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Pistotnig, Silvia: Nachricht von Niemand

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover


Inhalt:

Luise hat eigentlich genug um die Ohren, doch mitten in den alltäglichen Trubel hinein funkt plötzlich eine E-Mail-Nachricht von einem Unbekannten namens Noone, die Lu zunächst als Scherz abtut. Als sich die Mails aber immer öfter in ihrem Posteingang einstellen, muss sie bald erkennen, dass es jemand da draußen ernst meint mit ihr, und klickt eines Tages auf Antworten. (Pressetext)

Kurzkritik:

„Nachricht von Niemand“ hebt sich angenehm von den vorlauten, superwitzigen, oberflächlich lärmenden Frauenromanen ab und erzählt eine eigentlich unspektakuläre Geschichte mit feiner Feder, charmant und spannend. Für mich ergeben Inhalt und Form ein sehr ansprechendes und gelungenes Ganzes.

Besprechung:

Good News

Manchmal kann ein Buch wie ein Füllhorn sein: Da entrollt sich ein ganzes Bündel an Geschichten, ein Erzählstrang dicker, ein anderer dünner, einer im Plauderton, ein anderer in poetischer Sprache erzählt –

Ich habe Luise (kurz: Lu), die Hauptperson des Romans, gut kennen gelernt:
Lus Mutter ist verrückt und lebt allein und zurückgezogen.
Lus Vater ist schon in Lus Kindheit vor dieser Situation geflüchtet, und jetzt will er auf einmal Wiedergutmachung bei seinen Töchtern leisten. Mit Geld.
Lus kleine Schwester reist viel und scheint das Leben leicht zu nehmen, leichter als Lu jedenfalls. Dabei war sie als Kind so schutzbedürftig.
Lus neuer Job ist so lala.
Lus beste Freundin ist schwanger.
Lus Liebhaber will sich nicht binden, und seinen Sohn darf Lu auch nicht kennen lernen. Sex will er schon mit ihr haben.

noone

Mitten in dieser Lebensgeschichte erhält Lu eine E-Mail von einer Person, die sich „noone“ –also „niemand“ – nennt. Nachdem Lu alle Möglichkeiten durchgedacht und mit Freunden diskutiert hat, von Stalker bis Wahnsinniger bis einsamer alter Mann, beschließt sie, zu antworten. Von da an entfaltet sich ein wunderschöner Dialog zwischen zwei sehr unterschiedlichen Menschen.

Langsam öffnen

Der Wechsel zwischen der zarten, poetischen, eleganten Sprache von „noone“ und der schnoddrigen E-Mail-Slang Lus ist sehr reizvoll, weil sich gut beobachten lässt, wie der Einfluss des einen auf die andere langsam wächst. Wie Lu, die sich gern unangepasst und hart im Nehmen präsentiert, sich langsam öffnen kann und so nicht nur „noone“ Einblick in ihre Seele gewährt, sondern auch sich selbst. Ob dieser „noone“ männlich ist oder weiblich, jung oder alt, reich oder arm, darüber spekuliert man wohl ebenso eifrig wie Lu selbst, oder ist es etwa unerheblich, wem man seine innersten Gedanken offenbart?

Der Kreis schließt sich

Dieser Roman ist eine amüsante, glaubwürdige und einfühlsame Collage aus dem Leben einer jungen Frau, durch die sich als roter Faden ein rätselhafter und für beide Seiten aufschlussreicher Dialog mit einem unbekannten Menschen zieht. Als sich der Kreis dann schließt, am Ende des Buches, tut er das lebensnah und dennoch überraschend und bemüht nicht irgendeinen konstruierten Knaller zur Unterhaltung der LeserInnenschaft.

Feine Feder

Was mir besonders gefallen hat, war die Kunst, mit verschiedenen Sprachfacetten den unterschiedlichen Strängen der Handlung zusätzlich eine eigene Färbung zu verleihen. „Nachricht von Niemand“ hebt sich angenehm von den vorlauten, superwitzigen, oberflächlich lärmenden Frauenromanen ab und erzählt eine eigentlich unspektakuläre Geschichte mit feiner Feder, charmant und spannend. Für mich ergeben Inhalt und Form ein sehr ansprechendes und gelungenes Ganzes.

Von Werner Schuster
Infos:

Silvia Pistotnig, geboren 1977 in Kärnten, lebt in Wien. Studium der Publizistik und Politikwissenschaften, arbeitet als Redakteurin. Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften (Podium, Macondo, Sterz etc.) sowie in den Fotobänden „En Détail. Alte Wiener Läden“ von Petra Rainer und „Wien im Licht der Nacht“ von Klaus Bock. Erhielt zweifach das Arbeitsstipendium für Literatur des BKA.