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Buchpreis-Finalisten 2011

News- & Story-Esel [1]Die sechs Finalisten für den Deutschen Buchpreis 2011 stehen fest.

Die Jury des Deutschen Buchpreises 2011 hat sechs Romane nominiert. Auf der Shortlist stehen Werke der AutorInnen Jan Brandt, Eugen Ruge, Michael Buselmeier, Angelika Klüssendorf, Sibylle Lewitscharoff und Marlene Streeruwitz.

Auf der Liste seien „Bundesrepublikanische Anti-Idyllen“ ebenso vertreten wie „lakonische Gesellschaftsromane über die DDR“, sagte Jury-Vorsitzende Maike Albath. Auch die ostdeutsche Nomenklatura, westdeutsches Studentenleben, ostfriesische Provinz und das globalisierte Ambiente einer Sicherheitsfirma werde den Lesern in den Romanen nahe gebracht.

In den vergangenen fünf Monaten hatte die siebenköpfige Jury 198 Titel gesichtet, die zwischen Oktober 2010 und dem 14. September 2011 erschienen waren.

Wer gewonnen hat, wird am 10. Oktober – am Vorabend der Frankfurter Buchmesse – bekanntgegeben. Der/die Sieger/in erhält 25.000 Euro, die anderen FinalistInnen jeweils 2.500 Euro.

Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels vergibt die Auszeichnung seit 2005. Im vergangenen Jahr gewann die Schweizerin Melinda Nadj Abonji mit dem Roman Tauben fliegen auf (– zur Besprechung bei den Eselsohren [2]).

Die Shortlist

• Jan Brandt: Gegen die Welt [3] (DuMont, August 2011)

Inhalt: Ein Dorf in Ostfriesland, Kühe grasen auf den Wiesen, ab und zu zerreißt der Lärm eines Tieffliegers die Stille. Hinter den getrimmten Tujenhecken des Neubauviertels blühen die Blumen, in den Auffahrten glänzen frisch gewachste Neuwagen. In diese Welt wird Mitte der Siebzigerjahre Daniel Kuper, Spross einer Drogistendynastie, hineingeboren. Ein schmächtiger, verschlossener Junge mit viel zu viel Fantasie und zu wenigen Möglichkeiten. Doch bald geschehen seltsame Dinge: Mitten im Sommer kommt es zu heftigem Schneefall, ein Kornkreis entsteht, ein Schüler stellt sich auf die Bahngleise, Hakenkreuze tauchen an den Hauswänden auf. Für all das wird Daniel Kuper verantwortlich gemacht. Und je mehr er versucht, die Vorwürfe zu entkräften, desto stärker verstrickt er sich in ihnen. Daniel Kuper beginnt einen Kampf gegen das Dorf und seine Bewohner. Sie sind es, gegen die er aufbegehrt, und sie sind es, gegen die er am Ende verliert. Gegen die Welt ist ein großer deutscher Roman: über die Wende in Westdeutschland, über Popkultur in der Provinz und über Freundschaften, die nie zu Ende gehen. – Zur Leseprobe [4] (PDF)

Jan Brandt, geboren 1974 in Leer, spielte fünfzehn Jahre lang Fußball beim SV Concordia Ihrhove, studierte Geschichte und Literaturwissenschaft in Köln, London und Berlin. Er ist Autor und Journalist, unter anderem für die taz, die Wochenzeitung Jungle World, das Magazin NEON und die Berliner Seiten der FAZ.

• Michael Buselmeier: Wunsiedel [5] (Das Wunderhorn, März 2011)

Inhalt: Im Sommer 1964 hat der junge Ich-Erzähler Moritz Schoppe in dem oberfränkischen Städtchen Wunsiedel zehn leidvolle Wochen zugebracht; sein Engagement bei den dort alljährlich stattfindenden Luisenburg-Festspielen geriet zum Fiasko. Seine Bearbeitung des “Götz von Berlichingen” wurde als “zu intellektuell” verworfen, er bekam nur winzige Rollen zu spielen, auch für den angehenden Regisseur gab es angesichts schlampiger Inszenierungen so gut wie nichts zu lernen. Er litt an Heimweh. Unter den Schauspielern blieb er ein Fremder, Überflüssiger, von allen verlassen, auch von seiner Freundin, die ihn während seiner Abwesenheit betrog (wie bei Shakespeare Cressida den Troilus). Allein die Lektüre der Romane des in Wunsiedel geborenen Jean Paul, die poetische Kraft seiner Sprache, hielt ihn am Leben.44 Jahre später stellt sich der einstige “Verfinsterungsort” für Schoppe anders dar. Zwar hat er anfangs Schwierigkeiten, sich zurecht zu finden, doch es gefällt ihm auf Anhieb in der würzigen Luft des Fichtelgebirges, er unternimmt romantische Wanderungen in die fränkische Vergangenheit, forscht nach den Gräbern seiner Wirtsleute, seines alten Intendanten, und steht unerwartet vor dem Grab von Rudolf Heß. Auch den Hauptort frühen Unglücks, die Naturbühne der Luisenburg, sucht er auf, doch das einst so geliebte Theater ist ihm gänzlich fremd geworden, der Theaterrock endgültig zerschlissen. Im Gehen und Beobachten liegt die Chance eines Neuanfangs. – Zur Leseprobe [6] (PDF)

