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Nachlese: Brautigan

Liebe LeserInnen,

Richard Brautigans Bücher kann ich immer wieder lesen. Er konnte über die schrecklichsten Dinge vom Standpunkt eines freundlich-erfreuten Beobachters schreiben und über absurde Begebenheiten, als wären sie alltäglich.

Rowohlt hat ihn leider aus dem Sortiment genommen, doch bei den kleinen Verlagen Boder und Kartaus sind einige seiner Bücher erhältlich.

Werner Schuster


Cover Brautigan SomberoSombrero vom Himmel

Ein japanischer Roman
Übersetzt von Günther Ohnemus
Rowohlt
Kurzkritik:

So wie man einen Mal-Stil als naiv bezeichnet, kann man Brautigan einen naiven Schriftsteller nennen. Er kann über die schrecklichsten Dinge vom Standpunkt des freundlich-erfreuten Beobachters schreiben und über absurde Begebenheiten, als wären sie alltäglich. Er war in der Hippie-Zeit ein Star und wurde dann vergessen (was er nicht verkraftet hat).

Nachdem ich “Forellenfischen in Amerika“, was vielleicht als Beschreibung eines Paradieses durchgehen könnte, so ziemlich jedes Jahr lese, hab ich mir gedacht, ich schau mir mal ein anderes seiner Bücher wieder an; die Wahl fiel auf “Sombrero vom Himmel“, welcher mittelbar eine ganze Stadt in eine kollektive Raserei treibt und eigentlich nur die Idee eines an einer Trennung laborierenden Schriftstellers ist, die sich im Papierkorb selbst weitererzählt.

Antiquarisch erhältlich bei Amazon


Cover Brautigan AbtreibungDie Abtreibung

Eine historische Romanze 1966
Roman
Übersetzt von Günther Ohnemus
Rowohlt, Kartaus
Kurzkritik:

Das ist eines der traurigsten Bücher, die ich kenne. Es fängt an wie ein richtiger Brautigan (die eine Hauptfigur – ich weiß wirklich nicht, ob sein Name jemals genannt wird – arbeitet in einer Bibliothek für Bücher, die niemand will; also wer ein Buch geschrieben hat, das nicht publiziert wird, kann es dorthin bringen), entwickelt sich zu einer berührenden Liebesgeschichte (mit Vida, deren Problem es ist, wunderschön zu sein; sie wäre lieber “normal“, als dass sie ständig von johlenden Männern und giftigen Frauen umgeben wäre) und dann ist Vida schwanger, aber sie wollen noch kein Kind.

Ab hier beschreibt Brautigan alles (die Reise nach Mexiko, die Klinik, die Rückreise), nur nicht, was es für die Leute bedeutet, eine Abtreibung vornehmen zu lassen, und dadurch wird genau das immer größer und lauter, während man über des “Helden“ Flugangst liest oder über die Reaktionen der Menschen auf Vidas Körper. Auch Vida und ihr Kerl schweigen – und werden dafür nicht verurteilt, vielmehr macht Brautigan (meinem Dafürhalten nach) klar, dass es Angelegenheiten gibt, die zu mächtig sind, als dass man sie sofort und toll bewältigen könnte.

Antiquarisch erhältlich bei Amazon


Buchcover
Willard und seine Bowlingtrophäen

Krimi
Taschenbuch
Erschienen 2008 bei Boder
Aus dem Amerikanischen von Christiane Bergfeld
Originalausgabe: „Willard and his Bowling Trophies”, 1975

Inhalt:

In einem kleinen schäbigen Hotelzimmer in San Francisco warten die drei Logan-Brüder auf den alles entscheidenden Telefonanruf. Einen Anruf, der sie 3000 Dollar kostet, sauer ergaunerte und geraubte Dollar. Er soll ihnen verraten, wo sich die gestohlenen Bowlingtrophäen befinden.Der tigernde Logan hockte jetzt neben seinem Bruder auf dem Bett. Er war es satt, in dem kleinen Zimmer herumzutigern. Und den Revolver hatte er auch in einem Koffer verstaut. Er glotzte das Telefon an. Bald würde es klingeln, und drei lange Jahre der Suche wären vorbei. Er öffnete und schloss mehrmals die rechte Hand. Und zwar so, dass seine Brüder es nicht mitkriegten. Er übte, wie man einen Anruf entgegennimmt.

Kurzkritik:

Bei der neuen Übersetzerin Bergfeld klingt Brautigan erwachsener als bei Ohnemus – ein Erwachsener spielt mit der Sprache (und dem Genre Kriminalroman) – und so wirkte “Willard” auf mich nicht existentialistisch-sentimental (wie bei Ohnemus), sondern realistischer, bedrohlicher und auch trauriger.

Zur ausführlichen Besprechung: Pervers oder grotesk? [1]


Buchcover Träumen von Babylon von Brautigan
Von Babylon träumen

Krimi
Aus dem Amerikanischen von Christiane Bergfeld
Broschiert: Boder, 2009
(„Dreaming of Babylon“, 1977)
Inhalt:

Neuausgabe in neuer Übersetzung. Richard Brautigans Beitrag zur Film-noir-Tradition. „Brauchen Sie einen Privatdetektiv? – Dann wenden Sie sich vertrauensvoll an C. …“

Kurzkritik:

Absurder Krimi, Detektiv ist Tagträumer, Leichendiebstahl, Kinderaugen, Erwachsenenmund, raffinierter Aufbau, lyrisch. Geht das? Das geht! Und sieht auf den ersten Blick wie naive Kunst aus, ist aber eher psychedelische und somit bewusstseinserweiternd. Anders gesagt: Brautigan hat mehr mit uns und der Wirklichkeit zu tun als so manche realistische Prosa.

Zur ausführlichen Besprechung: Kinderaugen, Erwachsenenmund [2]


Richard Brautigan, geboren 1935 im US-Staat Washington, gehört zu den amerikanischen Kultautoren. Wie nur wenige vermochte er in den sechziger und siebziger Jahren das Lebensgefühl einer ganzen Generation widerzugeben. Mehr als ein Dutzend Bücher von ihm wurden ins Deutsche übersetzt. 1984 schied er freiwillig aus dem Leben.

Über Richard Brautigan [3]n bei Wikipedia.

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