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Sterchi, Beat: Blösch

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover Sterchi Bloesch [5]


Inhalt:

„Blösch“ handelt vom Leben eines Spaniers, der als Knecht auf einen Bauernhof kommt, von seinem friedlichen Leben mit den Kühen und von den nicht so friedlichen Dorfbewohnern. Ein Buch nicht für Empfindliche, aber von Empfindsamen handelnd, die ein Leben gegen ihre Natur führen müssen, mit dämonischer Poesie beschrieben. (Pressetext)

Kurzkritik:

Gastarbeiter, Bauern und Schlachter. In seinem Erstling hat Sterchi den Sprachlosen eine Stimme gegeben und einen faszinierenden (und gleichzeitig auch unangenehmen) Einblick in Welten geboten, über die man wohl kaum mehr als Klischeehaftes weiß.

Besprechung:

Die Anspruchslosigkeit der Knuchelkühe

1983, als der literarische Realismus schön langsam aus der Mode gekommen war, brachte der Diogenes-Verlag diesen Erstling heraus, in welchem Beat Sterchi sehr ausführlich und sehr realistisch über die (sich verändernden) Arbeitsbedingungen auf einem kleinen Schweizer Bauernhof und in Schlachthöfen schrieb.

Woher wusste Sterchi das alles so detailreich? Nun, er hatte eine Metzgerlehre gemacht und „auf dem Land“ gearbeitet. Was natürlich nicht bedeuten muss, dass man auch darüber schreiben kann; aber Sterchi konnte/kann es. Er kann es so ausgezeichnet, dass man einen faszinierenden (und gleichzeitig auch unangenehmen) Einblick bekommt in Welten, über die man wohl kaum mehr als Klischeehaftes weiß.

Altmodischer Bauer

Diese Beschreibungen sind eingebettet in die (Lebens-)Geschichte des spanischen Gastarbeiters Ambrosio. Den hat sich der Knuchelbauer geholt, welcher den damals modernen Melkmaschinen (und künstlicher Besamung und chemischen Hilfsmitteln) nicht traute: Der wollte qualitätvolle Milch und bestes Fleisch verkaufen.

Sprachloser Gastarbeiter

Seine eigenwillige Leitkuh hieß Blösch (wegen ihres ungescheckten, strohroten Fells), und mit der wird sich Ambrosio später vergleichen. Weil den die anderen Dorfbewohner beargwöhnt und schlecht behandelt hatten, hat ihn der Knuchelbauer an die Schlachterei weitergegeben. Und als Blösch dort geschlachtet wird, kann Ambrosio nicht mehr.

Ja, er hatte gelacht über die Passivität, über die Anspruchslosigkeit der Knuchelkühe, aber was da auf der Rampe einmal mehr vorgeführt wurde an bedingungslosem Gehorsam, an Unterwürfigkeit und ziellosem Muhen, das hatte er mittlerweile zu seinem Ekel an sich selbst kennengelernt.

Ambrosio, der sich zeit seines Lebens im Ausland wenigstens verständigen hätte wollen mit den Schweizern, aber für einen Sprachkurs zu müde und ausgelaugt war, der sich vergeblich darum bemüht hat, dass seine Frau und seine Kinder nachkommen, Ambrosio lässt alles liegen und stehen. Später rebelliert er sogar mit den anderen Schlachtern.

Schwizerdütsch

Sterchi erzählt dies größtenteils auktorial in einer Mischung aus Hochsprache und (verständlichem) Schweizerdeutsch, wechselt zeitlich hin und her zwischen Ambrosio am Bauernhof und im Schlachthof. Den Knuchelbauern verlieren wir irgendwann aus den Augen, während drei Schlachtern eine ausführlichere Lebensbeschreibung zuteil wird als Ambrosio selbst. Den erleben wir wie jemanden, mit dem wir uns nicht verständigen können.

Und auch wenn sich einiges geändert haben mag, so zeigt etwa dieses Tagebuch einer einwöchigen Schnupperlehre [6] aus dem Jahr 2005, dass es in Schlachthöfen nur bedingt anders zugeht als zu der Zeit, als Sterchi seinen in vielerlei Hinsicht umwerfenden Roman verfasst hat.

Von Werner Schuster
Infos:

Beat Sterchi, geb. 1949 in Bern, ging 1970 nach Kanada und studierte Anglistik. Von 1975-77 Sprachlehrer in Tegucigalpa (Honduras) und Beschäftigung mit lateinamerikanischer Literatur. Bis 1982 weitere Studien in Kanada. Deutsch- und Englischlehrer in Montreal. Kleine Veröffentlichungen. Lebt jetzt als freier Schriftsteller.

Mehr über Beat Sterchi [7] bei Wikipedia.