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Tsokos, Michael: Der Totenleser

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover


Inhalt:

Nahezu täglich hat Michael Tsokos es mit Toten zu tun, die auf spektakuläre Weise ums Leben gekommen sind und die Frage aufwerfen: War es Suizid, war es ein Unfall oder war es Mord? In seinem zweiten Buch ist der bekannte Rechtsmediziner dem Tod erneut auf der Spur und schildert weitere unglaubliche Fälle aus eigener Erfahrung. (Pressetext)

Kurzkritik:

Es scheint, dass es Tsokos wichtig ist, verstanden zu werden. Das gelingt ihm deshalb so gut, weil er dem Leser/der Leserin auf Augenhöhe begegnet und rücksichtsvoll mit ihnen umgeht, nicht mit Fachtermini um sich schmeißt und Hintergründe und Methoden in einer sehr gut verständlichen Sprache beschreibt.

Der Respekt für die Toten jedoch, deren Schicksal er untersucht, ist in jeder Zeile spürbar und macht dieses Buch zu einer spannenden Lektüre, die sowohl Ehrfurcht vor dem Tod als auch vor dem Leben zu erwecken vermag.

Besprechung:

Respekt

In seinem neuen Buch erzählt uns Michael Tsokos – wie schon im ersten: „Dem Tod auf der Spur“ – zwölf Geschichten aus der Rechtsmedizin. Ich lese so etwas gerne; ich stamme aus einer Arztfamilie, mein Vater hat auch zeitweise in der Gerichtsmedizin gearbeitet, und ich erinnere mich an mein gespanntes Interesse, wenn er uns am Mittagstisch kuriose und grausige Einzelheiten aus seinem Arbeitsalltag erzählte, sehr zum Missvergnügen meiner Mutter, die dann regelmäßig das Fleisch stehen ließ.

Ich genehmigte mir also eine zweite Portion „unglaublicher Fälle aus der Rechtsmedizin“, wie am Cover angekündigt, einen Nachschlag sozusagen, in dem Glauben, sehr Ähnliches vorgesetzt zu bekommen, aber weil‘s so gut war –

Besser

Es war besser. Tsokos führt in diesem Buch viel tiefer in die Fälle hinein und beleuchtet das Umfeld der Verbrechen, Unfälle oder Selbstmordtragödien anschaulich und mit sehr viel Einfühlungsvermögen, ohne die Sensationsgier und den Voyeurismus zu bedienen, der wohl in jedem von uns steckt. Abermals versucht er deutlich zu machen, wie sehr sich das Vorgehen eines „normalen“ Rechtsmediziners von dem eines dieser Fernseh- und Filmkonglomerate aus Ermittler, Rechtsmediziner, Psychologe und Polizist unterscheidet, jedoch ohne das Gefühl zu erzeugen, dieser Beruf sei in Wahrheit trocken und langweilig.

Auf Augenhöhe

Es scheint, dass es Tsokos wichtig ist, verstanden zu werden. Das gelingt ihm deshalb so gut, weil er dem Leser/der Leserin auf Augenhöhe begegnet und rücksichtsvoll mit ihnen umgeht, nicht mit Fachtermini um sich schmeißt und Hintergründe und Methoden in einer sehr gut verständlichen Sprache beschreibt.

Der Respekt für die Toten jedoch, deren Schicksal er untersucht, ist in jeder Zeile spürbar und macht dieses Buch zu einer spannenden Lektüre, die sowohl Ehrfurcht vor dem Tod als auch vor dem Leben zu erwecken vermag.

Von Eva Schuster
Infos:

Prof. Dr. Michael Tsokos ist Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner. Er leitet das Institut für Rechtsmedizin der Charité und das Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin in Berlin. Als Mitglied der Identifizierungskommission des Bundeskriminalamtes war er an zahlreichen rechtsmedizinischen Projekten im In- und Ausland beteiligt. Für seinen Einsatz bei der Identifizierung deutscher Tsunami-Opfer in Thailand erhielten er und das deutsche Team 2005 den Medienpreis Bambi. Michael Tsokos wurde für seine wissenschaftlichen Leistungen mit zahlreichen nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet.