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Mann, Klaus: Mephisto

Kurzkritik [1]Ihre Meinung [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover
  • Roman einer Karriere
  • Taschenbuch
  • 416 Seiten
  • Erschienen 1936, Neuausgabe 1981 bei Rowohlt

Inhalt:

„Mephisto“ erschien erstmals 1936 im Amsterdamer Exilverlag Querido, 1966 wurde seine Verbreitung in der BRD gerichtlich verboten, 1981 erschien trotz des Verbots eine Neuausgabe. Der Roman wurde zu einem Kultbuch: eine exemplarische Geschichte über Anpassung und Widerstand, Karrieredenken und künstlerische Moral.

Kurzkritik:

Mann hat meiner Meinung nach keinen politischen oder moralischen Roman geschrieben, sondern bloß ein Tableau abgeliefert, anhand dessen man sich über Anpassung und Widerstand, Karrieredenken und künstlerische Moral Gedanken machen kann. Die Gewissensfragen, die sich Höfgen im Szabó-Film stellt, stellt sich „derselbe“ bei Mann nie. Auch die Idee, dass seine Kunst abseits von aller Politik angesiedelt sei, findet man im Roman nicht.

Was Mann allerdings geschaffen hat, ist ein Symbol für künstlerisches Mitläufertum. Und es fällt schwer, dieses Symbol nicht mit Gründgens zu verwechseln, auch wenn der reale Mensch auf jeden Fall vielschichtiger gewesen sein muss.

Besprechung:

Gustaf Gründgens als Symbol

Darf man unterstellen, dass „Mephisto“ eines jener Bücher ist, das die meisten kennen, obwohl sie es nicht gelesen haben? Jedenfalls weiß man, nicht zuletzt dank der Verfilmung durch István Szabó mit Klaus Maria Brandauer, worum es geht: um Gustaf Gründgens. Um einen Schauspieler, Regisseur und Intendanten, der im Dritten Reich Karriere gemacht hat.

In „Mephisto“ gibt es weiters kaum eine Figur, die kein reales Vorbild gehabt hat, von Hitler, Göring und Göbbels bis Elisabeth Bergner, Max Reinhardt und Gottfried Benn. Klaus Mann hat zumindest die KünstlerInnen alle persönlich gekannt, ist mit Gründgens selbst auf der Bühne gestanden, und die Handlung deckt sich oberflächlich mit Gründgens‘ Lebenslauf und mit dem, was sich zwischen 1926 und 1936 in Deutschland tatsächlich ereignet hat.

Ein voyeuristisches Vergnügen

So eine Vorgehensweise hat ihre Stärken und Schwächen, und den Roman zu lesen ist auch ein voyeuristisches Vergnügen. Mann hat nicht klargelegt, wo die Grenzen zwischen Erfindung und Wahrheit liegen. Dass er aus dem homosexuellen Gründgens einen Masochisten gemacht hat, war wohl kein künstlerischer Trick, sondern eher der Einstellung seiner Zeit zur Sexualität geschuldet. Nazi ja, Schwuler nein.

Jedenfalls bleiben die Figuren, obwohl sie reale Vorbilder haben, in der Charakterisierung seltsam flach. Jede Figur hat ein wesentliches Merkmal, das ihr Handeln bestimmt. Hendrik Höfgen alias Gründgens, dessen Karriere wir von 1926 (Hamburger Künstlertheater) bis 1936 (Staatstheaterintendant) verfolgen, will ein Star werden und später dann bleiben. Otto Ulrichs alias Hans Otto ist quasi schon ein Widerstandskämpfer, noch bevor die Nazis an die Macht gekommen sind. Entwicklung findet im Außen statt.

Bloß ein Tableau

Man erfährt nicht, warum sich Höfgen/Gründgens ins Bett mit den Nazis legt, er tut es einfach. Wie wenig Reflexion er ihm zugetraut hat, zeigt Mann in der Schlussszene, als Höfgen im Schoß seiner Mutter greint, „ich bin doch nur ein ganz gewöhnlicher Schauspieler“.

Und so hat Mann meiner Meinung nach keinen politischen oder moralischen Roman geschrieben, sondern bloß ein Tableau abgeliefert, anhand dessen man sich über Anpassung und Widerstand, Karrieredenken und künstlerische Moral Gedanken machen kann. Die Gewissensfragen, die sich Höfgen im Szabó-Film stellt, stellt sich „derselbe“ bei Mann nie. Auch die Idee, dass seine Kunst abseits von aller Politik angesiedelt sei, findet man im Roman nicht.

Wer war Gründgens wirklich?

Was Mann allerdings geschaffen hat, ist ein Symbol für künstlerisches Mitläufertum. Und es fällt schwer, dieses Symbol nicht mit Gründgens zu verwechseln, auch wenn der reale Mensch auf jeden Fall vielschichtiger gewesen sein muss.

Mich jedenfalls hat „Mephisto“ auch motiviert, mich außer mit seinem Thema auch mit Gründgens selbst auseinanderzusetzen (siehe hier [5]), der nach seiner Verhaftung durch die Sowjets 1945 in Deutschland schon 1946 wieder spielen und Regie führen durfte.

Von Werner Schuster

Mehr Infos:

Geboren am 1906 in München als ältester Sohn Thomas und Katja Manns. Klaus Mann schrieb mit 15 Jahren erste Novellen. Es folgten die Gründung eines Theaterensembles mit Schwester Erika, Pamela Wedekind und Gustaf Gründgens, 1929 unternahm er eine Weltreise „rundherum“. In der Emigration (mit den Stationen Amsterdam, Zürich, Prag, Paris, ab 1936 USA) wurde er zur zentralen Figur der internationalen antifaschistischen Publizistik. Er gab die Zeitschriften „Die Sammlung“ (1933-35) und „Decision“ (1941-42) heraus, kehrte als US-Korrespondent nach Deutschland zurück. 1949 beging er aus persönlichen und politischen Motiven Selbstmord, nachdem er in dem von Pessimismus erfüllten Essay „Die Heimsuchung des europäischen Geistes“ noch einmal zur Besinnung aufgerufen hatte.

Mehr über Klaus Mann [6] und Gustaf Gründgens [7] bei Wikipedia.