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West, Nathanael: Eine glatte Million

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover West Eine glatte Million [5]


Inhalt:

Nathanael Wests bitterböse Satire auf das Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist eines der abgründigsten Bücher der US-Literatur – von markerschütternder Tragik und zugleich zum Schreien komisch. Nie wurde der amerikanische Traum genüsslicher konterkariert als in dieser temporeichen Wildwestfarce. (Pressetext)

Kurzkritik:

Dieses Buch ist eine wahrlich böse Satire auf den amerikanischen Traum, und ganz nebenbei erfährt man einiges über die USA der 40er-Jahre und auch über die Eigenarten einiger Staaten.

Besprechung:

Ausgeträumt

Dieses Buch ist eine wahrlich böse Satire auf den amerikanischen Traum, und ganz nebenbei erfährt man einiges über die USA der 40er-Jahre und auch über die Eigenarten einiger Staaten.

Lemuel Pitkin macht sich aufs der Provinz auf nach New York, um das große Geld zu machen, doch leider wird er schon während der Bahnfahrt beraubt. Kurz darauf findet er sich unschuldig im Gefängnis wieder, wo man ihm aus Hygienegründen sämtliche Zähne zieht (!). In der Folge wird er zwar vorsichtiger, doch das nützt ihm wenig: bald fehlt ihm ein Auge und ein Bein.

Ein rechtsradikaler Diktator

Am Schluss wird er gar erschossen – und so zum Märtyrer. Sein Mentor, ein ehemaliger Präsident, der ihm immer wieder über den Weg läuft (unter anderem um mit ihm Gold zu schürfen), hat sich zum rechtsradikalen Diktator entwickelt. (So übertrieben, wie das klingt, ist das nicht, denkt man etwa an William Dudley Pelleys Silberhemden, welche – wie die White Legion oder die Vigilantes – Kommunisten, Katholiken, Juden und Schwarze bekämpften.)

Slapstick und Klischees

Auch der übrige Plot treibt bloß auf die Spitze, was im Prinzip möglich wäre. Wir haben es natürlich nicht mit einem realistischen Roman zu tun, viele Szenen erinnern an Slapstick-Filme, die Figuren sind wandelnde Klischees. Es gibt eine „arme Witwe“, einen „brutalen Polizisten“, einen „jüdischen Kaufmann“, einen „Revolverhelden“, einen „Indianerhäuptling“, einen „Sowjetagenten“ usw. usf.

Ein hundertprozentig amerikanisches Bordell

Und es gibt zum Beispiel auch ein Bordell, das sich vom anfänglichen „House of all Nations“ zu einem hundertprozentig amerikanischen Betrieb entwickelt hat und 1934 (während der „Buy American“-Zeit) mit Frauen und Innendekors à la Pennsylvania, Kentucky, Arkansas, New York, Wyoming, California, Oklahoma, Connecticut, Vermont etc. aufwartet.

Anspielungen, Parodien

Auf was Nathanael West in seinem turbulenten Roman alles angespielt hat, erfährt man in den Anmerkungen des Übersetzers Dieter E. Zimmer, der in seinem aufschlussreichen Nachwort z. B. auch anführt, dass West mit „Eine glatte Million“ vor allem die Romane Horatio Alger parodiert hat. Diesen Autor von insgesamt 119 Büchern, die das amerikanische Bewusstsein nachhaltig beeinflusst haben, kennen auch die Amerikaner nur noch dem Namen nach.

Doch für uns ist es wieder einmal an der Zeit, Nathanael West kennenzulernen. Zumindest „Eine glatte Million“ relativiert vieles, was seit dessen Entstehung vor über 75 Jahren als Satire bezeichnet wird.

Von Werner Schuster
Infos:

Leseprobe [6]

Nathanael West (1904–1940), Sohn litauischer Juden, wurde als Nathan Weinstein in New York geboren. In den 1930er-Jahren Drehbuchschreiber in Hollywood, war er mit so namhaften Schriftstellerkollegen wie F. Scott Fitzgerald oder Dashiell Hammett befreundet. Sein schmales Erzählwerk weist ihn als gewitzten Kritiker neuzeitlicher Glücksideologien aus.

Mehr über Nathanael West [7], Vigilantismus [8] und Horatio Alger [9] bei Wikipedia.