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02/03/13: One-Trick-Ponys

Seltsam. Einerseits ist „Paradies für alle“ (Knaur) wahrlich kein Gute-Laune-Buch (der 9-jährige Sohn eines Ehepaars, das sich auseinandergelebt hat, liegt nach einem Unfall im Koma), andererseits geht Antonia Michaelis nicht wirklich in die Tiefe. Die Figuren sind alle, was ich als „One-Trick-Ponys“ bezeichne, d.h. sie haben EINE Eigenschaft, die sie definiert und die ihr Verhalten bestimmt. Das findet man in Unterhaltungsromanen, das findet man aber auch bei John Irving.

Und so wollte ich gerne am vergeblichen Versuch Davids Anteil nehmen, das Paradies auf Erden zu errichten, aber die Mutter und Ich-Erzählerin Lovis ist so was von eindimensional: „Ich habe David vernachlässigt!“, raunt sie durch die ganzen 480 Seiten.

Dann hat David noch eine Art Tagebuch geführt, allerdings chiffriert, und Lovis muss von Eintrag zu Eintrag den Code knacken. Das hat was von einem Schriftsteller-Trick, der von Mal zu Mal skurriler wird.

Schließlich konnte ich Davids Welt-Errettungs-Versuch am Ende nicht nachvollziehen. Ein Neunjähriger, der bisher idealistisch, aber ziemlich vernünftig gewesen ist, kommt plötzlich auf so eine absurde Idee?

Andererseits ist das Buch gut aufgebaut und in sich stimmig (wenn man auch über manches nicht nachdenken darf). Aber insgesamt überwog für mich doch das Unbehagen an einer Geschichte, deren Autorin sich nicht zwischen Realismus und Esoterik entscheiden kann.

Ich habe das Buch jedenfalls an einem Abend durchgelesen, nicht weil es mich so gefesselt hat, sondern weil ich damit fertig werden wollte.