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Isabella Feimer: Mein Bachmannpreis

Isabella Feimer hat heuer um den Bachmannpreis wettgelesen. Für die Eselsohren beschreibt sie ihre Eindrücke und Erfahrungen:

Isabella Feimer

Isabella Feimer

Vieles von dem, was ich aus Klagenfurt mit nach Hause gebracht habe, ist fern von Jurydiskussion und Medienkritik, das meiste nachhaltig berührend und erfüllend.

Natürlich liegen Selbsttäuschung und subjektive Wahrheit eng beieinander, und selbstverständlich ist es mir unmöglich, objektiv zu schreiben. War ich doch Teil dieser Struktur, Teil eines Literaturmechanismus, der sich im Rahmen der Tage der deutschsprachigen Literatur widerspiegelt. Zu stark ist das persönliche Empfinden, die lebendigen Bilder, die mich immer noch begleiten ob Wachen oder Träumen.

Jetzt, eine Woche später ist die Anspannung abgefallen. Seit Ende Februar wusste ich von der Teilnahme, Mitte Mai war es publik gemacht geworden. Monate der Ungewissheit und einer leichten, aber stetigen Nervosität liegen hinter mir.

Alles begann damit, dass …

Alles begann damit, dass ich im vergangenen Jahr dem Lesewettbewerb als Zuschauerin beiwohnte und auf der Heimreise sich der Wunsch – oder die Gewissheit – in mir äußerte: „Nächstes Jahr liest du in Klagenfurt.“ So schickte ich Anfang dieses Jahres – beigelegt die für eine Einsendung verpflichtende Verlagsempfehlung – einen Text ein, schickte ihn an alle Juroren und Jurorinnen, zugegeben mit wenig Hoffnung auf Erfolg. Manch Schreibender, das wusste ich, bemüht sich Jahre um eine Teilnahme – und das vergeblich.

Als mich dann Ende Februar ein Anruf von Frau Caduff, meiner zukünftigen Jurorin, erreichte, konnte ich es kaum fassen, dass sie mich für eine Teilnahme in Erwägung zog. Noch war nichts beschlossen, denn sie schlug ein paar Tage Bedenkzeit für beide Seiten vor. Ich solle es mir gut überlegen, sagte sie, ich solle mir klar darüber werden, was mich dort erwarten könnte. So überlegte ich und kam zu dem Entschluss, nur Gutes könne mir dort passieren, denn ich habe noch keine Karriere, die wegen zu heftiger Textkritik in die Brüche gehen könnte. Ich wollte meine Chance im Business nutzen.

Wunderland

Isabella Feimer

Geboren 1976 in Mödling, lebt in Wien. Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaften an der Universität Wien. Besuch der Leondinger Akademie für Literatur.

Ich bin noch nicht lange im Literaturbetrieb und kam mit der Einladung zu dem 36. Tagen der deutschsprachigen Literatur einen Schritt weiter in ein Wunderland, in dem ich mich erst zurechtfinden muss. Mit freudiger Anspannung im Gepäck und dem Wissen um eine tolle Jurorin, die endlich persönlich kennenzulernen ich mich sehr freute, machte ich mich – froh auch, einmal wieder aus der gewohnten Umgebung rauszukommen – auf den Weg nach Klagenfurt. Freudig, weil ich in Klagenfurt auf mir liebe Menschen treffen würde, angespannt ob der unbekannten Situation – das Lesen vor den Kameras, das Juryfeedback, die zu erwartenden Pressekommentare –, die auf mich wartete.

Als gäbe es nur Literatur auf der Welt

Nach Klagenfurt zu kommen und die Bühne der Tage der deutschsprachigen Literatur zu betreten, heißt ein paar Tage in eine Parallelwelt einzutauchen. Es hat den Anschein, als gäbe es nur Literatur auf der Welt, nichts sonst. Wenn du Zeitung liest, liest du die Kulturseiten, die darüber berichten, wenn du vor Ort mit Bekannten oder dir nicht Bekannten ins Plaudern kommst, plauderst du über Literatur. Wenn die anderen Teilnehmer und Teilnehmerinnen lesen, sitzt du mit deinen Begleitern vor dem Landesstudio auf Heurigenbänken bei Kaffee und Würsteln und lauscht ihren Vorträgen und schüttelst gelegentlich den Kopf über manch (Ab-)Urteil der Jury, vor dem Auftritt wünscht man Glück, nach dem Auftritt umarmt man sich.

