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Dörmann, Felix: Jazz

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Cover Doermann Jazz
  • Roman
  • Hardcover
  • Seiten
  • Erschienen 2012 bei Edition Atelier

Inhalt:

Ein sprachlich rasanter und einprägsamer Roman über Inflation und käufliche Liebe, den Rausch des schnellen Geldes und den Verlust aller Werte: Felix Dörmanns 1925 erschienener Roman Jazz erzählt vom unbarmherzigen Aufstieg – und Fall – eines skrupellosen Exilungarn und darüber, was Liebe und Gier mit einem Menschen „von heute“ machen. Dörmann skizziert in seinem wohl stärksten Roman bilder- und episodenreich die Zerrissenheit des faszinierend-berüchtigten „Jazz Age“ der 1920er-Jahre – und malt dabei ein staunenswert aktuelles Bild eines desillusionierten Wiens, Österreichs und Europas. (Pressetext)

Kurzkritik:

Wenn man das Buch zu Ende gelesen hat, taucht man auf wie aus einem Film. Keinem anspruchsvollen – gute Unterhaltung, die noch einen Weile nachklingt.

Es ist eine klassische Story: Zwei Männer lieben dieselbe Frau. Dörmann hat sie während einer Wirtschaftskrise angesiedelt und im Banker/Spekulanten-Milieu. Dort scheint sich während der letzten 90 Jahre wenig verändert zu haben. Insofern ist „Jazz“ sehr aktuell (– und man braucht kein Finanzexperte zu sein, um sich auszukennen). Auf der anderen Seite beschreibt Dörmann darin auch eine mittlerweile untergegangene Welt: das Wien kurz nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie.

Besprechung:

Speculators in love

Einen empfehlenswerten Roman hat der Autor und Journalist Alexander Kluy für die „edition atelier“-Reihe „Wiener Literaturen“ ausgegraben.

„Jazz“ ist sehr „filmisch“ (Dörmann war unter anderem auch Drehbuch-Autor). Das Buch ist temporeich, auf Dramatik und Effekt hin geschrieben, und die Charaktere sind nicht sehr tiefgründig. Das heißt, wir haben es mit einem Unterhaltungsroman im besten Sinn zu tun.

Ein grauer Novemberabend.
Trüb flackern die fahlen Lichter durch die schweren Nebel. Die Pflastersteine glänzen feucht.
Unsichtbare Lasten liegen schwer auf allen Seelen.
Marianne Hartenthurn kommt vom Begräbnis ihres Vaters.

Schlechte Zeiten!

Das hungernde Wien lebt „derzeit von den Almosen mitleidiger Ausländer“. Derzeit, das sind die 1920er-Jahre, und die hübsche, mittellose und naive Marianne muss zu Geld kommen. Sie wendet sich an den Rechtsanwalt Pummerer. Der meint:

Wird nicht leicht sein, ein Unterkommen zu finden. Schlechte Zeiten! (…) Wir sind Bettler mit Ausnahme der Herren Kriegsgewinner und Valutenschieber.

Mit Valutenschiebern haben wir es annähernd 100 Jahre später weiterhin zu tun. Pummerer will Marianne mit dem Finanzmann Wiesel verkuppeln, doch als sie sich Zudringlichkeiten verbittet, wenden sich ihre „Gönner“ von ihr ab.

Automobilagent, Juwelenhändler,
Klavierspieler in zweideutigen Lokalen …

Parallel dazu lernen wir den Ungarn Ernö Kalmar kennen. Der war nacheinander „Automobilagent, Juwelenhändler, Klavierspieler in zweideutigen Lokalen, Zeitungskolporteur, Inseratenagent und (…) Hauptmacher in der Redaktion eines oppositionellen Winkelblättchens.“ Nachdem der „roten Diktator“ Bela Kuhn gestürzt worden war, für den Kalmar Propaganda gemacht hatte, muss er aus Ungarn fliehen.

„Natürlich” landet er bei Marianne – als Untermieter, der sein Geld mit (Finanz-)Spekulationen macht. Kalmar ist so skrupellos wie erfolgreich. Bald finanziert er Marianne eine Tanzausbildung, bald ist er in der Lage, eine Bank zu gründen, die vor allem dazu dient, ihn und die Aktionäre reich zu machen.

Aufstieg und Untergang

Marianne hat Erfolg als Tänzerin, wird Kalmars Geliebte – und ist unglücklich an der Seite eines Mannes, der bald reicher und mächtiger ist als Wiesel, der Marianne immer noch begehrt. Doch Kalmar überspannt den Bogen und die Bank geht pleite. Wiesel und Marianne sind daran nicht schuldlos …

Es ist eine klassische Story: Zwei Männer lieben dieselbe Frau. Dörmann hat sie während einer Wirtschaftskrise angesiedelt und im Banker/Spekulanten-Milieu. Dort scheint sich während der letzten 90 Jahre wenig verändert zu haben. Kalmar macht nichts anderes als George Soros [5], der vor 20 Jahren auf dem Höhepunkt der EG-Währungskrise gegen das britische Pfund spekuliert und dabei eine Milliarde Dollar eingenommen hat.

Wien, 1920er-Jahre

Insofern ist „Jazz“ sehr aktuell (– und man braucht kein Finanzexperte zu sein, um sich auszukennen). Auf der anderen Seite beschreibt Dörmann darin auch eine mittlerweile untergegangene Welt: das Wien kurz nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie.

Wenn man das Buch zu Ende gelesen hat, taucht man auf wie aus einem Film. Keinem anspruchsvollen – gute Unterhaltung, wie gesagt, die noch einen Weile nachklingt.

Von Werner Schuster
Infos:

Felix Dörmann wurde 1870 in Wien geboren, wo er auch 1928 starb. Dörmann war österreichischer Schriftsteller, Librettist und Filmproduzent – eine der schillerndsten Persönlichkeiten des kulturellen Leben Wiens der Jahrhundertwende und Zwischenkriegszeit. Er verfasste eine Reihe von Libretti zu bis heute populären Operetten, etwa 1912 zu „Ein Walzertraum“ (zusammen mit Leopold Jacobson) von Oscar Straus. Dörmann zählte aber auch zu den Pionieren der österreichischen Kinogeschichte, gründete die Vindobona-Film und produzierte Filme wie „Die Musikantenlene“ oder „Die Zirkusgräfin“ mit dem damaligen österreichischen Publikumsliebling Eugenie „Jenny“ Bernay. 1925 veröffentlichte er seinen viel beachteten Roman „Jazz“.

Mehr über Felix Dörmann [6] bei Wikipedia.