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Die Eselsohren-Bestenliste 2013
Posted By Werner On 16/12/2013 @ 06:00 In Best of Eselsohren,Jahresbeste,Neue Artikel | No Comments
aus den 2013 etwa 90 besprochenen Büchern haben wir jene 15 ausgewählt, an die wir uns am meisten und am besten erinnern konnten. (Nicht alle sind auch 2013 erschienen.)
Vielleicht eignet sich diese Bestenliste auch noch für späte Weihnachtsgeschenke. – Oder Sie stöbern unter unbedingt lesen [1] oder empfohlen [2].
Damit Sie die Übersicht behalten, gehen die Links in einem neuen Fenster auf.
Werner Schuster
Erzählungen – Hardcover – 304 Seiten – Ullstein
Begründung: Ist zwar schon 2012 erschienen, aber ich habe schwer bereut, es nicht gleich gelesen zu haben. – Und es ist 2013 nichts Besseres nachgekommen.
Zeige Inhaltsangabe und KurzkritikKurzkritik: Hätte ich dieses Buch nur schon letzten Jahr gelesen! Dann wäre es in der Bestenliste 2012 ganz oben gelandet. Jedenfalls denke ich, dass man sich den Namen Claire Vaye Watkins merken sollte. Und warte sehnsüchtig auf weitere Bücher der derzeit noch nicht 30-jährigen Autorin.
Zur Besprechung Phänomenal gut [3]
2) Victor Serge:
Die große Ernüchterung
Roman – Hardcover – 509 Seiten – Edition Büchergilde
Begründung: Kann irgendjemand heute noch so einen groß angelegten und großartigen politischen Roman schreiben?
Zeige Inhaltsangabe und KurzkritikKurzkritik: Wer immer noch große Stücke auf Stalin hält, sollte dieses Buch lesen. Und wer wissen möchte, wie es ist, unter einer Angst- und Schreckensherrschaft zu leben, auch.
Zur Besprechung Millionen in Angst [4]
3) Abigail Padgett:
Blues Dämonen
Krimi – Broschiert – 366 Seiten – Prospero
Begründung: Ein fein gestrickter Krimi, voller falscher, aber verlockender Fährten und reich an Hintergrundinformation.
Zeige Inhaltsangabe und KurzkritikKurzkritik: Abigail Padgetts zweiter feministischer Krimi um die Sozialpsychologin Blue McCarron ist ebenso fein gestrickt, voller falscher, aber verlockender Fährten und reich an Hintergrundinformation wie der erste, „Blue“. Thematisch handelt er von christlichem Fundamentalismus, Politik und Frauenemanzipation und zeigt auf, was seelischer und körperlicher Missbrauch mit einem Menschen anrichten kann. Wieder schafft es Padgett, zwei Erzählstränge, die offensichtlich gar nichts miteinander zu tun haben, am Ende logisch und schlüssig zusammenzuführen. Sie macht das mit leichter Hand, subtil und humorvoll.
Zur Besprechung Die Teller-Connection [5]
4) Amanda Coplin:
Im Licht von Apfelbäumen
Roman – Hardcover, E-Book – 447 Seiten – Arche
Begründung: Ein großer Roman über den Wilden Westen, wie er wahrscheinlich wirklich war.
Zeige Inhaltsangabe und KurzkritikKurzkritik: Dies ist ein anmutig geschriebener Roman darüber, was Familie bedeuten kann. Und so nebenbei wird mit Western-Klischees aufgeräumt. Die Menschen sind anders als heute und tauschen Persönliches kaum miteinander aus. Gleichzeitig sind sie keine klischeehaften Westernfiguren; die Story könnte eigentlich auch in Europa spielen. Und kaum eine der Hauptfiguren begleitet eine/n nicht weiter, auch wenn man den Roman schon lange zu Ende gelesen hat.
Zur Besprechung Zufallsfamilie [6]
5) Friedrich Ani:
Süden
Krimi – Hardcover,Taschenbuch, E-Book – 368 Seiten – Knaur
Begründung: Eigentlich war „German Angst“ heuer mein Lieblings-„Süden“, aber über den hab ich nicht (mehr) geschrieben.
Zeige Inhaltsangabe und KurzkritikKurzkritik: Man kann „Süden“ nicht „verschlingen“ wie die meisten Krimis oder Thriller. In diesen Krimis und Thrillern sind normale Menschen in der Regel eindimensionale Nebenfiguren. In „Süden“ – und das ist für mich eine zentrale Qualität – kommen eigentlich nur so genannten normale Menschen vor und haben so viel Tiefgang und ähnliche Probleme wie wir alle.
