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Schalansky, Judith: Der Hals der Giraffe

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover Schalansky Hals der Giraffe
  • Gastbeitrag
  • Roman
  • Hardcover
  • 224 Seiten
  • Erschienen 2011 bei Suhrkamp

Inhalt:

Anpassung ist alles, weiß Inge Lohmark. Schließlich unterrichtet sie seit mehr als dreißig Jahren Biologie. Dass ihre Schule in vier Jahren geschlossen werden soll, ist nicht zu ändern – in der schrumpfenden Kreisstadt im vorpommerschen Hinterland fehlt es an Kindern. Lohmarks Mann, der zu DDR-Zeiten Kühe besamt hat, züchtet nun Strauße, ihre Tochter Claudia ist vor Jahren in die USA gegangen und hat nicht vor, Kinder in die Welt zu setzen. Alle verweigern sich dem Lauf der Natur, den Inge Lohmark tagtäglich im Unterricht beschwört. Als sie Gefühle für eine Schülerin der 9. Klasse entwickelt, die über die übliche Hassliebe für die Jugend hinausgehen, gerät ihr biologistisches Weltbild ins Wanken. Mit immer absonderlicheren Einfällen versucht sie zu retten, was nicht mehr zu retten ist. (Pressetext)

Kurzkritik:

Was man von Inge Lohmark erfährt, sind hauptsächlich ihre Gedanken – gefühlskalt wäre eine treffende Bezeichnung für ihre Person. Wenn nicht so überaus klar wäre, dass es nicht die Gefühlskälte ist, die Frau Lohmark beherrscht, sondern eher das Fehlen von Gefühl und einer eigenen Sinneswahrnehmung. Sie erklärt sich alles, aber auch wirklich alles, über Ihre ganz eigenen Ansichten vom Überleben des Stärkeren, im Sinne der sich anpassenden Natur. Eine Anpassung, um in einer sich verändernden Welt zu überleben. Was Sie selbst für sich in keiner Weise schafft.

Schalansky hat so vieles in kurzen Abschnitten, wenigen Sätzen auf den Punkt gebracht. Auf Frau Lohmarks Punkt wohlgemerkt. Ein sehr eigentümliches Buch. Ein sehr eigene Welt. Ein sehr einprägsames Buch, wie die Rezensentin es vorher noch nicht gelesen hat.

Besprechung:

Gelebter Darwinismus

Inge Lohmark, die Protagonistin des Romans, ist Biologielehrerin an einer Schule in einer Kleinstadt in Vorpommern. Ihr Tage als Lehrerin sind gezählt. Denn es fehlen die Schüler in einem Landstrich, der von Abwanderung geprägt ist. Was durch Judith Schalansky einprägsam beschrieben wird. Darwinismus und dessen Anwendung auf ihre kleine Welt prägen das Denken und Handeln von Frau Lohmark.

Dieser Bildungsroman ist große Literatur. Bildungsroman, das passt in mehrfacher Hinsicht. Und selten habe ich einen Roman gelesen, in welchem der/die Schreibende so hinter der Hauptfigur verschwindet. Aber vielleicht ist das auch nur eine Mutmaßung, denn ich kenne Frau Judith Schalansky ja nicht. Wir werden beim Lesen Zeugen von Frau Lohmarks Gedanken, die so nahtlos in alle geschilderten Gespräche einfließen, dass es oft schwierig ist, beides auseinanderzuhalten. Was dem Roman aber überhaupt nicht abträglich ist, sondern Frau Lohmark und ihre Welt für den Leser nur noch verdichtet.

Fehlende Gefühle

Was man von Inge Lohmark erfährt, sind hauptsächlich ihre Gedanken – gefühlskalt wäre eine treffende Bezeichnung für ihre Person. Wenn nicht so überaus klar wäre, dass es nicht die Gefühlskälte ist, die Frau Lohmark beherrscht, sondern eher das Fehlen von Gefühl und einer eigenen Sinneswahrnehmung. Sie erklärt sich alles, aber auch wirklich alles, über Ihre ganz eigenen Ansichten vom Überleben des Stärkeren, im Sinne der sich anpassenden Natur. Eine Anpassung, um in einer sich verändernden Welt zu überleben. Was Sie selbst für sich in keiner Weise schafft.

Einprägsam, wunderschön

Schalansky hat so vieles in kurzen Abschnitten, wenigen Sätzen auf den Punkt gebracht. Auf Frau Lohmarks Punkt wohlgemerkt. Ein sehr eigentümliches Buch. Ein sehr eigene Welt. Ein sehr einprägsames Buch, wie ich es vorher noch nicht gelesen habe.

Außerdem wunderschön: Der Leineneinband mit Prägedruck.

Von Karolin Kaden
Infos:

Das meinen andere [5] (Perlentaucher-Rezensionsnotizen).

Judith Schalansky, 1980 in Greifswald geboren, studierte Kunstgeschichte und Kommunikationsdesign. Ihr literarisches Debüt, der Matrosenroman Blau steht dir nicht, erschien 2008. Für ihren Atlas der abgelegenen Inseln wurde sie unter anderem mit dem 1. Preis der Stiftung Buchkunst ausgezeichnet. Sie lebt als freie Schriftstellerin in Berlin.

Mehr über Judith Schalansky [6] bei Wikipedia.