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Bosman, Herman Charles: Mafeking Road

Kurzkritik [1]Was meinen Sie? [2]Ausführliche Besprechung [3]Infos [4]

Buchcover
Erschienen 2010 bei Edition Büchergilde
Aus dem südafrikanischen Englisch von Michael Kleeberg
Originalausgabe: „Mafeking Road“, 1998
Inhalt:

So wie William Faulkner im fiktiven Yoknapatawpha County einen eigenen Kosmos heraufbeschworen hat, schuf Bosman mit Groot Marico, einer existierenden Kleinstadt, eine eigene literarische Welt, die südafrikanische Realitäten verdichtet und überzeichnet. (Pressetext)

Kurzkritik:

Ich tu mir schwer, meiner Begeisterung über dieses Buch Ausdruck zu geben, weil ich nicht glaube, dass man das besser machen kann als der Übersetzer Michael Kleeberg in seinem Nachwort.

Besprechung:

Der beste Erzähler der Groot Marico

Ich tu mir schwer, meiner Begeisterung über dieses Buch Ausdruck zu geben, weil ich nicht glaube, dass man das besser machen kann als der Übersetzer Michael Kleeberg in seinem Nachwort. Bosman lässt einen gewissen Oom Schalk Laurens über das Leben (v.a. der Afrikaaner niederländischen Ursprungs und protestantischer Religion) in Südafrika rund um die 1900-Wende erzählen, dass man glaubt, man würde am Lagerfeuer sitzen, in den überwältigenden Nachthimmel schauen und die Berichte über die kleinen und großen Freuden und Nöte der Menschen trotzdem für wichtig erachten.

„Der berühmte André Gide“, fängt Kleeberg an, „hegte größte Bewunderung für diejenigen seiner Kollegen, die im Gegensatz zu ihm, wie er freimütig bekannte, wirklich etwas zu erzählen hatten. (–) Ja, weniger und weniger unserer großen modernen Schriftsteller können und wollen das noch, eine Gruppe Zuhörer (oder Leser) fesseln mit ihren Künsten. Sie überlassen das lieber der Zerstreuungsliteratur –“

Rote Wangen und feuchte Hände

Kleeberg weiter über seinen Leseeindruck: „Umso größer ist daher die Freude, einen Autor zu entdecken, der höchst originell schreibt und sich der Sprache verpflichtet fühlt (in diesem Falle weniger der opulenten, metaphernreichen als der sparsamen, treffsicheren), und der einem dennoch Lektüreerlebnisse beschert, die ebenso rote Wangen und feuchte Hände (und eine unregelmäßige Atmung) machen, als säße man Homer oder Scheherazade persönlich gegenüber.“

Über Bosmans Stil: „Wir haben es also bei Bosman, anders als der Held und Erzähler seiner Geschichten, der altersweise und zugleich naive, gewitzte wie prahlerische und entspannt mit seiner Unbildung lebende Oom Schalk Lourens vermuten lassen könnte, keineswegs mit einem archaischen Märchenerzähler zu tun, sondern mit einem mit allen Wassern der Modernität gewaschenen Künstler, und die entwaffnende, so vollkommen natürlich wirkende Simplizität seiner Geschichten ist Ergebnis einer bewußten Kunstanstrengung.“

Kleine Siege und komische Niederlagen

Über Bosmans Personal: „Mit wenigen Strichen zeichnet er ein äußeres Bild seiner Figuren, um sich dann auf das Menschlich-Allzumenschliche zu konzentrieren, das ihnen widerfährt: Liebe, Rache, Betrug, Sehnsucht, Tapferkeit, Verlust und Tod. Er schildert das Leben unscheinbarer Leute, ihre kleinen Siege und komischen Niederlagen, aber auch ihre großen, existentiellen Erfahrungen.“

Über den Ort der Handlungen: „Alle diese Geschichten aus der Groot Marico, die vom Ersten über den Zweiten Burenkrieg bis in die Zwanziger Jahre hinein spielen, ergeben zusammen ein solch intensives Porträt dieser Region und ihrer damaligen Bewohner, der Afrikaaner niederländischen Ursprungs und protestantischer Religion, die als Farmer mit den Unbilden der Natur und der englischen Invasion zu kämpfen haben, daß der Leser am Ende glaubt, die Gegend und ihre Menschen zu kennen wie seine eigene Nachbarschaft.“

Es ist so einfach! Warum können es nur so wenige?

Über Bosmans Poetik: „Für alle schließlich, die genau wissen wollen, warum diese Geschichten einen nicht loslassen und warum der humorvolle Oom Schalk Lourens nicht übertreibt, wenn er sich als den besten Erzähler der Groot Marico bezeichnet, liefert Bosman sogar seine Poetik frei Haus – auch wenn es eine gänzlich andere ist, als sie auf den Poetikdozenturen unserer hiesigen Hochschulen gelehrt wird. ,Denn es ist ja nicht die Geschichte, die zählt‘, erklärt Oom Schalk Lourens. ,Wichtig ist die Art und Weise, wie man sie erzählt. Das Entscheidende ist ganz genau zu wissen, in welchem Moment man seine Pfeife an seinem Veldskoen ausklopfen muß und an welchem Punkt der Geschichte man anfangen muß, über das Schulkomitee von Drogevlei zu reden. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist zu wissen, welchen Teil der Geschichte man ausläßt.‘ Es ist so einfach! Warum können es nur so wenige?“

Die große Welt der kleinen Leute

Was braucht man da noch zu ergänzen? Vielleicht, wie ich einem Freund schrieb: „In der Edition Büchergilde sind unter dem Titel ,Mafeking Road‘ Kurzgeschichten von einem Herman Charles Bosman rausgekommen. Schauplatz Südafrika, aber eigentlich die ganze Welt der kleinen Leute. Großartig.“

Und dann noch: Unbedingt lesen!

Von Michael Kleeberg / Werner Schuster
Infos:

Das leicht gekürzte Nachwort [5] bei der Büchergilde (PDF).

Herman Charles Bosman, geboren 1905, ein Solitär und Sonderling der Weltliteratur,gilt als der bedeutendste südafrikanische Kurzgeschichtenautor. Versetzt als jungerLehrer in einen abgelegenen Teil des Western Transvaal (Südafrika), erschoss er im Streit seinen Stiefbruder. Er wurde zunächst zum Tode und dann zu zehn Jahren Haft verurteilt, bevor er begnadigt wurde und in die englische Emigration ging. In London schrieb er den Großteil seiner mehrere Bände umfassenden Kurzgeschichten, von denen zu seinen Lebzeiten nur drei Titel veröffentlicht wurden. Bosman starb 1951 in Südafrika.

Mehr über Herman Charles Bosman [6] bei Wikipedia.