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Hoffmann, Wolfgang: Internatsgeschichten

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover Hoffmann Internatsgeschichten [5]


Inhalt:

Nach der Schule müssen sie täglich vier Stunden regungslos im Studiersaal sitzen. Dazu erleben die Kinder eine endlose Abfolge von Gewalt und Missbrauch: Der Direktor untersucht die Genitalien seiner Zöglinge; Erzieher schlagen Kinder aus eiskalter Berechnung oder purer Hilflosigkeit; ältere Schüler prügeln jüngere in regelmäßig organisierten Schlägerreihen. – Kein Szenario eines Horrorfilms, sondern ganz normaler Alltag in einem staatlichen Internat der 1970er Jahre. (Pressetext)

Kurzkritik:

Hätte Hoffmann „bloß“ seine Erinnerungen geschrieben, so blieben die „Internatsgeschichten“, was sie sind: ein erschütterndes Zeitdokument, ein authentischer Bericht über sexuelle Übergriffe und gewalttätige Zustände. Sich selbst zum Symbol für das System Internat in den 1970er-Jahren in Österreich zu machen, sprengt diesen Rahmen und ließ zumindest mich ratlos zurück.

Besprechung:

Leichtsinn unter widrigen Umständen

Dieses Buch will anhand einer persönlichen Tragödie ein System erklären, und das gelingt nicht.

Wolfgang Hoffmann hat bei einem „chemikalischen Experiment“ im Schlafsaal eines Internats ein Auge verloren. Zuvor hatte er im Bundeskonvikt Waidhofen in den 1970er-Jahren „eine endlose Abfolge von Gewalt und Missbrauch“ erlebt. Der Direktor untersuchte die Genitalien der Schüler und diese prügelten und schikanierten sich gegenseitig. Das schlecht ausgebildete und/oder desinteressierte Personal sah weg.

Schreckliche Zeiten

Das alles ist für sich genommen schrecklich. Aber ist der Unfall tatsächlich mit der mangelhaften pädagogischen Ausbildung des Aufsichtspersonals zu erklären? Hoffmann beklagt zu Recht, dass dieses nie zur Verantwortung gezogen wurde. Doch was hätten die besten PädagogInnen gegen seinen Leichtsinn tun können?

Das System Internat

Hätte Hoffmann „bloß“ seine Erinnerungen geschrieben, so blieben die „Internatsgeschichten“, was sie sind: ein erschütterndes Zeitdokument, ein authentischer Bericht über sexuelle Übergriffe und gewalttätige Zustände. Sich selbst zum Symbol für das System Internat in den 1970er-Jahren in Österreich zu machen, sprengt diesen Rahmen und ließ zumindest mich ratlos zurück. Ich denke, Hoffmanns Unfall hätte unter anderen, besseren Umständen auch heutzutage passieren können.

Von Werner Schuster
Infos:

Wolfgang Hoffmann, geboren 1959 in Eisenerz, ist auf Schloss Kassegg in den Steirischen Gesäusebergen aufgewachsen. Nach einem schweren Unfall und langen Krankenhausaufenthalten fand er zur Musik und zog bald als erfolgreicher Gitarrist und Liedermacher durch die Lande. Trotzdem setzte er seine betriebswirtschaftliche Ausbildung fort und wurde selbstständiger Hotelier, dann Unternehmensberater und schließlich Internetprovider. Mit dem ReSI entwickelte er eines der ersten regionalen Internetportale Österreichs. Daneben ist “WoHo” Verfasser zahlreicher Artikel, Reportagen und Glossen.