Zur Besprechung Manche Menschen werden erst durch ihr Verschwinden sichtbar [7]
6) Gillian Flynn:
Gone Girl
Roman – Hardcover, E-Book – 576 Seiten – Scherz (Fischer)
Begründung: Die fieseste, abgefeimteste Romanfigur 2013.
Zeige Inhaltsangabe und KurzkritikGenau diese Fragen stellt sich Nick Dunne am Morgen seines fünften Hochzeitstages, dem Morgen, an dem seine Frau Amy spurlos verschwindet. Die Polizei verdächtigt sogleich Nick. Amys Freunde berichten, dass sie Angst vor ihm hatte. Er schwört, dass das nicht wahr ist. In seinem Computer findet die Polizei merkwürdige Hinweise. Er erhält sonderbare Anrufe. Was geschah mit Nicks wunderbarer Frau Amy?
Kurzkritik: „Wie gut kennt man eigentlich den Menschen, den man liebt?“, ist die Kernfrage dieses Buches voller Psychoterror und nahezu perfekter Hinterlist. Die Antwort ist: gar nicht.
Zur Besprechung Was denkst du? Wie geht es dir? Wer bist du? [8]
7) Isabella Breier:
Prokne & Co
Roman – Broschiert – 298 Seiten – Kitab
Begründung: Ein gelungenes und lesbares literarisches Experiment.
Zeige Inhaltsangabe und KurzkritikKurzkritik: Mit einer Inhaltsangabe wird man diesem Roman nicht gerecht. Was mir beim Lesen einleuchtend vorgekommen ist, wirkt in der Wiedergabe unwahrscheinlich (noch dazu, wo die Freundinnen von einer Schwalbe Philomele und einer Nachtigall Prokne begleitet werden, die deren Erlebnisse auch kommentieren). Doch gibt Breier gar nicht vor, einen realistischen Roman geschrieben zu haben, sondern bezeichnet „Prokne & Co“ als Groteske, als eine willkürlich verzerrte, übersteigerte Darstellung. Es geht der Autorin, denke ich, auch gar nicht so sehr um eine plausible Geschichte, sondern um die richtigen Bilder für Zustände und für Veränderung. Und dafür hat sie sich der Mythologie bedient.
ich war fasziniert davon, wie Philina einen Ausweg aus ihrer Verzweiflung über den Tod ihres Vaters sucht, und im Anschluss daran von Priskas Rache an ihrem intriganten Mann Timo und von ihrer Suche nach Philina in Italien.
Zur Besprechung Mythologische Groteske [9]
8) Chris Womersley:
Beraubt
Roman – Hardcover – 320 Seiten – DVA
Begründung: Wie Ausgestoßenheit und Rache tatsächlich aussehen.
Zeige Inhaltsangabe und KurzkritikKurzkritik:
In manche Bücher will man bloß kurz einmal hineinlesen und ehe man sich‘s versieht, ist man so gepackt, dass man nicht mehr aufhören kann. „Beraubt“ ist so ein Buch, und es ist beklemmend.
Zur Besprechung Unerlösbar [10]
9) Gabrielle Zevin:
Bitterzart
Jugendroman – Hardcover, E-Book – 544 Seiten – Fischer
Begründung: „Malavita“ soll eine Mafia-Komödie sein? – Lest besser diese!
Zeige Inhaltsangabe und KurzkritikKurzkritik: Die Idee zu „Bitterzart“ ist so simpel wie bestechend – und von Gabrielle Zevin trefflich umgesetzt. Sie hat das Königskinder-Motiv (Sie konnten zusammen nicht kommen …) in eine Zukunft transferiert, in der die Mafia mit Schokolade dealt.
Es ist kein nervenaufreibender, aber doch ein spannender Roman mit vielen überraschenden Wendungen. Und mit viel Potenzial, was die Story und die Figuren betrifft. Das ist auch gut und richtig so, denn „Bitterzart“ ist der erste Teil einer Trilogie rund um Anya und – so steht es zu hoffen – Win.
Zur Besprechung Win Win [11]
10) Carsten Kluth:
Wenn das Land still ist
Roman – Hardcover – 384 Seiten – Piper
Begründung: Es geht ja doch: Heute einen politischen Roman zu schreiben.
Zeige Inhaltsangabe und KurzkritikKurzkritik: Carsten Kluth ist mit „Wenn das Land still ist“ ein sehr dichter, beunruhigender Roman gelungen. Dies nicht nur, weil sich die Haupthandlung innerhalb von 24 Stunden abspielt. Der Autor schildert die Auswirkungen der Klimaerwärmung ebenso drastisch wie die von Wirtschaftsinteressen gesteuerte, schmutzige Realpolitik inklusive Flüchtlingsproblematik und verbindet diese Themen zu einem glaubwürdigen Plot, der an keiner Stelle übertrieben scheint: So könnte es zugehen, so geht es wahrscheinlich zu.
