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Klinger, Christian: Gleichenfeier

Marco Martins zweiter Fall

Krimi
Broschiert
380 Seiten
Erschienen 2013 bei Steinverlag

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]
Inhalt:

Marco Martin wird bei diesem Fall nicht nur von nächtlichen Panikattacken gequält. Auch seine Schwester, zu der er vor Jahren den Kontakt abgebrochen hat, meldet sich unversehens und bittet ihn, die Unschuld ihres Mannes Niklas zu beweisen, dem man vorwirft, im Zuge einer Baustellenkontrolle einen flüchtenden Arbeiter in die Tiefe gestoßen zu haben. Wenig später wird der Bauleiter desselben Projekts brutal ermordet … (Pressetext)

Kurzkritik:

Insgesamt laufen die Ermittlungen weniger gemütlich-wienerisch ab als in „Winzertod“. Atemlose Spannung kommt dennoch keine auf. Das mag zu einem Teil daran liegen, dass in einigen Szenen nichts Neues berichtet wird, sondern oft auch wiederholt, was man schon weiß. Zum anderen mischt Christian Klinger in die durchaus realistischen Szenen und Charaktere immer wieder leicht groteske Elemente.

Besprechung:

Mit dem Rad durch die Vorstädte

Marco Martin reitet wieder, und dies beinahe im wörtlichen Sinn: Der Privatdetektiv bemerkt die Auswirkungen seines ungesunden Lebenswandels und fährt Rad. Natürlich radelt er nicht einfach so durch Wien, sondern um seinen neuesten Fall zu lösen. Doch es ist anzunehmen, dass er sein Auto benützen würde, wenn ihm dieses nicht abgegaunert worden wäre.

Jedenfalls hat sein Fall – wie in „Winzertod“ – mit dem Baugewerbe zu tun – und mit Familienbanden. Denn sein Schwager in spe, ein Baustellenkontrolleur, wird verdächtigt, einen Bauarbeiter getötet zu haben, und seine Schwester ersucht Marco, ihm und ihr zu helfen.

Nur die Polizei glaubt noch an dessen Schuld, als sich die Morde auf Baustellen zu häufen beginnen. Es sind, wenn man so will, fantasievolle Morde: Zum Beispiel wurde ein Opfer einbetoniert und danach (in bewusstlosem Zustand) auseinander gerissen.

Grotesk

Marco bekommt es mit korrupten Machenschaften zu tun – und mit Ex-Jugowlawen, die zwielichtige Geschäfte treiben. Wie in „Wintertod“ entlarvt er am Schluss eher zufällig den Mörder – und bringt sich dabei wiederum selbst in Lebensgefahr.

Insgesamt laufen die Ermittlungen weniger gemütlich-wienerisch ab als in „Winzertod“. Atemlose Spannung kommt dennoch keine auf. Das mag zu einem Teil daran liegen, dass in einigen Szenen nichts Neues berichtet wird, sondern oft auch wiederholt, was man schon weiß. Zum anderen mischt Christian Klinger in die durchaus realistischen Szenen und Charaktere immer wieder leicht groteske Elemente.

Inzestuös

Dazu zählt für mich auch, das Marco seine Schwester sexuell begehrt (was diese nicht bemerkt). Das „riecht“ nach einem „originellen“ Einfall, der mit der Geschichte sonst nichts zu tun hat, und ist eher irritierend.

Grotesk ist allerdings auch, wenn Marco beim Versuch, ein Kind zu retten, auf dieses stürzt, während er eigentlich dem zufällig aufgespürten Dieb seines Autos hinterherrennt. So etwas ist schon amüsant, auch wenn es einen immer wieder daran erinnern, dass man „nur“ ein Buch liest.

Vorstadtspelunken

Dass Klinger diese Episode am Schluss wieder aufgreift, zeigt, wie gut er seinen Krimi konstruiert hat. Denn an der in sich schlüssigen Story ist nichts auszusetzen. Die „Gleichenfeier“-Figuren sind (für mich) auch heutiger als im ersten Marco-Matin-Fall. Was vielleicht damit zu tun hat, dass der Fall nicht in der gehobenen Gesellschaft spielt, sondern in Vorstadtspelunken, Automatencafés und Tankstellenimbissen.

Von Werner Schuster

Infos:

Christian Klinger, geb. 1966, lebt und arbeitet in Wien, Klosterneuburg und Trausdorf/Bgld. wo auch der vorliegende Roman entstand. Wegen Paragrafenaffinität ungefähr die letzten 20 Jahre erfolglos in Behandlung, ist eigentlich ein “Wilderer“ unter den Kriminalautoren. Seit jeher der Musik zugewandt, betätigt er sich im Laufe der Jahre neben seinem erlernten Beruf als Jurist immer wieder als Bassist, bis sich Anfang 2001 die eigene Band auflöst. Nach einem halben Jahr Kreativpause ohne Musik, wechselt er das Metier, tauscht Basssaiten gegen Buchseiten. Verschiedene Veröffentlichungen seit 2005 (Anthologiebeiträge, Rätselkrimis in der Sonntagspresse, Kurier Freizeit Fortsetzungskrimi). 2010 erscheint nach „die Spur im Morgenrot“ (2005) und „tote Augen lügen nicht“ (2008) der dritte Kriminalroman aus der reihe um den tollpatschigen Ermittler Seidenbast mit dem Titel „Codewort Odysseus“. Mitglied der IG Autorinnen und Autoren, Mitglied im Syndikat – Autorengruppe deutschsprachige Kriminalliteratur, Luitpold Stern Förderpreis 2005, Auswahlliste für den Agatha-Christie-Krimipreis 2011

Mehr über Christian Klinger bei www.christian-klinger.at [5] // Marco Martin ist bei Facebook [6]