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Tabarovsky, Damián: Medizinische Autobiographie

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover


Inhalt:

Dami, Marketingspezialist in Buenos Aires, will die Spitze der Karriereleiter erklimmen und den globalisierten Turbokapitalismus befeuern. Dumm nur, dass sich immer, wenn es losgeht, der schrecklich unberechenbare eigene Körper einmischt. (Pressetext)

Kurzkritik:

Kaufen Sie sich doch Ihre trockenen, belehrenden, humorlosen, dicken Bücher, wenn Sie sich dann besser fühlen. Wenn Sie sich dann schlechter fühlen, können Sie ja immer noch, und dann mit einem Grund mehr, die „Medizinische Autobiographie“ lesen.

Besprechung:

Zehn Pesos für die Kalauerkasse

Lassen sie sich erstens einmal vom Titel nicht irreführen. Die „Medizinische Autobiographie“ ist zwar eine medizinische Autobiographie, aber kein, wie man vielleicht vermuten könnte, trockenes Buch, sondern, was man angesichts des Titels ja nicht glauben mag, ein komisches.

Und dann will ich auch einmal in Stereotypen schwelgen und sage deshalb: Ich liebe die lateinamerikanischen AutorInnen! Sie schreiben in der Regel keine Wälzer – unser Buch hat gerade mal 96 Seiten – und in dieser Kürze liegt nicht nur Würze (Anmerkung à la Tabarovsky: „Pardon! Zehn Pesos für die Kalauerkasse“), sondern oft auch mehr „Welthaltigkeit“ als bei jenen Amis und Deutschen, die es unter 500 Seiten nicht tun.

{Anders als Tabarovsky}

{Ob das jetzt alles so stimmt, sei mal dahingestellt. Es geht mir – vielleicht anders als Tabarovsky – mehr um die Aussage als um die Richtigkeit der Argumente. (Und kommen sie mir jetzt nicht mit Garc√≠a Márquez oder gar „2666“!)}

Sie, also die lateinamerikanischen AutorInnen, brauchen nicht einmal einen nennenswerten Plot. Tabarovsky zum Beispiel erzählt über einen Marketingspezialisten in Buenos Aires, der immer dann krank wird, wenn es drauf ankommt. Blöde Körper!

Weiß man

Ja, es geht Tabarovsky sicher darum, den „globalisierten Turbokapitalismus“ zu kritisieren, und er will bestimmt nicht bloß sagen, dass unsere Körper dafür nicht wirklich geeignet sind. Das wissen wir eh alle. Das ist gegessen.

Aber was dem guten alten Tabarovsky dazu alles eingefallen ist! Es ist, ich muss Sie da jetzt enttäuschen, leider kaum wider zu geben, aber sagen wir mal so: Tabarovsky ist ein Intellektueller, der – (wieder so eine Super-Unterstellung:) als Deutschsprachiger kann man da ja nur staunen – Humor hat und wirklich witzig ist. Der muss sich auch nicht hinter Unverständlichkeit verstecken, weil er erstens wirklich was zu sagen hat und zweitens möchte, dass Uneingeweihte das auch mitbekommen.

Kann man ja nicht wissen

Aber verstehen Sie mich da jetzt nicht falsch: Tabarovsky will uns nicht belehren (vielleicht doch, aber das kann man ja nicht wissen), sondern unterhalten. Niveauvoll. Und in, ich sagte es schon, aller gebotenen Kürze.

Wenn Sie das alles jetzt immer noch nicht davon überzeugt hat, sich dieses Büchlein zuzulegen, dann ist Ihnen nicht zu helfen. Kaufen Sie sich doch Ihre trockenen und/oder belehrenden und/oder humorlosen und/oder dicken Bücher, wenn Sie sich dann besser fühlen. (Wenn Sie sich dann schlechter fühlen, können Sie ja immer noch, und dann mit einem Grund mehr, die „Medizinische Autobiographie“ lesen.)

Von Werner Schuster
Infos:

Leseprobe [5] (PDF)

Damián Tabarovsky, geboren 1967 in Buenos Aires, hat neben mehreren Romanen zahlreiche literarische und politische Essays geschrieben; 2004 sorgte er mit der Abhandlung „Literatura de izquierda“ in seinem Land für eine anhaltende polemische Debatte.