Ruth Klüger bei der Eröffnung

Ruth Klüger bei der Eröffnung

Und es gibt Feste. Es gibt die Eröffnung, deren Höhepunkt der beeindruckende Auftritt Ruth Klügers war (souverän mit iPad und leger ans Rednerpult gelehnt). In ihrer Rede sprach sie über die Wahrheit im Sinne Ingeborg Bachmanns und der Literatur. Das versuchte auch manch Politiker und Sponsor, im Sinne Ingeborg Bachmanns und der Hervorhebung der Bedeutung des Ironman-Kontest und des bevorstehenden Beachvolleyball-Turniers für die Stadt Klagenfurt.

Der Bürgermeisterempfang

Der Bürgermeisterempfang

Und es gibt tags darauf den Bürgermeister-Empfang, bei dem die gesammelte Literaturszene in Wörthersee-Sonnenuntergangs-Stimmung Wein schlürft und vom Buffet nascht. Bei diesem Fest finden sich die Autoren und Autorinnen untereinander, man lernt sich ein bisschen kennen, man sitzt im selben Boot, man hat sich – überraschend konkurrenzfrei – einiges zu erzählen.

Was dich in die Realität wieder zurückholt: Kommst du mit Klagenfurtern, die nichts mit Literatur zu tun haben, ins Gespräch (ja, auch das passiert!), gestehen sie dir, dass sie wenig bis nichts über den Bewerb wissen, ja, den gibt es, aber, was passiert denn dort?

James Bond und Stefan Zweigs

Mit 16 schrieb ich meine erste Geschichte, es war ein Text (leider habe ich ihn nicht mehr) inspiriert von James Bond-Filmen und Stefan Zweigs „Schachnovelle“, das Schreiben machte Freude. Als ich die Geschichte auf einer alten Schreibmaschine abgetippt hatte, gab ich sie meiner damaligen Deutschprofessorin. Wochen wartete ich gespannt auf ihr Feedback, dann endlich in einer großen Pause kam sie, meine Schreibmaschinenblätter in der Hand und mit versteinerter Miene, auf mich zu. Sie sagte, nein, nicht gut, Literatur heißt aus dem Leben schreiben, und sie gab mir die Seiten zurück und ich – jetzt würde ich sagen: fassungslos – gab daraufhin das Schreiben auf. Ein harsches Feedback damals, das ich in ähnlicher Intensität nie wieder erleben musste.

Vor- und Nachteile

Auch nicht nach meiner Lesung an diesem Samstag Anfang Juli. Diesbezüglich war es ein Vorteil, als Letzte zu lesen (der Nachteil: Die Sendezeit reichte nicht mehr für ein ausführliches Feedback), denn, hört man den Jurydiskussionen über die anderen Teilnehmer und Teilnehmerinnen zu, weiß man, was als Feedback über den eigenen Text zu erwarten ist. So kam auch der Kitsch- und Sentimentalitätsvorwurf nicht überraschend und ausgesprochen schmerzfrei. Mit dem Wissen, dass natürlich auch fürs Fernsehen und für Einschaltquoten argumentiert wurde, um dem Fernsehzuseher ein wenig Kontroverse und Unterhaltung zu bieten, und dass es sich um einen einzigen Text und weder um mein sonstiges literarischen Schaffen noch um meine Person handelte, nahm ich das Feedback gelassener, als ich im Vorfeld dachte, musste sogar aus ganzem Herzen über die eine oder andere Meldung schmunzeln.

