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Hovden, Magne: Scheißrentiere

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover Hovden Scheißrentiere [5]


Inhalt:

Leif und Roy, zwei Postler aus Kirkenes, träumen davon, das schnelle Geld zu machen. Da hat Leif eine geniale Idee: ein Erlebniscamp, in dem gestresste Urlauber wie Samen leben und im Kontakt mit der Natur wieder zu sich finden können. (Pressetext)

Kurzkritik:

Was nach Klamaukroman mit der banalen Handlung einer Sitcom klingt, entpuppt sich als eine wunderschöne, sarkastisch und dennoch liebevoll erzählte Geschichte des Scheiterns, der Sehnsucht nach Abenteuer, nach dem Ausbruch aus dem Alltag und dem großen Geld, das man dazu zu brauchen meint.

Besprechung:

Find your inner reindeer

Roy und Leif haben die Marketingidee des Jahrhunderts: Samenland! Touristen aufgepasst: Lebt wie ein Same, esst Rentiergulasch, jagt Rentiere mit dem Lasso, lernt joiken und findet euer inneres Rentier – mit Diplom. Der geheimnisvolle Schamane wird euch dabei behilflich sein. – Damit wollen die beiden viel Geld verdienen und neun Monate des Jahres im Süden Urlaub machen, denn die langweiligen Jobs bei der Post im kleinen Ort Kirkenes im Norden Norwegens hängen ihnen zum Hals heraus.

Also wird ein Grundstück gesucht, werden Rentiere geliehen, Samenzelte gestohlen, Ansuchen gestellt, wird gebastelt und gerodet und gesägt. Weniger Sorgen bereiten Roy und Leif, dass sie vom Leben und der Geschichte der Samen überhaupt keine Ahnung haben. Nebensache!

Der größte Raufbold Finnlands

Die beiden bleiben nicht unbeobachtet: Leider gilt der Kerl, dem sie die Zelte gestohlen haben, als einer der größten Raufbolde Finnlands. Ein Samenhasser sieht seine Chance für eine umfassende Rache gekommen. Und – die Polizei ist einem ihrer Freunde und Mitarbeiter wegen eines Verbrechens dicht auf der Spur. Doch Roy und Leif haben nur Augen für ihre authentische Feuerstelle, versetzen den billigen Vodka mit Farbstoff und füttern die Rentiere so gar nicht Rentier-gerecht. Was wiederum den Rentierzüchter nicht kalt lässt. Und dann kommen die ersten Touristen …

Männerroman

Was nach Klamaukroman mit der banalen Handlung einer Sitcom klingt, entpuppt sich als eine wunderschöne, sarkastisch und dennoch liebevoll erzählte Geschichte des Scheiterns, der Sehnsucht nach Abenteuer, nach dem Ausbruch aus dem Alltag und dem großen Geld, das man dazu zu brauchen meint.

Es gibt Romane und es gibt Frauenromane. Gäbe es dazu das Pendant der Männerromane – dieses Buch würde in dieses Genre gehören, ist aber auch für Frauen höchst vergnüglich zu lesen. Ich zum Beispiel kann mir jetzt etwas besser vorstellen, wie Männer ticken, wenn ihnen „fad im Schädl“ ist.

Schöner scheitern

Sehr gelungen fand ich den Schluss des Romans, da das Vorhersehbare einen plötzlichen Schlenker macht, der – für mich – die Kernaussage des Buches herausstellt: Wenn etwas so schön scheitert wie das „Samenland“, muss das nächste Projekt eine noch großartigere Niederlage sein.

Ein versöhnliches Buch für alle, die gern die Sandburgen der andern kaputtgemacht haben und dabei versehentlich auf ihre eigenen gestiegen sind.

Von Eva Schuster
Infos:

Magne Hovden, 1974 in Ålesund geboren, arbeitet als Schriftsteller, Cartoonist, Übersetzer, Literaturagent, Transportunternehmer und Goldgräber. Er hat in Norwegen mehrere Bücher veröffentlicht; „Scheißrentiere“ ist das erste, das auf Deutsch erscheint. Wie seine beiden Romanhelden lebt der Autor in Kirkenes, früher der letzte Außenposten der westlichen Welt nördlich des Polarkreise