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Klinger, Christian: Winzertod

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover Klinger Winzertod
  • Marco Martin ermittelt
  • Krimi
  • Taschenbuch
  • 276 Seiten
  • Erschienen 2012 bei Steinverlag

Inhalt:

Der Kirtag in Neufried am Bach ist jedes Jahr der gesellschaftliche Höhepunkt in dem kleinen Weinort im Nordwesten Wiens. Doch diesmal wird das Fest von einem Großbrand beim Traditionsweingut Fadinger überschattet. Ein Todesopfer, der alte Hausknecht, ist dabei zu beklagen. Die Enkelin des überraschend begüterten Toten glaubt nicht an die offizielle Unfallversion und engagiert den Privatdetektiv Marco Martin. Dieser beginnt in der Vergangenheit des weinseligen Ortes zu wühlen. Beinah zeitgleich finden Arbeiter am anderen Ende der Stadt beim Abbruch eines Einfamilienhauses die Leiche des alleinstehenden Verkäufers. Der Tatort ist mehr als rätselhaft. (Pressetext)

Kurzkritik:

Ich könnte nicht sagen, ob mir Marco Martin sympathisch ist oder nicht, dafür ist er mir zu skizzenhaft. Aber er hat gewiss das Zeug zu einer sich noch entwickelnden Serienfigur. Sein erster großer Fall gemahnt an beschaulich-britische (oder gemütlich-wienerische) Whodunits und zeichnet ein Bild von Wien und seinen BewohnerInnen, das – wären da keine Mobiltelefone – durchaus auch 30, 40 Jahre alt sein könnte.

Besprechung:

Ausbaufähig

Wenn Christian Klinger schreibt, dass er sich manchmal für seinen Figur Marco Martin hält, so teilt sich das im ersten Kriminalroman des Privatermittlers nicht ganz mit. Soll heißen: Martin bleibt etwas blass.

Der ehemalige Bestatter lebt nach einer gescheiterten Beziehung alleine, verträgt sich mit seinen Nachbarn nicht besonders gut, trinkt und isst gerne und sammelt Überraschungseier-Figuren. In der Regel scheint mit kleinen, gewöhnlichen Fällen beauftragt zu werden, die er mit hartnäckiger Recherche löst.

War es Brandstiftung? War es ein Unfall?

Ich könnte nicht sagen, ob mir Martin sympathisch ist oder nicht, dafür ist er mir zu skizzenhaft. Aber er hat gewiss das Zeug zu einer sich noch entwickelnden Serienfigur.

Jedenfalls ist der Krimi rund um das Thema „Wohnen“ gebaut: In der Parallelhandlung werden Hausbesitzer ermordet. Und Martin wohnt in einer Heurigengegend, die zunehmend von Neubauten verschandelt wird. Während gerade Kirtag gefeiert wird, brennt der alte Teil einer Buschenschank ab. Dabei kommt der Hausknecht ums Leben. War es Brandstiftung? War es Mord?

Dunkle Flecken in Neufried

Die Polizei glaubt an einen Unfall, und zufällig wird Martin mit den Ermittlungen beauftragt, bei denen ihm sein Onkel, ein pensionierter Versicherungs-Sachbearbeiter, ein wenig hilft.

Klinger beschreibt eine Heurigengegend der Gegenwart, die stark an das real existierende Neustift erinnert und von ihm Neufried genannt wird. Im Zuge seiner Ermittlungen stößt Martin auf dunkle Flecken in der Vergangenheit des Heurigen und seines Besitzers, die mit dem Zweiten Weltkrieg zu tun haben. Das bringt mich zu der Frage, ob in deutschen Krimis auch immer noch vorwiegend die Nazi-Vergangenheit aufgearbeitet wird oder ob das eine typisch österreichische Eigenart ist.

Wien und seinen BewohnerInnen

Die Fälle und die Ermittlungen gemahnen jedenfalls an beschaulich-britische (oder gemütlich-wienerische) Whodunits und zeichnen ein Bild von Wien und seinen BewohnerInnen, das – wären da keine Mobiltelefone – durchaus auch 30, 40 Jahre alt sein könnte.

Als Einheimischer frage ich mich, ob „wir“ immer noch so weinselig, grantig und höchstens oberflächlich freundlich sind. Jedenfalls eignet sich „Winzertod“ im Prinzip also auch als Wien-Touristen-Roman. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob einige im Dialekt geschriebene Dialoge andernorts verstanden werden:

„Wos soi i g‘sogt haben?“
„Dass die Chemikalien den Brand ausgelöst haben. (…)“
„Herst, des is ganz normal, dass es so was bei an Heurigen gibt. Vielleicht hab i nur g‘ratn, oder i hab‘s von an Feuerwehrmann gehört. Des zählt doch elfe.“

Von Werner Schuster
Infos:

Christian Klinger, geboren 1966 in Wien, versucht als studierter Jurist in seinen Krimis das zu bewirken, was sonst eher selten gelingt: der Gerechtigkeit zum Durchbruch zu verhelfen. Nach Einführung der Figur des Alfons Seidenbast in die Welt des österreichischen Kriminalromans („wahrscheinlich der österreichische Wallander“ –Literaturhaus Wien), wurde 2009 die Figur des Privatermittlers Marco Martin für die 5-Minuten-Krimis in der Sonntagspresse erschaffen. Seit dieser Zeit steckt der Autor in einer Identitätskrise und hält sich zeitweilig für die eigene Figur. Es darf daher nicht verwundern, wenn er manchmal in Trenchcoat, mit hochgestelltem Kragen und dunkler Sonnenbrille als Marco Martin zu einer Lesung erscheint.

Mehr über Christian Klinger [5] auf seiner Website.