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Loewit, Günther: Wie viel Medizin überlebt der Mensch?

Sachbuch
Taschenbuch
280 Seiten
Erschienen 2013 bei Haymon

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]
Inhalt:

Mehr als 30 Milliarden Euro fließen in Österreich jährlich in den Gesundheitssektor. Die Ausgaben steigen von Jahr zu Jahr um 5 % und doch waren noch nie so viele Menschen krank wie heute. Scheitert die moderne Medizin an ihren eigenen Ansprüchen? Macht zu viel Medizin gar krank? Und wer sind die Nutznießer dieses Systems?Der Arzt und Schriftsteller Günther Loewit stellt in seinem neuen Buch unbequeme Fragen. Anhand authentischer Beispiele zeigt er, wie gefährlich die Spirale von Medikamenten, Operationen, Diagnosen und Therapien sein kann, warum Tabletten nicht das Allheilmittel für alle Beschwerden sind und dass es manchmal gesünder sein kann, nicht zum Arzt zu gehen. (Pressetext)

Kurzkritik:

Das Buch regt zum Nachdenken über die eigene Endlichkeit an. Es fordert aber auch unabhängige, selbstbewusste Ärzte, die ihren mündigen Patienten beratend und lebensbegleitend zur Seite stehen. Die Beziehung Arzt – Patient soll wieder in den Vordergrund treten und die Abhängigkeit von Politik und Pharmaindustrie beenden.

Besprechung:

Verlängertes Leiden

Schwerpunktmäßig beschäftigt sich das Buch mit dem Gesundheitswesen in Österreich und Deutschland. Dass Günther Loewit ein Querdenker seiner Zunft ist, mutet angesichts des Buchtitels nicht verwunderlich an. Der Allgemeinmediziner kritisiert, offeriert aber auch konkrete Lösungsvorschläge.

Er zeigt schonungslos auf, wie geschickt die Gesundheitsindustrie im Erfinden neuer Krankheiten ist, für die die Pharmabranche auch prompt die richtige Tablette anbieten kann. Ob das immer zum Vorteil der Patienten geschieht, wird anhand von Fallbeispielen eindrucksvoll verdeutlicht. Der Autor nimmt sich auch kein Blatt vor den Mund, was das Abhängigkeitsverhältnis niedergelassener Ärzte von Pharmariesen und Politik betrifft.

Besser ein kurzes, schönes Leben als ein langes Leiden, lässt sich sein Denken auf den Punkt bringen. Die lebensverlängernden Maßnahmen (Magensonden, Chemo, etc.), die oft nur dazu dienen, das Unausweichliche für ein paar wenige Monate aufzuschieben, sieht er extrem kritisch. Vor allem dann, wenn dem Tod quasi um jeden Preis noch ein paar Extra-Tage abgerungen werden, von denen der „Überlebende“ aber nichts hat, weil er die Zeit bestenfalls noch im Dämmerzustand erlebt. Verlängertes Leiden ist definitiv nicht gleichzusetzen mit verlängertem Leben, das macht der Autor mehr als deutlich.

Gefragt: unabhängige, selbstbewusste Ärzte

Aus seiner Sicht sind viele der bestehenden Ansätze nicht dazu geeignet, die Kostenexplosion im Gesundheitssystem zu stoppen – ganz im Gegenteil. Günther hält im letzten Kapitel ein (zu) emotionales Plädoyer für sich und seinesgleichen. Stellenweise klingt dieser „Abspann“ schon recht verbittert und relativiert leider den zuvor gewählten, sachlichen Schreibstil.

Fazit: Das Buch regt zum Nachdenken über die eigene Endlichkeit an. Es fordert aber auch unabhängige, selbstbewusste Ärzte, die ihren mündigen Patienten beratend und lebensbegleitend zur Seite stehen. Die Beziehung Arzt – Patient soll wieder in den Vordergrund treten und die Abhängigkeit von Politik und Pharmaindustrie beenden.

© Albert Knorr – siehe auch www.albert-knorr.com [5]

Infos:

Günther Loewit, geboren 1958 in Innsbruck, lebt und arbeitet als Allgemeinmediziner, Gemeindearzt und Schriftsteller in Marchegg/Niederösterreich. Langjähriges Engagement als Ärztekammerrat, Vorsitzender des Schlichtungsausschusses der Ärztekammer und Laienrichter am Arbeits- und Sozialgericht. Publikationen zu medizinischen und medizinphilosophischen Themen in Ärztezeitschriften, daneben literarische Publikationen seit 2004.

Mehr über Günther Loewit [6] bei www.guenther-loewit.at.