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Christmas, Jane: Reisen mit Mama

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover


Inhalt:

Jane Christmas hat zwei Ehen hinter sich, drei erwachsene Kinder und ist erfolgreiche Journalistin. Für ihre Mutter Valeria aber ist und bleibt sie die ewige Tochter, deren Männergeschichten, Erziehungsmethoden und Haarschnitt ausgiebig kommentiert werden. Als Jane ihre dickköpfige Mama nach Italien einlädt, ahnt sie dennoch nicht, worauf sie sich einlässt. Sechs Wochen lang lernen die beiden Apulien und die Amalfiküste, Rom, die Toskana und Venedig auf ganz eigene Weise kennen. Mit im Gepäck: Valerias Herzmedikamente, die Gesundheitsschuhe und ihr knallroter Gehwagen. (Pressetext)

Kurzkritik:

Die oft urkomischen Situationen werden nie um des Gags willen beschrieben, sondern illustrieren aufs Köstlichste eine schwierige Beziehung während einer anstrengenden Reise weit weg von Zuhause.

Besprechung:

„Wo warst du so lange!?“

Als erstes sprang mir das Cover ins Auge: Eine alte Frau mit Rollator geht eine endlose Zypressenallee entlang. Das kann nicht gehen, dachte ich mir. Und: Das will ich lesen.

Die Kanadierin Jane Christmas liebt alles Italienische und will sich einen Herzenswunsch erfüllen: Sechs Wochen Italien! Aber nicht ohne ihre Mutter, denn die ist schon sehr alt und fängt an, gebrechlich zu werden, und Jane sieht eine Chance, während einer gemeinsamen Reise in ein so schönes Land auch die schwierige Mutter-Tochterbeziehung aufzuarbeiten, ehe es zu spät dafür ist.

Eigenwillige und stur

Ihr guter Wille wird von Anfang an hart auf die Probe gestellt, denn ihre Mutter ist eine sehr eigenwillige und sture Person, die Jane nicht nur damit zu schaffen macht, dass sie keine Stufen mehr steigen kann und pünktlich um sechs Uhr zu Abend essen will (in Italien!), sondern sie auch keine Minute von ihrer Seite lässt.

Extrem anstrengend

So gestaltet sich die Reise für Jane extrem anstrengend: Sie ist für alles zuständig, Unterkünfte, Autofahrten, Verpflegung, Ortsbesichtigungen, die behindertengerecht sind, und nicht zuletzt dafür, dass immer eine Toilette in der Nähe ist, denn die Inkontinenz ihrer Mutter schlägt oft sehr unerwartet zu. Das lässt bei ihr keine rechte „Italien“-Stimmung aufkommen, vor allem, weil ihre Mutter, so robust und unverwüstlich sie sich zu geben versucht, doch immer etwas auszusetzen hat.

Bereichernd

Warum diese Italienreise letztendlich doch für beide eine Bereicherung war? Weil beide etwas über sich und die andere gelernt haben und sich dadurch näher gekommen sind als in der „Ich-besuche-dich-alle-zwei-Wochen“-Beziehung, die sie vorher hatten.

Hysterisch

Alle Töchter haben eine Mutter und naturgegeben mit dieser auch eine Beziehung. Meine ist eher eine unglückliche, daher war es für mich eine Erleichterung zu lesen, dass auch eine andere Mutter Aktionen setzen kann wie hysterisch die Polizei zu rufen, wenn die Tochter eine halbe Stunde alleine ein Museum besuchen will, in das die Mutter nicht hineinkommt, weil zwei Stufen zum Eingang hinauf führen. Und dass die Ambivalenz der Gefühle auch bei anderen Töchtern zu Schuldgefühlen und Selbstverpflichtungen führt und gleichzeitig Trotz hervorruft.

Verbunden

Jane Christmas gelingt es auch deshalb, diese Gefühle der Verbundenheit in mir zu wecken, weil sie so ungeschminkt, offen, fast rücksichtslos ehrlich über diese Reise schreibt. Nie ist dieses Buch rührselig oder kitschig, dafür voll des trockenen Humors. Die oft urkomischen Situationen werden nie um des Gags willen beschrieben, sondern illustrieren aufs Köstlichste eine schwierige Beziehung während einer anstrengenden Reise weit weg von Zuhause.

Liebe

Und man spürt Italien! Liebevoll beschriebene Details, ein Blick auf die Landschaft hier, ein Lob des italienischen Straßenbaus da – Die ganze Lektüre hindurch schimmert schlicht und unaufdringlich Janes Liebe zu diesem Land durch die Zeilen – so wie die Liebe zu ihrer Mutter.

Von Eva Schuster
Infos:

Jane Christmas, 1954 in Toronto geboren, hat als Journalistin und Reiseautorin gearbeitet, u.a. für „Globe and Mail“ und die „National Post“, und lebt in Hamilton (Ontario). Bislang hat sie in ihrer Heimat drei Bücher veröffentlicht.

Mehr über Jane Christmas auf www.janechristmas.ca [5].