Was mich allerdings überraschte – aber das tut es auch in anderen Feedbacksituationen und mittlerweile müsste ich auch darauf gefasst sein –, war, was an Inhalt und Subtext alles in einen Text hineininterpretiert werden kann, und so saß ich da, aufrecht für die Kamera, obwohl ich innerlich viel lieber nach der Anstrengung des Lesens abgespannt hätte, und dachte, ganz banal, „das hab ich nie geschrieben“ und „so war das nie intendiert.“

Frau Travnicek twittert in der Maske

Wäre ich vor Ort Zuschauer respektive einer meiner lieben und unterstützenden Begleiter gewesen, hätte sich das Schauspiel wohl anders zugetragen. Das Mitfiebern versetzte meine Begleiter in größere Nervosität als ich sie selbst vor allem direkt vor meinem Leseauftritt hatte. Ich war guter Dinge, freute mich aufs Lesen vor Publikum. Ich hatte großen Spass in der Maske, und während Herr Federmaier – und ich fand das echt cool – die Jury fotografierte, wie wir auf dem Fernsehschirm verfolgten, twitterte meine Maskenbegleitung (und ich bin ihr unendlich dankbar dafür, dass sie mir beistand) Frau Travnicek, und ich plauderte entspannt mit der Maskendame und der Organisatorin, die mich im Anschluss zu meinem Auftritt führte, über hübsche Kleidung und die Wichtigkeit von Schuhen (mein Thema!).

Isabella Feimer bei ihrer Lesung

Isabella Feimer bei ihrer Lesung

Dann der Auftritt, begleitet von einem kurzen, aber heftigen Nervositätsschub, als das Videoportrait lief, und dann … Wenn du mit Lesen beginnst, beginnt der Parallelfilm im Kopf, und ich schaute, ob das Wasserglas in Reichweite stand, rückte den Stuhl zurecht, dachte „langsam lesen“, dachte „wieso lässt der Lipgloss meine Lippen unangenehm zusammenkleben, so dass ich den Mund nicht richtig aufmachen kann“, dachte „wieso plaudert der Kameramann hinter mir und soll ich mich zu ihm drehen und sagen du oder ich?“, und ich sah die Zuschauer, wie sie gebannt meinem Vortag folgten.

Danach entspannte ich.

Ich überlegte nicht lang

Als ich in einem Interview nach der Lesung gefragt wurde, ob ich noch einmal antreten würde, sagte ich – und überlegte nicht lang –, es gibt Dinge, die macht man nur einmal, und es gibt in meinem Leben so vieles, was ich noch nicht getan habe.

Was somit von den Tagen der Literatur übrig blieb, ist schnell zusammengefasst: In mir gute Laune, trotz herber Pressemitteilungen, die sich die für sie griffigen Rosinen aus dem Juryurteil (nicht nur aus dem meinigen) herauspickten, gute Laune deshalb, weil ich eine großartige Jurorin hatte, die mir zur Seite stand, weil es viele berührend menschliche Momente mit den anderen Autoren und Autorinnen und manch einem aus dem Juroren- und Jurorinnenteam gab, und weil mich in diesen anstrengenden Tagen viel positive Energie und Unterstützung – sei es vor Ort oder von zu Hause – begleiteten.

„Haben Sie etwas hinzuzufügen?“

Aber auch der eine oder andere kritische Gedanke arbeitet in mir nach … Die Aufbereitung der gesamten Veranstaltung zum Beispiel und die fehlende Stimme der lesenden Autoren und Autorinnen (laut Statuten des Bewerbs hat der Autor das letzte Wort nach der Jurykritik, und bis vor zwei Jahren wurde man noch von Frau Stadler gefragt: „Haben Sie etwas hinzuzufügen?“). Vielleicht wäre es besser, man könnte als Autor oder Autorin mit der Jury über den eigenen Text mitdiskutieren, vielleicht stimmt das Fernsehformat nicht … Literatur im Fernsehen, geht das gut? Geht das gut aus, für alle Beteiligten?

Mein Resümee: Die Teilnahme an den 36. Tagen der deutschsprachigen Literatur half mir in Bezug auf meine Positionierung im Literaturbetrieb, regte mich zum Nachdenken an und gab mir die Chance, mein Schreiben auf einer großen Bühne präsentieren zu können. Ich bin glücklich, dabei gewesen zu sein. Ich traf tolle Menschen, war mit ebensolchen unterwegs, ich bin mit meinem Auftritt, der nicht nur eine Stunde dauert, sondern sich über die gesamten vier Tag gelegt hat, und mit meinem Vortrag, für den ich tolles Publikumsfeedback bekam, zufrieden.

Und, das Wichtigste, ich bin in einer richtigen Schreiblaune zurückgekehrt. Etwas Besseres kann man über einen Wettbewerb eigentlich nicht sagen, oder?

© Isabella Feimer

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