Dass sich der Richter Harald Kronauer um Kinder und Haushalt kümmert, dient nicht bloß dazu, ihm anfänglich einen Charakterzug zu verpassen, sondern zieht sich durch den ganzen Roman, ist für dessen Fortgang sogar entscheidend – und nicht der Grund, warum er als Politiker keine Karriere macht.
Zur Besprechung Halbe-Halbe in der Realpolitik [12]
11) Tom Reiss:
Der schwarze General
Biografie – Hardcover, E-Book – 544 Seiten – dtv
Begründung: Ein Sachbuch, das weit über sein eigentliches Thema hinausweist und ein Zeitdokument der Französischen Revolution und der Herrschaft Napoleons ist.
Zeige Inhaltsangabe und KurzkritikKurzkritik: Es ist vielleicht nicht allgemein bekannt, dass Alexandre Dumas d. Ä. („Die drei Musketiere“, „Der Graf von Monte Christo“ [13]) von schwarzen haitianischen Sklaven abstammte, sich selbst als „nègre“ bezeichnete und von der Gesellschaft vielfach geschnitten wurde. Noch weniger weiß man über seinen Vater, obwohl dieser ein zu Lebzeiten berühmter französischer Soldat gewesen ist.
Kein Franzose, sondern der amerikanische Journalist und Autor Tom Reiss hat über diesen eine Biografie verfasst, die mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde.
Zu Recht. Reiss hat nicht bloß das Leben Alex Dumas‘ rekonstruiert, sondern schildert die Epoche der Französischen Revolution und Napoleons so kenntnisreich, vorstellbar und verständlich, dass „Der schwarze General“ auch Menschen interessieren müsste, denen sowohl der Soldat als auch sein Schriftsteller-Sohn egal sind.
Zur Besprechung Ein schwarzer General – und Napoleon [14]
12) Homer:
Ilias
Epos – Taschenbuch – 519 Seiten – Insel
Begründung: So kann man Homer auch heute noch lesen: in einer Prosa-Übertragung.
Zeige Inhaltsangabe und KurzkritikKurzkritik: Endlich ohne Hexameter! Lempps Prosa-Übertragung der „Ilias“ habe ich an zwei Abenden „ausgelesen“, während ich über viele Jahre hinweg an der Voß-Übersetzungen gescheitert bin.
Zur Besprechung Endlich ohne Hexameter! [15]
13) John Le Carré:
Empfindliche Wahrheit
Thriller – Hardcover, E-Book – 400 Seiten – Ullstein
Begründung: Niemand schreibt so exzellent wie le Carré.
Zeige Inhaltsangabe und KurzkritikKurzkritik: Und wieder stößt uns Le Carré mit der Nase auf ein brisantes Thema, das von allgemeinem Interesse sein sollte, auch wenn es weit jenseits unserer Einflussbereiche liegt. Abgesehen vom Inhalt ist das eine Freude zu lesen.
Zur Besprechung Für ein getötetes Kind nichts, für Paul der Ritterschlag [16]
14) Seth Grahame-Smith:
Stolz und Vorurteil und Zombies
Roman – Taschenbuch – 480 Seiten – Heyne
Begründung: Ist nicht besser als das Original, aber eine gelungene Adaption, die Lust auf Jane Austen macht.
Zeige Inhaltsangabe und KurzkritikKurzkritik: Grahame-Smith hat entschieden mehr getan, als den Austen-Roman mit ein paar Zombies anzureichern, er hat „Stolz und Vorurteil“ vielmehr – wenn man das in diesem Zusammenhang so sagen kann – feinfühlig und mit großem Respekt neu erzählt.
Zur Besprechung Vereint im Kampf gegen Tanten und Zombies [17]
15) Armin Wolf:
Wozu brauchen wir Journalisten?
Vorlesungen, Vorträge – Hardcover – 132 Seiten – Picus
Begründung: Tja, ich hoffe, die Verleger und Herausgeber wollen und können sich jene Journalisten noch leisten, die Armin Wolf meint.
Zeige Inhaltsangabe und KurzkritikKurzkritik: Was ist qualitätsvoller Journalismus und wer macht ihn auf welche Art und Weise? – Der beliebte österreichische TV-Moderator Armin Wolf gibt in Vorlesungen und Reden Auskunft über E-, U- und K-Journalismus und über unsere Medienwelt.
Zur Besprechung Der Wolf im Audimax [18]
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