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De Paolis, Federica: Ich höre dir zu

Roman
Broschiert
288 Seiten
Erschienen 2012 bei Knaus
Aus dem Italienischen von Silvia Spatz
Originalausgabe: „Ti ascolto”,

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]
Inhalt:

Eine heimtückische Augenerkrankung ist der letzte Anstoß für Diego, an den Ort seiner Kindheit zurückzukehren. Seine Eltern sind tot, seine Schwester lebt in Amerika, doch die Wohnung der Familie wird gepflegt wie ein Museum. Nun verkriecht sich Diego hier – und macht eine interessante Entdeckung: Wenn das Telefon klingelt, kann das bedeuten, dass ein Hausbewohner telefoniert; dann kann Diego unbemerkt mithören. (Pressetext)

Kurzkritik:

Was würden Sie tun? Ihr Telefon läutet und anstatt, dass Sie angerufen werden, können Sie ein Gespräch Fremder belauschen. – Also ich würde lauschen. Und genau so handelt Diego. – Leider hat De Paolis dieser Figur ein Geheimnis angedichtet, dessen Enthüllung den guten Eindruck zerstört, den der Roman auf mich bis dahin gemacht hatte.

Besprechung:

Aufgepfropft

Was würden Sie tun? Ihr Telefon läutet und anstatt, dass Sie angerufen werden, können Sie ein Gespräch Fremder belauschen. – Also ich würde lauschen. Und genau so handelt Diego. – Leider hat De Paolis dieser Figur ein Geheimnis angedichtet, dessen Enthüllung den guten Eindruck zerstört, den der Roman auf mich bis dahin gemacht hatte.

Diego ist wegen einer Augenerkrankung in die leer stehende Wohnung seiner Eltern zurückkehrt und sich operieren lassen will. Seine Schwester hat ihm einen Zettel im Briefkasten hinterlassen mit der Nachricht „Tu so, als wärst du zu Hause.“

Amouröse Verwicklungen

„Das war nicht ohne Ironie“, lässt die Autorin ihren Ich-Erzähler schreiben. Diego ist ein einsamer, hoffnungsloser Mensch. Die Eltern sind gestorben, seine Schwester lebt in den USA, er hat sie seit fünf Jahren nicht gesehen.

Ein viel versprechendes Setting. Bald macht Diego nichts anderes mehr, als fremde Gespräche zu belauschen. Nicht nur sinnbildlich wartet er neben dem Telefon auf „Anrufe“ von Giulia, Marta, Irene und Agnese. „Selbstverständlich“ kann er irgendwann nicht anders, als sich in das Leben der anderen einzumischen. Ebenso selbstverständlich beginnen damit teils dramatische, teils amouröse Verwicklungen.

Betrogen

Das ist flott geschrieben und unterhaltsam. Doch der Schluss des Romans hat mich enttäuscht. De Paolis hat ihrem Diego ein Geheimnis angedichtet, das gegen Ende natürlich enthüllt wird. Leider ist dieses Geheimnis allzu überraschend. – Nicht hat darauf hingedeutet, und mit der Enthüllung wird auch nicht erklärt, warum Diego dies und jenes getan, geplant oder (nicht) gemacht hat. (Oder: Er hätte auch hundert andere Gründe gehabt haben können.)

Dies wirkt auf mich, als hätte De Paolis ursprünglich ein anderes Finale geplant, das nicht funktioniert hat, und so hat sie sich etwas Originelles ausgedacht, das auch nicht ideal, aber brauchbar war. Da der Roman deswegen aber auseinanderfällt, habe ich mich um das passende Ende einer an sich guten Geschichte betrogen gefühlt.

Von Werner Schuster

Infos:

Leseprobe [5]

Federica De Paolis, geboren 1971, ist in ihrer Heimat eine gefragte Drehbuchautorin. Bisher schrieb sie drei Romane, die in Italien alle Bestseller waren.