Michael Buselmeier, geboren 1938 in Berlin, wuchs in Heidelberg auf. Nach dem Abitur absolvierte er eine Ausbildung zum Schauspieler. Er war Regieassistent und studierte anschließend Germanistik und Kunstgeschichte an der Universität Heidelberg. Von 1972 bis 1976 lehrte er an verschiedenen Hochschulen. Der Schriftsteller und Lyriker lebt und arbeitet heute in Heidelberg.

• Angelika Klüssendorf: Das Mädchen [7] (Kiepenheuer & Witsch, August 2011)

Inhalt: Die berührende Geschichte einer Selbstbehauptung. Angelika Klüssendorf erzählt von einem jungen starken Mädchen, das sich herausarbeitet aus allem, was sie umgibt und niederhält: die tyrannische Mutter, die autoritären Lehrer, der bürokratische Staatsapparat. Am Anfang scheint alles schon zu Ende zu sein: Der Vater trinkt und taucht nur sporadisch auf, die Mutter lässt ihre Wut an den Kindern aus, die Klassenkameraden meiden das Mädchen, der jüngere Bruder kapselt sich völlig ab. Und doch gibt es eine Kraft, die das Mädchen trägt. Die Bilder aus “Brehm’s Tierleben”, die sie bewundert, der Traum vom kleinen Haus mit Garten auf dem Lande, Grimms Märchen. Und immer wieder Menschen, die ihr etwas bedeuten und die sie halten. Eines hat sie gelernt: Man muss sich holen, was man braucht. Auch wenn sie mehrfach beim Ladendiebstahl erwischt und schließlich ins Heim gesteckt wird, kann sie sich auch dort auf die neue Lage einstellen. Und das Kinderheim wird auf überraschende Weise zu einem Refugium, wo Kindheit erstmals gelebt werden kann. Mit ihrer klaren, knappen, präzisen Prosa, großer Lakonie und trockenem Humor versetzt Angelika Klüssendorf den Leser in eine Welt, die das Kindsein kaum zulässt. Atemlos folgt man einer Heranwachsenden, die nichts hat, worauf sie sich verlassen kann, trotzdem den Lebenswillen nicht verliert – kein bemitleidenswertes Opfer, sondern ein starker, abgründiger Charakter. – Zur Leseprobe [8] (PDF)

Angelika Klüssendorf, geboren 1958 in Ahrensburg, lebte von 1961 bis zu ihrer Übersiedlung 1985 in Leipzig; heute lebt sie in Berlin. Sie veröffentlichte unter anderem die Erzählungen “Sehnsüchte” und “Anfall von Glück”, den Roman “Alle leben so”, den Erzählungsband “Aus allen Himmeln” und zuletzt den Erzählungsband “Amateure”. Das Hörbuch erscheint im Herbst 2011 bei DHV.

• Sibylle Lewitscharoff: Blumenberg [9] (Suhrkamp, September 2011)

Inhalt: Groß, gelb, gelassen: mit berückender Selbstverständlichkeit liegt eines Nachts ein Löwe im Arbeitszimmer des angesehenen Philosophen Blumenberg. Die Glieder bequem auf dem Bucharateppich ausgestreckt, die Augen ruhig auf den Hausherrn gerichtet. Der gerät, mit einiger Mühe, nicht aus der Fassung, auch nicht, als der Löwe am nächsten Tag in seiner Vorlesung den Mittelgang herabtrottet, sich hin und her wiegend nach Raubkatzenart. Die Bänke sind voll besetzt, aber keiner der Zuhörer scheint ihn zu sehen. Ein raffinierter Studentenulk? Oder nicht doch viel eher eine Auszeichnung von höchster Stelle – für den letzten Philosophen, der diesen Löwen zu würdigen versteht? Das Auftauchen des Tieres wirkt in mehrerlei Leben hinein, nicht nur in das Leben Blumenbergs. Ohne es zu merken, gerät auch eine Handvoll Studenten in seinen Bann, unter ihnen der fadendünne Gerhard Optatus Baur, ein glühender Blumenbergianer, und die zarte, hochfahrende Isa, die sich mit vollen Segeln in den Falschen verliebt. »Blumenberg« ist nur nebenbei eine Hommage an einen großen Philosophen, vor allem ist es ein Roman voll mitreißendem Sprachwitz, ein Roman über einen hochsympathischen Weltbenenner, dem das Unbenennbare in Gestalt eines umgänglichen Löwen begegnet. – Zur Leseprobe [10] (PDF)

