- Literaturmagazin Eselsohren –  - https://www.eselsohren.at -

Botsky, Katarina: In den Finsternissen

Novellen
Broschiert
108 Seiten
Hrsg. von Martin A. Völker
Erschienen 2012 bei Elsinor

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]
Inhalt:

Die Auswahl enthält zehn Novellen und zwei Gedichte der heute nahezu unbekannten Königsberger Schriftstellerin Katarina Botsky (1880-1945). Ihre Zeitgenossen schätzten sie als starke Vertreterin der literarischen Moderne. Ludwig Goldstein, Feuilletonleiter der bekannten Hartungschen Zeitung, bezeichnete Botsky als Ostpreußens erstes weibliches Kraft- und Originalgenie. In den Novellen, die sie zwischen 1911 und 1936 für die Zeitschrift Simplicissimus schrieb, widmet sich die Autorin den Verworfenen und Missgestalteten, jenen Menschen, die ausziehen, um Freude zu suchen und das Entsetzen finden. (Pressetext)

Kurzkritik:

Dies ist kein Buch für Menschen, die zur Erbauung oder Unterhaltung lesen. Es trägt nicht nur den Titel „In den Finsternissen“, die Novellen handeln auch durchgehend von finsteren Begebnissen hoffnungsloser Menschen.

Besprechung:

Erniedrigte und Beleidigte
am Rande der Gesellschaft

Dies ist kein Buch für Menschen, die zur Erbauung oder Unterhaltung lesen. Es trägt nicht nur den Titel „In den Finsternissen“, die Novellen handeln auch durchgehend von finsteren Begebnissen hoffnungsloser Menschen.

Und wer ist überhaupt Katarina Botsky? Die 1880 geborene deutsche Schriftstellerin wurde schon zu Lebzeiten vergessen, auch wenn ihr Werk auf jeden Fall die Zwischenkriegszeit „illustriert“ hat – in grauen Farbtönen. Ob niemand ihre Prosa lesen konnte (weil sie aus den Buchhandlungen verschwunden war) oder wollte, lässt sich schwer sagen. Vielleicht wollte das Publikum Ablenkung und keine Hinweise auf die Erniedrigten und Beleidigten am Rande der Gesellschaft.

Eine Hinrichtung

Will man das heute? Der Elsinor-Verlag jedenfalls versucht mit diesem Band, an die Schriftstellerin zu erinnern. Es ist ein deprimierendes Buch. „Die Amme“ handelt von einer ebensolchen, die ihr eigenes Kind vernachlässigt und sich für ein fremdes aufgeopfert hat. Bei einem Besuch mag sich dieses – mit 17 Jahren – nicht mehr an sie erinnern. Todtraurig schleicht sich die Amme davon.

Dies ist die einzige Novelle, in der die Figur ein individuelles Schicksal hat und nicht auch Opfer der „Gesellschaft“ ist. In „G.“ stirbt eine kranke Frau, die zwar arbeitet, sich aber ihre Medikamente nicht leisten kann. In „Die Hinrichtung“ wird eine ehemalige Prostituierte, die sich in einem Dorf als vornehme Dame etablieren konnte, von ihrer Vergangenheit eingeholt und öffentlich gedemütigt. in „Die Schuld“ verkauft eine gescheiterte Existenz ein wertvolles Kleid für nahezu nichts – und vertrinkt sogleich das bisschen Geld.

Das Pflegekind retten

In manchen Novellen hat mir Botsky zu dick aufgetragen, etwa in „Ziehkinder“, worin sie von geistig Zurückgebliebenen erzählt, die des Geldes wegen von einer Familie aufgenommen und vernachlässigt werden. Da wird ein Mädchen nicht nur in einem offenen Grab mit Erde zugedeckt (und gerettet), sondern ertrinkt bald darauf auch in einem Brunnen – und wird nur gerettet, weil es als Pflegekind eben Geld einbringt.

Weniger überzeichnet schildert sie in „Existenzen“ das Leben von Missgebildeten, die als schlecht bezahlte Jahrmarkt-Attraktionen arbeiten. Und wenn auch ins Groteske überzeichnet, so sind die nächtens eine – auch tagsüber finstere – Keller-Werkstatt heimsuchenden Ratten doch ein (mich) überzeugendes Bild für das aussichtslose Leben eines Handwerkers.

„Das Zischen der Ratten des Nachts“

Nicht das Zischen der Ratten des Nachts war für die in den Kellern am schwersten zu ertragen, – es war das frohe Morgenzwitschern der Vögel auf der Welt. –––

Ja, Botsky hat über „die in den Kellern“ geschrieben, deren Existenz damals wie heute von jenen geleugnet wird, die wenigstens äußerlich im Licht leben, die also nicht arm oder verarmt sind. Aus den Seiten dieses Buches quellen sie förmlich hervor. Angenehm zu lesen ist das, wie gesagt, nicht. Aber eindringlich beschrieben.

Von Werner Schuster

Infos:

Zeitgenossen der Königsberger Schriftstellerin Katarina Botsky (1880–1945) schätzten sie als starke Vertreterin der literarischen Moderne. Ludwig Goldstein, Feuilletonleiter der Hartungschen Zeitung, bezeichnete Botsky als Ostpreußens „erstes weibliches Kraft- und Originalgenie”.

Zum Elsinor-Verlag [5]