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Kluth, Carsten: Wenn das Land still ist

Roman
Hardcover
384 Seiten
Erschienen 2013 bei Piper

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]
Inhalt:

Vielleicht ist es nur die Aufmerksamkeit seiner Frau, die ihm fehlt. Vielleicht aber will Richter Harald Kronauer auch sich selbst beweisen, dass er Dinge in Bewegung setzen kann. Und deshalb lässt er sich auf eine riskante politische Karriere ein – und setzt dafür an einem heißen Augusttag seine Ehe und das Leben seiner Kinder aufs Spiel. (Pressetext)

Kurzkritik:

Carsten Kluth ist mit „Wenn das Land still ist“ ein sehr dichter, beunruhigender Roman gelungen. Dies nicht nur, weil sich die Haupthandlung innerhalb von 24 Stunden abspielt. Der Autor schildert die Auswirkungen der Klimaerwärmung ebenso drastisch wie die von Wirtschaftsinteressen gesteuerte, schmutzige Realpolitik inklusive Flüchtlingsproblematik und verbindet diese Themen zu einem glaubwürdigen Plot, der an keiner Stelle übertrieben scheint: So könnte es zugehen, so geht es wahrscheinlich zu.

Dass sich der Richter Harald Kronauer um Kinder und Haushalt kümmert, dient nicht bloß dazu, ihm anfänglich einen Charakterzug zu verpassen, sondern zieht sich durch den ganzen Roman, ist für dessen Fortgang sogar entscheidend – und nicht der Grund, warum er als Politiker keine Karriere macht.

Besprechung:

Halbe-Halbe in der Realpolitik

Halbe-Halbe. In Österreich gab es vor ein paar Jahren eine Aktion des Familienministeriums, in der Männern nahegelgt wurde, sich ungefähr zur Hälfte um Kinder und Haushalt zu kümmern. Harald Kronauer ist zunächst einmal so ein Halbe-Halbe-Ehemann. Und zumindest aus seiner Perspektive – der personal erzählte Roman ist ganz auf diese Hauptfigur konzentriert – macht er mehr als die Hälfte. Während sich seine Frau Johanne vor allem ihrer Galerie widmet, macht er Frühstück und bringt die Kinder in Kindergarten und Schule, bevor er, ein Richter, ins Büro fährt.

Ausgerechnet bei einer Vernissage in Johannas Galerie lernt Harald Martina Weingast kennen und beginnt ein Verhältnis mir der Politiker-Witwe und Vertrauten des Altkanzlers Herschel. (Parallel dazu ist er auf seine Frau eifersüchtig, der er eine Beziehung zu einem nigerianischen Maler unterstellt.) Martina beginnt, Harald als Kandidaten für den Bundestag aufzubauen. Von ihr beeinflusst, warnt er vor einer Massenbewegung von Klimaflüchtlingen nach Europa und macht sich für Climate Engineering stark (also für Eingriffe in geochemische Kreisläufe der Erde, um die Klimaerwärmung zu stoppen und/oder die CO2-Konzentration abzubauen).

Rain on Demand

Er unternimmt eine publicitywirksame Weltreise zu den zu „Hotspots“ des Klimawandels. (Seine Eltern verschieben einen Urlaub, um sich während seiner Abwesenheit um die Kinder kümmern zu können.) Unterwegs trifft er Hugo Müller von der Firma ROD (Rain on Demand), die unter anderem die Erzeugung lokaler künstlicher Niederschläge anbietet.

Nach der Reise drängt ihn Martina, das Buch „Die Verteidigung des Westens“ zu schreiben. Als der Staatssekretär im Bundesumweltministerium in einen Skandal verwickelt wird, setzt sich Martina dafür ein, dass Harald dessen Nachfolger werden soll. Vor einer eilig eiberufenen Pressekonferenz sind seine Kinder bei ihm; er möchte sie kurz allein im Auto lassen und vergisst sie dann dort Im Laufe der sich überstürzenden Ereignisse (was er zu vertuschen versucht und sich somit erpressbar macht.

Denn bei der Pressekonferenz erleidet der Altkanzler einen Herzinfarkt. Und Harald muss erkennen, dass er keiner guten Sache dient, sondern von seinen politischen „Freunden“ inklusive Martina für deren konkrete wirtschaftliche Interessen benutzt worden ist.

Beunruhigend verbunden

Carsten Kluth ist mit „Wenn das Land still ist“ ein sehr dichter, beunruhigender Roman gelungen. Dies nicht nur, weil sich die Haupthandlung innerhalb von 24 Stunden abspielt (in der Vergangenheit liegende Ereignisse werden in Rückblenden erzählt). Kluth – der als Berater für Politik und Wirtschaft arbeitet – schildert die Auswirkungen der Klimaerwärmung ebenso drastisch wie die von Wirtschaftsinteressen gesteuerte, schmutzige Realpolitik inklusive Flüchtlingsproblematik und verbindet diese Themen zu einem glaubwürdigen Plot, der an keiner Stelle übertrieben (und nur manchmal romanhaft zugespitzt) scheint: So könnte es zugehen, so geht es wahrscheinlich zu.

Dass sich Harald um Kinder und Haushalt kümmert, dient nicht bloß dazu, ihm anfänglich einen Charakterzug zu verpassen, sondern zieht sich durch den ganzen Roman, ist für dessen Fortgang sogar entscheidend und nicht der Grund, warum er als Politiker keine Karriere macht.

Von Werner Schuster

Infos:

Leseprobe [5] // YouTube-Interview mit Carsten Kluth [6]

Carsten Kluth, geboren 1972, hat in Berlin und New York Politische Wissenschaften studiert. Heute ist er Berater für Politik und Wirtschaft und arbeitet unter anderem für die Europäische Kommission. 2007 war er auf der Shortlist für den Deutschen Animationsdrehbuchpreis, 2009 für den Robert-Bosch-Förderpreis. „Wenn das Land still ist“ ist sein erster Roman. Carsten Kluth lebt mit seiner Familie in Berlin.

Mehr über Climate Engineering [7] bei Wikipedia.