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Lehmann, Christine: Malefizkrott

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

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Inhalt:

Lisa Nerz gerät in die deutsche Literatur- und Bücherszene, wo sie unverhofft als Leibwächterin gefragt ist. Denn eine junge Schriftstellerin, deren Roman gerade rasant die Gunst der deutschen Literaturkritiker erobert, sieht sich plötzlich hart angegriffen, und zwar keineswegs nur verbal (Pressetext)

Kurzkritik:

Dieser Krimi ist keiner der blutrünstigen Sorte, sondern erzählt kunstvoll mehrere Geschichten, die geschickt ineinander verwoben sind. Die Charaktere wirken sehr glaubhaft, die Hauptperson Lisa Nerz erscheint ehrlich und ungekünstelt, und die Sprache hat mit ihrer Comicbilder-erzeugenden Farbigkeit mein Herz erfrischt. Malefizkrott!

Was ich besonders geliebt habe, war, dass man mit diesem Buch so viel Hintergrundinformation quasi mitgekauft hat: Wissen über das Buchdruckergewerbe, über das Verlagswesen, über die linke Szene der 70er mittels einer so interessanten Geschichte zu erwerben, ist ein Vergnügen.

Besprechung:

Ein Buch über ein Buch in einem Buch

„Malefizkrott“, das ist ein guter Titel, dachte ich mir, das klingt frech, bizarr, witzig. Nur: Was heißt das? Nun, das wird im Krimi von Christine Lehmann des Öfteren erklärt, denn genau das wird die 17-jährige Kultautorin Lola Schrader immer wieder gefragt, nachdem sie aus ihrem gleichnamigen Debüt vorgelesen hat.

Die Journalistin Lisa Nerz, bisexuell und unangepasst, besucht mit ihrem Lebensgefährten, dem Oberstaatsanwalt Richard Weber, die erste öffentliche Lesung der jungen Autorin, die in dem Buchladen von Urs Ursprung stattfindet. Das sei nicht irgendein Buchladen, meint Weber, da hätten Größen wie Böll, Handke, Walser, Habermas gelesen. (In dieser Buchhandlung befindet sich außerdem ein besonderes Buch, in dessen Kern sich ein zweites, geheimes verbirgt, und dieses spielt in dieser Geschichte eine besondere Rolle. Doch mehr sei nicht verraten.)

Von einem Buchhasser bedroht

Während die junge Autorin im Keller ihre Lesung hält, wird in der Buchhandlung einen Stock höher ein Brand gelegt. Alle BesucherInnen kommen wohlbehalten nach draußen, doch Lisa findet heraus, dass der Brand womöglich zu einer Serie von Brandstiftungen in Buchläden gehört, die in letzter Zeit um sich greifen. Daraufhin wird Lisa von Lola Schraders Vater als deren Bodyguard engagiert, weil Schrader seine Tochter aufgrund diverser E-Mails eines „Buchhassers“ bedroht sieht. Tatsächlich geschehen bei der nächsten Lesung wieder rätselhafte Dinge, die Lisa immer tiefer in den Fall verwickeln. Als dann ein Mord direkt vor Lisas Augen passiert, kann sie ihre journalistische Neugier nicht mehr bezwingen und setzt alles daran, die Sache aufzuklären.

Fragen

Dabei stellen sich ihr einige Fragen:
Was tut ein Vater nicht alles, um den Verkauf des Buches seiner Tochter anzukurbeln? Waren die Drohbriefe echt?
Legt dieser „Buchhasser“ die Brände?
Hat die Geschichte womöglich einen politischen Hintergrund, der mit der linksextremen Terrorszene der 70er-Jahre zusammenhängt? Wieso ist ihr Lebensgefährte darin verwickelt?
Was hat dieses antiquarische Buch, das Weber ihr gezeigt hat, mit der ganzen Sache zu tun?
Ist diese Lola gefährdet, weil sie ihren Roman von anderen Autoren und aus dem Internet gestohlen hat? Und: Hat sie das wirklich?
Wer ist diese Person ohne Gesicht, die ihr im Laufe des Geschehens immer wieder begegnet?

Comicbilder-erzeugende Farbigkeit

Zum Schluss führen alle Fäden zusammen und finden ein logisches Ende. Dieser Krimi ist keiner der blutrünstigen Sorte, sondern erzählt kunstvoll mehrere Geschichten, die geschickt ineinander verwoben sind. Die Charaktere wirken sehr glaubhaft, die Hauptperson Lisa Nerz erscheint ehrlich und ungekünstelt, und die Sprache hat mit ihrer Comicbilder-erzeugenden Farbigkeit mein Herz erfrischt. Malefizkrott!

Was ich besonders geliebt habe, war, dass man mit diesem Buch so viel Hintergrundinformation quasi mitgekauft hat: Wissen über das Buchdruckergewerbe, über das Verlagswesen, über die linke Szene der 70er mittels einer so interessanten Geschichte zu erwerben, ist ein Vergnügen.

P. S.: Offenbar sind mir die neun andern Krimis mit Lisa Nerz als ermittelnder Hauptfigur bis jetzt entgangen. Das wird sich ändern! Ich will sie alle lesen.

Von Eva Schuster
Infos:

Christine Lehmann, geb. 1958 in Genf, lebt seit 1963 in Stuttgart, wo sie auch ihr literaturwissenschaftliches Studium mit der Promotion abschloss. Zahlreiche Reisen führten sie in den gesamten Mittelmeerraum, heute bezeichnet sie Spanien als ihre zweite Heimat. Als Journalistin hat Christine Lehmann unter anderem für EMMA und für die TAZ geschrieben, seit 1990 arbeitet sie als Nachrichtenredakteurin beim SWR-Hörfunk. Sie war außerdem als Übersetzerin und Herausgeberin von Anthologien tätig, verfasste zahlreiche Essays und veröffentlichte zwischen 1994 und 1999 Krimis.

Mehr über Christine Lehmann [6] bei Wikipedia.