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Von Neil Young getötet

Das Alter – ich werde bald 60 – bringt mit sich, dass ich zum Teil ungeduldiger werde: zB mag ich nichts mehr lesen, was mich (dann doch) nicht interessiert.

So habe ich etwa vor kurzem (in einer Buchhandlung) William Boyd für mich entdeckt und gleich zwei Romane auf einen Sitz konsumiert. „Einfache Gewitter“ ist ein (eher literarischer) Thriller, der sich gegen die böse Pharma-Industrie wendet (– ein Objekt, auf das ich seit Covid-19 meinen Hass weniger stark projizieren kann). Famos geschrieben; Literatur, die sich nicht schämt, zu unterhalten.

Dann habe ich mir gleich im Anschluss „Stars and Bars“ (als E-Book) vorgeknöpft, – und war überrascht, dass der „Thriller-Autor“ Boyd auch einen ironisch-humorvollen Roman schreiben konnte. Eigentlich hatte ich mir ja ein Buch erwartet, mit dem ich verschiedenen Regionen Nordamerikas besser kennenlernen würde; das ist es nicht: wir erleben einen Briten, der an den Südstaatler*innen scheitert. Er scheitert auch sonst an allem und jeder/jedem, aber selbst wenn man ihn wenig sympathisch findet, so hat man ihn doch irgendwie auch gern. (Es geht auch um den Kunsthandel im Allgemeinen und Besonderen.)

Ja, nachdem mich William Boyd also überrascht hatte, lud ich mir gleich noch ein E-Book herunter. Doch mit „Wie Schnee in der Sonne“ komme ich einfach nicht weiter. Das Thema ist toll und – meines Wissens – in der Literatur wenig beleuchtet (der Erste Weltkrieg in Afrika), die Figuren sind liebevoll „gezeichnet“, aber doch auch ein bisschen vorhersehbar in ihren Handlungen. Es wird auch großartig eine Schlacht beschrieben, wie sie von den Befehlshabenden verkackt wird, wie undurchschaubar das Kampfgeschehen für die Soldaten ist. Aber … also entweder hab ich das Buch zu schnell nach den anderen Boyds gelesen, oder der Funke springt nicht über, oder ich hatte zu viel berufliche Turbulenzen und das Buch zu oft und lange aus der Hand gelegt, und kann jetzt die Namen nicht mehr zuordnen. Oder – auch diese Möglichkeit gibt es – es ist nicht Boyds bestes Buch.

Es ist mir auch Klaus Modick „Konzert ohne Dichter“ dazwischengekommen (bis jetzt ohne Einschränkung großartig) und Donna Haraways „Die Neuerfindung der Natur. Primaten, Cyborgs und Frauen“ (– habe ich auf Grund eines „Standard“-Artikels meinem Sohn zu Weihnachten gekauft und mir selbst gleich ein Exemplar dazu; bis jetzt hab ich mich nur durch die exklusiv-wissenschaftliche Einleitung gekämpft, um dann überrascht festzustellen, dass Haraway kein Problem damit hat, sich verständlich zu machen). – Aber darüber wollte ich gar nicht schreiben.

Sondern zB über Navid Kermanis „Das Buch der von Neil Young Getöteten“, bei dem ich nicht mehr weiß, wie ich darauf gekommen bin, und das ich mir gleich mit „Vierzig Leben“, „Du sollst“ und „Kurzmitteilung“ desselben Autors zugelegt habe, welche ich noch nicht einmal angefangen habe, auch weil ich mich an die von Neil Young Getöteten nur noch dunkel erinnern kann. Irgendwie ging es darum, wie metaphysisch toll Neil Young ist, aber wen er warum getötet haben soll, weiß ich einfach nicht mehr.

Was auch noch unbeachtet auf meinem Tolino – Fuck Amazon! Thalia hat zwar die miesere Website und App, aber dafür unterstütze ich die Datenkrake nicht. Ha! –, also: was auch noch unbeachtet auf meinem Tolino herumlungert, ist „Die neue Ordnung auf dem alten Kontinent“ von Philipp Ther, das mich zwar grundsätzlich interessiert, aber wahrscheinlich bin ich über den Point of no Return noch nicht drübergekommen oder es gibt ihn gar nicht. Das Thema (Neoliberalismus im ehemaligen Ostblock) interessiert mich zwar sehr, aber vielleicht nicht von Ther, obwohl er sehr persönlich wissenschaftlich schreibt.

David Foster Wallace „Der Spaß an der Sache“ hat mich auch nicht weiter als bis Seite 127 (von 1.252) gefesselt, obwohl Foster Wallace und so. Finden alle intellektuellen Rezensent*innen knorke. Was soll ich machen: ging mir am Arsch vorbei.

Stephen Frys „Mythos“ (über die griechischen Göttinnen und Götter) habe ich zwar fast bis über die Hälfte gelesen, aber dann ging mir die Puste aus angesichts der schnoddrigen Dauer-Lustigkeit des Autors.

Ja, und so könnte ich noch stundenlang weiterschreiben; aber der Punkt ist, glaube ich, klar: was mich nicht wirklich packt und antörnt und fesselt und interessiert, das höre ich zu lesen auf. Einfach so.

Da fällt mir ein: ich war schon in jungen Jahren so gestrickt (bei Literatur hat‘s anscheinend länger gedauert): im Burgtheater bin ich vor 1986 (also vor Peymann, während der Direktionen Klingenberg und Benning) sehr oft in der Pause gegangen, wenn mir die Inszenierung zu langweilig war. Wenn ich am Stehplatz war, dann ging ich mitunter auch früher; wenn mir der Parterre-Billeteur, der zwei Stockwerke über mir wohnte, einen Sitzplatz überlassen hatte, dann eben erst in der Pause. Man will ja kein Aufsehen erregen oder gar die Schauspieler*innen stören.

Bei Büchern fällt das jedenfalls leichter.