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Feimer, Isabella: Der afghanische Koch

Roman
Hardcover
224 Seiten
Erschienen 2013 bei Septime

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]
Inhalt:

Er, im Afghanistan – sie, im Österreich der 80er Jahre groß geworden, seine Kindheit und Jugend geprägt durch militärische und religiöse Konflikte, ihre durch den behüteten Hintergrund eines durchschnittlichen westeuropäischen Bildungsbürgertums.
Ist Liebe ausreichend, wenn die Grenzen zwischen Nähe und Distanz, zwischen Haltgeben und Aneinanderklammern fließend sind? Gibt es eine gemeinsame Zukunft? (Pressetext)

Kurzkritik:

Von ihrer Liebe zu Rahman, dem afghanischen Koch, versucht das Ich zu erzählen. Der afghanische Koch, der gar kein Koch wäre, sondern Arzt, hätte er weiter studiert, hätte er nicht flüchten müssen, hätte er in Kabul noch Perspektiven gehabt.
Eine klare und sichere Stimme erzählt hier von den Gedanken einer jungen Frau zu ihrer Beziehung, zu Nähe und Selbstständigkeit, und thematisiert dabei zugleich die Schwierigkeit, einer Geschichte gerecht zu werden.

Besprechung:

Erdrückt von seiner Geschichte

Eine klare und sichere Stimme erzählt hier von den Gedanken einer jungen Frau zu ihrer Beziehung, zu Nähe und Selbstständigkeit, und thematisiert dabei zugleich die Schwierigkeit, einer Geschichte gerecht zu werden.

Von ihrer Liebe zu Rahman, dem afghanischen Koch, versucht das Ich zu erzählen. Der afghanische Koch, der gar kein Koch wäre, sondern Arzt, hätte er weiter studiert, hätte er nicht flüchten müssen, hätte er in Kabul noch Perspektiven gehabt, hätte er. Wenige Tage verbringen die beiden, seit einigen Monaten ein Paar, zusammen in der Wohnung einer Freundin, eine Art Kurzurlaub, während die Ich-Erzählerin überlegt, wie es weitergehen soll mit ihnen. Er verstrickt sich währenddessen in alte Geschichten mit Kokain dealenden „Freunden“ und Problemen wie dem Tod seines Cousins.

Die Bedeutungslosigkeit der eigenen Geschichte

Eigentlich soll sie seine Geschichte aufschreiben, die Geschichte seiner Kindheit, seiner Flucht, seines Lebens, sie sitzt zu Hause und fühlt sich erdrückt von dieser Geschichte. Was ist ihre eigene Geschichte schon dagegen, eine ganz und gar undramatische mitteleuropäische mittelständische Geschichte. Sie versucht, Sätze zu Papier zu bringen und nicht auf ihn zu warten und sich nicht zu viele Gedanken über die immer weiter zunehmende Nähe zwischen ihnen zu machen, weil ihr diese Gedanken neben seiner Geschichte ohnehin bedeutungslos erscheinen. Dagegenhalten kann sie nur den Großvater, der in Stalingrad war. Neben Szenen aus Rahmads Leben, aus der Ich-Perspektive geschildert, mischen sich so auch einzelne Szenen aus dem Leben des Großvaters in das Buch.

Ein unmittelbarer, mit sich ziehender Strudel

Dargestellt wird der Roman vor allem außerhalb dieser Szenen als rasche Abfolge von Aussagen und Gedanken, wobei nicht am Satzanfang erwähnt wird, wer spricht oder denkt, sondern als Einschub zwischendurch, manchmal wechselt auch der Sprecher im Satz von ihr zu ihm. Dadurch wirkt die Erzählung unmittelbar und zieht den Leser mit sich durch Wien und an seine Ränder. Eine klare und sichere Stimme erzählt hier von den Gedanken einer jungen Frau zu ihrer Beziehung, zu Nähe und Selbstständigkeit, und thematisiert dabei zugleich die Schwierigkeit, einer Geschichte gerecht zu werden.

Von Sabine Schönfellner

Infos:

Isabella Feimer, geboren 1976, lebt in Wien. Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaften an der Universität Wien und Engagements als freie Theater-Regisseurin in Wien und Niederösterreich. Der Teilnahme an der Leondinger Akademie für Literatur folgten erste Veröffentlichungen von Kurzgeschichten. Im Rahmen der 36. Tage der deutschen Literatur 2012 erhielt Isabella Feimer eine Nominierung für den Ingeborg-Bachmann-Preis. Noch im selben Jahr belegt sie den 2. Platz im Literaturwettbewerb der Akademie Graz mit einem Auszug aus ihrem Debütroman, „Der afghanische Koch“.

Mehr über Isabella Feimer bei www.isabellafeimer.com [5].