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Mander, Marina: Meine erste Lüge

Roman
Hardcover, E-Book
192 Seiten
Erschienen 2013 bei Piper
Aus dem Italienischen von Ulrich Hartmann
Originalausgabe: „La prima vera bugia”

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]
Inhalt:

Luca ist kaum zehn Jahre alt, aber was von Waisenhäusern zu halten ist, weiß er genau – die kennt er aus dem Fernsehen, und da will er auf keinen Fall hin. Deshalb beschließt er, niemandem zu sagen, dass im Schlafzimmer seine Mutter tot im Bett liegt. Er wird schon zurechtkommen. Eine Zeit lang läuft alles glatt, aber dann gibt es doch ein Problem … (Pressetext)

Kurzkritik:

Ich kann mit diesem Buch nichts anfangen, weil ich nicht an die Hauptfigur glaube. In der Ankündigung klang es plausibel, dass ein Zehnjähriger seiner Umwelt verheimlicht, dass seine Mutter gestorben ist. Mittlerweile bezweifle ich jedoch, dass ein Kind tatsächlich versuchen würde, – in derselben Wohnung wie die Leiche – allein über die Runden zu kommen.

Besprechung:

Luca will nicht ins Waisenhaus

Ich kann mit diesem Buch nichts anfangen, weil ich nicht an die Hauptfigur glaube. In der Ankündigung klang es plausibel, dass ein Zehnjähriger seiner Umgebung verheimlicht, dass seine Mutter gestorben ist. Mittlerweile bezweifle ich jedoch, dass ein Kind tatsächlich versuchen würde, – in derselben Wohnung wie die Leiche – allein über die Runden zu kommen.

Aber das wäre an sich egal. Schließlich haben wir es mit Fiktion zu tun, und man glaubt AutorInnen ja an sich so ziemlich alles (oder macht sich dies selber vor, um sich den Lesespaß nicht zu verderben).

Nun, Marina Mander glaube ich eben nicht und ich wüsste auch nicht, warum ich es tun sollte. Lucas Mutter war jedenfalls Alleinerzieherin, und manche LeserInnen vermuten, sie hätte sich umgebracht. Luca versucht, sich ohne Hilfe durchzuschlagen, kocht sich das, was noch vorhanden ist oder was er mit daheim gefundenem Geld einkauft, schaut TV, wäscht sich und zieht sich frisches Gewand an.

Meine Tochter

Er kommt nicht auf die Idee, einen Arzt zu rufen, als er seine Mutter regungslos im Bett findet. – Meine Tochter hat im selben Alter meinen Vater angerufen (ich war nicht erreichbar), als sich ihre Mutter beinahe einen Zeh abgetrennt hätte und halb ohnmächtig war. – Luca ist nicht entsetzt oder schockiert, er weint zwar, trauern tut er aber nicht. Ich kann nicht sagen, in welchem Ausmaß er den Tod seiner Mutter realisiert. – Meine Tochter hat, jünger als Luca, offensichtlich mehr unter dem Tod ihres Katers gelitten. Sie wusste, dass er gestorben war.

Luca wirkt nicht traumatisiert, was seine Verhaltensweise für mich erklären könnte. Mander beschreibt ihn auch nicht als naive, überbehütete Halbwaise, deren Mutter ihr jede Begegnung mit der Realität erspart hätte. Sie hatte Männerbekanntschaften (und Luca wusste, „dass sie Sex machen“), sie hat ihn oft alleine gelassen und hat ihn – mehr streng als fürsorglich – behandelt, als ob er älter wäre.

Lucas Motiv

Luca ist in seinem Handeln vor allem von der Angst bestimmt, in ein Waisenhaus gebracht zu werden. – Diese Motivation ist mir zu schwach dafür, dass er tagelang allein neben seiner verwesenden Mutter lebt.

Doch das ist mein Eindruck. Andere konnten der Autorin sehr wohl glauben:

So kann man „Meine erste Lüge“ gewiss auch sehen. Gut geschrieben ist der Roman ja.

Von Werner Schuster

Infos:

Marina Mander wurde in Triest geboren und lebt und arbeitet als Kommunikations-Coach in Mailand. Sie schreibt Prosa seit sie denken kann und veröffentlichte bis dato mehrere Erzählungen und Theaterstücke. „Meine erste Lüge“ ist ihr erster Roman. Die Übersetzungsrechte wurden bislang in 10 Länder verkauft, das Buch wird demnächst verfilmt.