichte wäre an sich interessant und originell genug. Dass sie jedoch angeblich aus einem – meines Wissens gar nicht wirklich existierenden – Gedicht abgeleitet worden ist, bewirkt einen humoresken Verfremdungseffekt. Man liest also eine Geschichte sowie die Geschichte dieser Geschichte – und das Ganze weist weit über sich hinaus.

Man kann darin eine Beschreibung „südamerikanischer Verhältnisse“ sehen oder zu wissen glauben, dass damit das Wesen von Sekundärliteratur aufs Korn genommen wird oder das von avantgardistischer Kunst. Beispielsweise.

Bloß absurd anmutend

Man kann sich hier also auf mehreren Ebenen vergnügen, angefangen damit, dass man „Die nächtliche Erleuchtung –“ sogar als Unterhaltungsroman lesen könnte, wenn man bloß absurd anmutende theoretische Passagen wie diese überblättert: Es „treten die anhand der Gedichtslektüre rekonstruierten Realitätspartikel, obwohl scharf umrissen und vollständig wie kleine Universen, einzeln und ohne Angabe der Reihenfolge in Erscheinung, so dass sie der Kritiker, der sie nach und nach herauslöst, nach Gutdünken anordnen kann.“

Richtig und falsch zugleich

So wie ich der südamerikanischen Literatur unterstellen könnte, L’art pour l’art zu sein. Dabei liegt es doch auf der Hand, mit Aira – richtig und falsch zugleich – zu behaupten, „avantgardistische Kunst ist jede Kunst, die eine Rekonstruktion der realen Umstände erlaubt.“ Bei seiner trifft das jedenfalls zu.

Von Werner Schuster

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Infos:

César Aira, geboren 1949 in Coronel Pringles, gilt als einer der einflussreichsten zeitgenössischen Autoren Argentiniens. Auf Deutsch erschienen von ihm die Romane „Humboldts Schatten“ (2003) und „Die Mestizin“ (2004).

Mehr über César Aira bei Wikipedia.

1 Kommentar zu "Aira, César: Die nächtliche Erleuchtung …"

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  1. Er ist einer der besten spanischsprachigen Schriftsteller seiner Generation. Ohne Zweifel.

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