Sibylle Lewitscharoff, 1954 in Stuttgart geboren, lebt in Berlin. Für Pong erhielt sie 1998 den Ingeborg-Bachmann-Preis. 2007 wurde sie mit dem Preis der Literaturhäuser ausgezeichnet, 2008 mit dem Marie-Luise-Kaschnitz-Preis.
Preis der Leipziger Buchmesse 2009 für Apostoloff

• Eugen Ruge: In Zeiten des abnehmenden Lichts [11] (Rowohlt, September 2011)

Inhalt: Von den Jahren des Exils bis ins Wendejahr 89 und darüber hinaus reicht diese wechselvolle Geschichte einer deutschen Familie. Sie führt von Mexiko über Sibirien bis in die neu gegründete DDR, führt über die Gipfel und durch die Abgründe des 20. Jahrhunderts. So entsteht ein weites Panorama, ein großer Deutschlandroman, der, ungeheuer menschlich und komisch, Geschichte als Familiengeschichte erlebbar macht. «Günter Grass ging beim gespannten Zuhören die Pfeife aus.» Frankfurter Allgemeine Zeitung – Zur Leseprobe [12] (PDF)

Eugen Ruge, 1954 in Soswa (Ural) geboren,studierte Mathematik an der Humboldt-Universität und wurde wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentralinstitut für Physik der Erde. Er war Autor beim DEFA-Studio für Dokumentarfilm, bevor er 1988aus der DDR in den Westen ging. Seit 1989 arbeitet er hauptberuflich fürs Theater und für den Rundfunk als Autor und Übersetzer; er unterrichtete zeitweise an der Berliner UdK. 2009 wurde Eugen Ruge für sein erstes Prosamanuskript In Zeiten des abnehmenden Lichts mit dem Alfred-Döblin-Preis ausgezeichnet.

• Marlene Streeruwitz: Die Schmerzmacherin [13] (S. Fischer, September 2011)

Inhalt: Leute werden verschleppt, verschwinden, werden eingesperrt oder gefoltert. Amy arbeitet für einen privaten Sicherheitsservice, sie kann die Korruption und Gewalt nur ahnen, die sich als Abgrund hinter den geheimen Operationen abzeichnet. Als sie beschließt auszusteigen, gerät sie endgültig in die Fänge einer undurchsichtigen, aber brutalen Organisation.
Amys Verlorenheit korrespondiert mit dem Ringen um die Wahrnehmung der Realität. Was kann sie glauben? Wer ist sie selbst? Und vor allem: Was passierte an dem Tag, an den sie sich nicht erinnern kann?
Marlene Streeruwitz entwirft in ihrem meisterhaften Roman ein unheimliches und unvergessliches Szenario und fragt nach dem Ort des Individuums in einer zunehmend privatisierten Öffentlichkeit. – Zur Leseprobe [14] (PDF)

Marlene Streeruwitz, geboren in Baden bei Wien, Studium der Slawistik und Kunstgeschichte in Wien. Autorin und Regisseurin von Theaterstücken und Hörspielen. Für ihre Romane wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Die Autorin lebt in Wien und Berlin. 2009 erhielt sie den Peter-Rosegger-Literaturpreis der Steiermark.

Die restliche Longlist

• Volker Harry Altwasser: Letzte Fischer [15] (Matthes und Seitz Berlin, September 2011)

• Alex Capus: Léon und Louise [16] (Hanser, Februar 2011)

• Wilhelm Genazino: Wenn wir Tiere wären [17] (Hanser, Juli 2011)

• Navid Kermani: Dein Name [18] (Hanser, August 2011)

• Esther Kinsky: Banatsko [19] (Matthes und Seitz Berlin, Januar 2011)

• Doris Knecht: Gruber geht [20] (Rowohlt.Berlin, März 2011)

• Peter Kurzeck: Vorabend [21] (Stroemfeld, März 2011)

• Ludwig Laher: Verfahren [22] (Haymon, Februar 2011)

• Thomas Melle: Sickster [23] (Rowohlt.Berlin, September 2011)

• Klaus Modick: Sunset [24] (Eichborn, Februar 2011)

• Astrid Rosenfeld: Adams Erbe [25] (Diogenes, Februar 2011)

• Judith Schalansky: Der Hals der Giraffe [26] (Suhrkamp, September 2011)

• Jens Steiner: Hasenleben [27] (Dörlemann, Februar 2011)

• Antje Rávic Strubel: Sturz der Tage in die Nacht [28] (S. Fischer, August 2011)