- Literaturmagazin Eselsohren –  - https://www.eselsohren.at -

Kehrer/Nones: Teufelswand

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover
Die Tragödie der Unterkircher-Expedition am Nanga Parbat
Erschienen 2010 bei Malik (Piper)
Aus dem Italienischen von Christine Kopp
Originalausgabe: „√à la montagna che chiama“, 2009
Inhalt:

Juli 2008: Karl Unterkircher, »der neue Stern am Bergsteigerhimmel« (Hans Kammerlander), und seine beiden Kameraden wagen eine neue Route durch die gigantische Nordwand des Nanga Parbat, dort, wo sie am steilsten ist. Am zweiten Tag in der Wand stürzt Unterkircher in eine von Neuschnee verdeckte Gletscherspalte fünfzehn Meter tief in den Tod. Für Simon Kehrer und Walter Nones bleibt nur ein Ausweg: Sie müssen ihren Expeditionsleiter und Freund zurücklassen und die Flucht nach oben antreten. Abgeschnitten von der Außenwelt und doch im Fokusder Medien, die einem fassungslosen Weltpublikum in Echtzeit berichten, beginnt ein neun Tage dauernder Kampf gegen Eiseskälte, Lawinen und quälende Schuldgefühle. (Pressetext)

Kurzkritik:

Dieses Bergsteiger-Dramen bereitete mir kein eskapistisches Leseerlebnis, ich war nach der Lektüre sehr nachdenklich und bei mir selbst. Es ging um Freundschaft, um Durchhalten, um Verlust und Trauer, darum, die richtigen Entscheidungen zu treffen und im Weitermachen einen Sinn zu finden – und das ist nah am eigenen Leben, obwohl dort der Schneesturm pfeift und die Lawinen abgehen und die Kälte nahezu unerträglich ist und es hier dauerregnet und die Milch wieder einmal ausgegangen ist. Ich konnte mitfühlen, nachvollziehen und verstehen – ein schönes Buch.

Besprechung:

Flucht zu mir selbst

Die am meisten eskapistischen Lesevergnügen bereiten mir Reiseberichte – und da wiederum rangieren die Bergsteiger-Dramen ganz oben. Nichts könnte weiter weg von meinem Alltag sein: Eiseskälte, Schnee, extreme Höhen, extreme Bedingungen, Abenteuer, Gefahren – Und mehr oder weniger wahr sind die meisten Geschichten auch noch.

Darum hat mich auch die „Unterkircher-Tragödie“ interessiert, geschrieben von seinen Expeditionspartnern Simon Kehrer und Walter Nones, die miterleben mussten, wie der Südtiroler Bergsteiger Karl Unterkircher am 15. Juli 2008 beim Ersteigen des Nanga Parbat in eine Gletscherspalte fiel und starb.

Aufstiege und Tragödien

Nun, es gibt so viele Bücher über Tragödien auf dem Berg (und ich habe sie fast alle gelesen); inhaltlich ähneln sie sich oft sehr: Zum Teil sehr persönlich gefärbte Berichte über Vorbereitungen, Lagerleben, Aufstieg, Tragödie, Überlebenskämpfe und die Wiederkehr in die Zivilisation folgen aufeinander, gewürzt mit ein bisschen Kletter-Philosophie und der Entrüstung über die Vermarktung des Bergsteigens. Und ein paar saftige Tratsch- und Klatschgeschichten fehlen meist auch nicht.

Schlicht und ehrlich

Wohltuend anders ist dieses Buch: Abwechselnd erzählen Kehrer und Nones aus ihrer jeweiligen Sicht, was damals passierte, wie es dazu kommen konnte, und wie sie damit klargekommen sind. Die Sprache ist einfach, das Erzählte klingt ehrlich, und es gelingt ihnen, ein sehr anschauliches Bild der damaligen Ereignisse zu vermitteln und gleichzeitig einen wunderschönen Nachruf auf ihren Kameraden Unterkircher zu schreiben. Sie hatten damals auch viel Negativpresse zu ertragen und wurden in ihren Entscheidungen oft hinterfragt, aber niemals ist der Ton des Buches verbittert oder rechtfertigend.

Berührt hat mich auch das Interview mit Unterkirchers Witwe Silke am Ende des Buches; es passt in seiner Schlichtheit und Ehrlichkeit zum Rest des Buches.

Schneestürme und Dauerregen

So hatte ich diesmal wohl kein eskapistisches Leseerlebnis, sondern war nach der Lektüre sehr nachdenklich und bei mir selbst. Es ging um Freundschaft, um Durchhalten, um Verlust und Trauer, darum, die richtigen Entscheidungen zu treffen und im Weitermachen einen Sinn zu finden – und das ist nah am eigenen Leben, obwohl dort der Schneesturm pfeift und die Lawinen abgehen und die Kälte nahezu unerträglich ist und es hier dauerregnet und die Milch wieder einmal ausgegangen ist. Ich konnte mitfühlen, nachvollziehen und verstehen – ein schönes Buch.

Von Eva Schuster
Infos:

Über Karl Unterkircher [5] bei Wikipedia,