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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts

Novelle
Taschenbuch
191 Seiten (Text und Kommentar)
Erschienen 2007 bei Suhrkamp

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]
Inhalt:

Der „Taugenichts“ ist bis heute die bekannteste Erzählung der Romantik und gilt als Höhepunkt lyrisch-musikalischer Stimmungskunst. Die Geschichte um die Abenteuer eines träumerischen Müllerjungen erhebt die Liebe, die Weltoffenheit und die Wanderschaft zum schönsten Lebensinhalt. (Pressetext)

Kurzkritik:

Eichendorffs „Taugenichts“ ist irgendwie ein Buch, das man zu kennen glaubt, auch wenn man es noch gar nicht gelesen hat. Vielleicht liegt das an seiner Verwandtschaft etwa zu Hesses Peter Camenzind, Salingers Holden oder Plenzdorfs jungem W. – Oder daran, dass wir eigentlich alle gerne in den Tag hineinleben würden – und Glück dabei haben – wie Eichendorffs Figur?

Besprechung:

Für Hippies, Nazis und Marxisten

Eichendorffs „Taugenichts“ ist irgendwie ein Buch, das man zu kennen glaubt, auch wenn man es noch gar nicht gelesen hat. Vielleicht liegt das an seiner Verwandtschaft etwa zu Hesses Peter Camenzind, Salingers Holden oder Plenzdorfs jungem W. – Oder daran, dass wir eigentlich alle gerne in den Tag hineinleben würden – und Glück dabei haben – wie Eichendorffs Figur?

Oder daran, dass die namenlose Hauptfigur in den 1960ern von den Hippies und in den 1980ern von den Drop-outs (wieder-)entdeckt worden ist? Das hat nur über Umwege etwas zu bedeuten. Denn der Taugenichts taugte auch schon den Nationalsozialisten – sowie dem Marxisten Georg Lukács.

Einleuchtend

Peter Höfle spricht in seinem Kommentar von einer „schwer fassbaren ,Aussage‘ des Werkes“, eines Werkes also, dessen Gehalt eigentlich allen unmittelbar einleuchtet, die es lesen. Nur benennen können sie es vielleicht nicht. (Dies erinnert mich an Borges, der sinngemäß gemeint hat, jede/r wüsste, was Liebe ist, könne sie aber weder beschreiben noch erklären.)

Es fällt sogar schwer, den Inhalt des „Taugenichts“ wiederzugeben, d.h. man kann ihn schon wiedergeben, sollte es aber nicht tun, weil sich das Buch quasi vom Ende her erklärt und man dann den LeserInnen den Spaß verderben würde. Bis zum Schluss tappt man wie die Titelfigur im Dunkeln, wobei das weder die Figur noch die LeserInnen stört resp. stören wird – und eigentlich gar nicht stimmt. Denn der Taugenichts lebt in den Tag hinein und seine Tage sind immer hell, sonnig und höchstens kurzfristig bewölkt.

„Leider ziemlich viel zu tun“

Er wird eines Morgens von seinem Vater gescholten und beschließt daraufhin, in die Welt zu ziehen. Kaum hat er sein Heimatdorf verlassen, fährt schon eine Kutsche mit zwei schönen Damen vorbei, die den singenden und Geige spielenden Wandersmann bis kurz vor Wien auf ein Schloss mitnehmen. Dort wird ihm ein Posten als Gärtnerbursche angeboten. Er nimmt an, aber:

In dem Garten war schön leben, ich hatte täglich mein warmes Essen vollauf, und mehr Geld als ich zu Weine brauchte, nur hatte ich leider ziemlich viel zu tun.

Falsche Dame, falsches Italien

Kein Problem: Als der Zolleinnehmer des Landguts stirbt, wird er dessen Nachfolger – und hat so gut wie keine Arbeit dabei.

Nun hat er sich in eine der beiden Damen verliebt und als er glaubt, dass sie seine Zuneigung nicht erwidert, verlässt er Wien Richtung Italien. Auch auf dieser Reise ist ihm das Glück stets hold – und wenn nicht, wandert er einfach weiter. Schließlich kehrt er auch dem „falschen Italien“ den Rücken und nach Östrreich zurück, gelangt zufällig zu besagtem Schloss und macht endgültig sein Glück – mit seiner Angebeteten.

Hauptsache ein Happy End

Zuvor wird ihm – und uns – erklärt, dass er die ganze Zeit unfreiwillig an einer Intrige mitgewirkt hat, und weil er nicht wusste, dass er eine Rolle spielt, spielte er sie so überzeugend. Und wie dem Taugenichts ist auch den LeserInnen diese Intrige im nachhinein ziemlich gleichgültig, – Hauptsache, es gibt ein Happy End.

Dennoch wäre der „Taugenichts“ ohne die Rätsel, welche die Novelle aufgibt, nicht einmal der halbe Spaß. Peter Höfle erklärt uns, warum: Der „scheinbare Widerspruch zwischen dem Oberflächeneindruck einer eingängigen Liebesgeschichte und einer vertrackten, wenn auch in ihren Elementen trivialen Handlung bildet den Grundakkord, der die Frische der Erzählung fast 200 Jahre nach ihrer Entstehung noch immer gewährleistet.“

Oh ja, diese Novelle wird auch noch von vielen Generationen gelesen und – wie auch immer – verstanden werden.

Von Werner Schuster

Infos:

Joseph Freiherr von Eichendorff wurde 1788 auf Schloss Lubowitz in Oberschlesien geboren. Der Sohn eines preußischen Offiziers und Landedelmanns genoss eine aristokratisch-katholische Erziehung durch einen geistlichen Hauslehrer. Während seines Studiums der Rechtswissenschaften und der Philosophie in Halle kam er mit den romantischen Dichtungen von Novalis u.a. in Berührung. Noch vor Abschluss des Studiums wanderte er durch Deutschland und reiste nach Paris, wobei er 1808 in Heidelberg Arnim und Brentano begegnete und in Berlin Fichtes Vorlesungen hörte. Nach 1816 war Eichendorff im preußischen Staatsdienst tätig, ließ sich aber 1844 aufgrund konfessionell bedingter Meinungsverschiedenheiten pensionieren. Der bedeutendste Dichter der deutschen Hochromantik starb 1857 in Neiße, Schlesien.

Mehr über Joseph von Eichendorff [5] bei Wikipedia.